Die Erzählmaschine, heute: “Virtueller Dschihad”

Das wäre ja ein Thema gewesen:

“Sicherheitspolitiker [wollen] nun bundesweit neue Gesetze, die Fernmeldegeheimnis und Privatsphäre weitgehend durchlöchern. Niedersachsens Schünemann zum Beispiel plant einen neuen Anlauf für die präventive Telefonüberwachung.”

Und es ist sogar eine Nachricht – was einem Nachrichtenmagazin gut zu Gesicht steht. Denn nun kann man als Journalist spannenden Fragen für die Leser nachgehen: Was ist technisch möglich? Was haben vergleichbare “Sicherheitsprogramme” in der Vergangenheit gebracht? Welche “Einschränkungen” bedeutet dies für Nicht-Terroristen? Wo genau liegt der Unterscheid zum ganz bösen DDR-Stasi-System? Wird irgendwann ein Politiker befriedigender Grad an “Sicherheit” erreicht sein?

Es wäre ein Ansatz, sich zu fragen, wie wohl die “Wähler” – oder sagen wir besser: die Wahlberechtigten, vielleicht aber sogar die “Deutschen” oder gar die “Einwohner” – darüber denken, denn schließlich ist diese Rückkopplung vom Souverän zum Mandatsträger mindestens so wichtig wie die Kolumne “Was sich ändert – Neue Gesetze des Monats”.

Der SPIEGELlässt gleich fünf Autoren walten (Jürgen Dahlkamp, Guido Kleinhubbert, Gunther Latsch, Andreas Ulrich und Markus Verbeet), um auf 2 Seiten gründlich am Thema vorbeizuspiegeln.

“Virtueller Dschihad” ist das “Terrorismus”-Stück (Spiegel 42/2006, 32-33) überschrieben. Es geht um die ganz Bösen im bösen Internet. Um den Hass, der dort abends gesät wird, wie die Bundesanwaltschaft offenbar beklagt oder vermutet oder träumt, und um den “Kampf”, den “die Politik” “gegen Islamisten im Internet” “verschärft”.

Der Kampf der Politik gegen den Dschihad – ein schönes Bild, das wir gerne auf dem Cover gesehen hätten. Wolfgang Schäuble persönlich mit der Löschmaus in Aktion, Helikopter Dieter Wiefelspütz bei der Verhaftung und 24-Stunden-Einknastung von Dateien (“Die Behörden müssen im Internet mindestens die gleichen Fahndungsbefugnisse haben wie in der wirklichen Welt”).

Leider versinkt der Showdown im Abspann. Stattdessen erzählt uns der SPIEGEL, dass Ibrahim einen Internet-Anschluss im Haus hinter seinem Rasen hat (es ist der Ibrahim, der hobbymäßig recht professionell Hass sät und die Ernte anderen überlässt). Wir erfahren, dass irgendwer “ungeschoren” davon kommt, obwohl der SPIEGEL doch Vollrasur anordnen wollte. Dass Schäuble einen “Cyberwar” führt und dafür 50 neue Krieger bekommt, die eventuell gebrandmarkte amerikanische Soldaten aufspüren sollen, um dann das “übliche Familienprogramm des Dschihad” zu stören. Kurz: Mit viel Gequirltem wieder mal panzerbreit am Ziel vorbei.