Archiv für den Tag: 6. Dezember 2006

Inside Spiegel Online

Julia Bönisch hat während ihres Studiums vier Monate lang als Praktikantin bei Spiegel Online gearbeitet und vertrat anschließend mehrmals Redakteure in den Ressorts Wirtschaft und UniSpiegel. In ihrem vom Netzwerk Recherche veröffentlichten Buch “Meinungsführer oder Populärmedium? Das journalistische Profil von Spiegel Online” plaudert sie Details aus dem Innenleben der Redaktion aus und beschreibt, wie Geschichten wie “Rollstuhl-Randale: Betrunkener Beinamputierter attackiert Polizisten” oder “Alltag in Bagdad: Fickificki one Dollar” entstehen:

Artikel von diesem Kaliber erscheinen meist im Ressort Panorama, intern gern als Pornorama verspottet. Denn auch Bildergalerien von halbnackten Sambatänzerinnen in Rio de Janeiro oder von jungen Models, die neueste Bademode präsentieren, sind Klickgranaten, die die PageImpressions in die Höhe treiben und bei anderen Redakteuren schon mal für Unmut sorgen.

Zu den besonderen Förderern des Ressorts gehört nach Bönischs Darstellung Spiegel-Online-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron:

Chef Müller von Blumencron ruft seine Leute auch schon mal aus der U-Bahn an, weil er dort auf dem Info-Screen eine besonders skurrile Boulevard-Geschichte gelesen hat, die er unbedingt auf der eigenen Seite sehen will. […] Unter der Führung Müller von Blumencrons wird man wohl kaum auf Bildergalerien mit sambatanzenden Schönheiten oder Artikel über die Plazenta von Tom Cruises Freundin verzichten.

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Korinthe (8): Glaubwürdigkeit eingebüßt

Familie Kluth hat Geld mit Telekom-Aktien verloren, Michael Kröger hat mit ihnen gesprochen und gibt den Fall auf Spiegel Online als Einstieg zu seinem Artikel über die Geschichte der T-Aktie und die Geldgier von Anlegern wieder:

Angespornt durch die Berichte in den Zeitungen und die üppigen Kursgewinne an der Börse hatte Kluth seinen Vater damals überredet, die T-Aktie zu zeichnen – das war im Juni 2000 als die Telekom die dritte Tranche zum Preis von 66,50 Euro aufs Parkett brachte. Die beiden sammelten ihre Ersparnisse und kauften 60 Stück. […] Inzwischen hat sich der Kurs wieder ein wenig erholt, doch vom Gesamtwert des Kluth’schen Pakets von knapp 3600 Euro ist dennoch nicht mehr viel übrig

Seitdem hat Hubertus Kluth “in der Familie einen Teil seiner Glaubwürdigkeit als Experte eingebüßt”, schreibt Michael Kröger, und der kennt sich mit sowas aus. Schließlich haben 60 Aktien, gekauft bei einem Kurs von 66,50, keinen Gesamtwert von knapp 3600 Euro, sondern von knapp 4000 Euro. Ein einfacher Griff zum Taschenrechner hätte hier schon dafür gesorgt, dass zumindest Krögers Glaubwürdigkeit als Wirtschaftsjournalist keinen Schaden genommen hätte. Chance vertan.