Headlines sollen kurz & griffig sagen, was Sache ist, sie müssen oftmals komplexe Sachverhalte sehr verkürzt auf den Begriff bringen und dürfen doch gleichzeitig – oder, seien wir großzügig: sollten – nichts versprechen, was der ihnen folgende Text nicht einhalten kann.
Nehmen wir zur Illustration des Problems eine kleine Randmeldung, die Spiegel Online aus einer Reuters-Meldung gemacht hat:
Kenia: First Lady rät von Kondomen ab
Oha, denkt sich da der um das Wohl der Welt besorgte Spiegel-Online-Leser, und das jetzt, wo selbst im Vatikan Vernunft einkehrt und der Gebrauch von Kondomen zur Vermeidung von Aids-Ansteckung nicht mehr des Teufels sein soll. Und er klickt und liest – und, jenun: fühlt sich dann doch ein wenig veräppelt.
Denn die „Frau von Präsident Mwai Kibaki“ hat sich gar nicht so generell gegen den Einsatz von Kondomen ausgesprochen, wie es die Headline suggeriert. Sie findet nur, dass sich „Jugendliche und junge Erwachsene“ nicht mit Sex beschäftigen und durch die Verfügbarkeit von Kondomen erst gar nicht in Versuchung geführt werden sollten.
Man mag diese Einstellung ebenfalls für gemeingefährlich dummes Zeug halten und wer weiß, am Ende rät Frau Kibaki tatsächlich so ganz generell und im Großen Ganzen von Kondomen ab.
Allein – das zur Headline gehörende Artikelchen bietet kaum Anhaltspunkte in dieser Richtung. Dort heißt es:
„Diejenigen, die noch zur Schule gehen, müssen keinen Zugang zu Kondomen haben. Ich halte nichts davon“, sagte sie.
Wer jetzt auf die Idee kommt, dass die Überschrift vielleicht schon in ursprünglichen Reuters-Meldung vermurkst wurde, den müssen wir leider enttäuschen. Reuters titelte am 19. Mai völlig korrekt:
Kenias First Lady – Kondome sind nichts für junge Leute
Auch ein kurzer Abstecher zu den Google-News zeigt, dass andere Zeitungen die Meldung weit weniger reißerisch & irreführend überschrieben haben:
Kenias First Lady: Kondome sind nichts für junge Leute
Enthaltsamkeit im Kampf gegen Aids empfohlen
liest man etwa im österreichischen Standard und auch bei Basler Zeitung hält man sich eher an die wenig aufregende Reuters-Headline:
Kondome laut Kenias First Lady nichts für junge Leute
Nur der österreichische Kurier titelte exakt so wie Spiegel Online. Ja, verblüffender noch: der Rest liest sich auch Wort für Wort so wie bei Spiegel Online. Als Quelle gibt der Kurier nun allerdings nicht Reuters und schon gar nicht Spiegel Online an, sondern die österreichische Presseagentur apa: Honi soit qui mal y pense (aber ich bin ein schlechter Mensch und denke mir meine Teil, wenn ich eine redaktionell bearbeitete Reuters-Meldung plötzlich als Original-Meldung einer anderen Presseagentur wiederfinde).
hm, das ist ja krass, dass die APA offenbar ihre Tickermeldungen bei Spiegel Online abschreibt. Was natürlich wieder die Medienmacht der Seite zeigt.
Allein durch das unten angestellte Kürzel apa würde ich nicht den voreiligen Schluss ziehen, die Meldung fuße auf dieser Quelle und diese widerrum habe bei SpOn _abgeschrieben_. Zumal dort auch geschrieben steht, das ein Teil des Artikels Informationen „eines Zeitungsberichts“ entsprungen sind – wenn auch er konkret unerwähnt bleibt.
Medienmacht ist das eine, die Blauäugigkeit andere, auch Medien, das andere.
bisschen spitzfindig, diese kritik. beim spiegel ist es halt nicht so leicht recherche-fehler zu finden wie bei bild. da ist der bildblog einfach lustiger…aber viel glück noch.