SPIEGEL Weltuntergang

weltuntergang.jpgDer SPIEGEL-Aufmacher dieser Woche hat eine bedrohliche Botschaft: journalistische Berichterstattung führt zu nichts. Vielleicht gab es sie auch noch nie, vielleicht ist alles Gesendete und Geschriebene nur Entertainment – jedenfalls: mit Aufklärung hat Journalismus nichts am Hut.
“Ob wir vor 20 Jahre vor einer Überflutung des Kölner Doms gewarnt haben oder vor drei Jahren schon behaupten ließen, der Klimawandel sei eine tolle Sache, Quatsch war es jedes Mal, und so ist bitte auch die neue Titelgeschichte ‘Achtung, Weltuntergang! – Wie gefährlich ist die globale Erwärmung wirklich?’ als solcher zu lesen”, heißt es übersetzt in der Hausmitteilung des Blattes.

Die Titelgeschichte in Kurzform: Die Klimakatastrophe kommt, ja-ja, aber damit lässt sich wohl auch Geld verdienen und da wir es eh nicht ändern können, sollten wir uns freuen, jedenfalls “die Raver der Love Parade werden das begrüßen”.

Man kann dem Augstein-Blatt ja wahrlich nicht vorwerfen, keinen Blick für die Vorboten des Untergangs gehabt zu haben. Waldsterben, Artenschwund und Öltropf, Smogalarm, Giftmüll und verseuchtes Essen, Greenpeace, Grüne und Club of Rome – alles fand frühzeitig seinen Kolportage-Platz. Und der SPIEGEL verschweigt sein Tun auch heute nicht, im Gegenteil.

Doch was folgt daraus? Erbarmungslose Abrechnung mit einer offensichtlich völlig unfähigen Politik, die alle Warnungen, ja selbst jede konkrete Hilfestellung in den Wind geschlagen hat? Eine fundamentale Kritik an dem Entscheidungssystem, das bislang unter “Demokratie” firmiert? Eine polternde Polemik darauf, dass zwar jeder Furz international diplomatisch verhandelt wird, dass die Entsendung von 15 Soldaten tagelang Gesprächsthema Nummer 1 ist, die Terminierung des Weltuntergangs aber offenbar unter Ausschluss der Presse in der Kantine der Weltpolitik verhackstückt wurde? Wenigstens sachliche Analysen, wie es dazu kommen konnte, das nun alles so kommt, wie seit Jahrzehnten gewarnt wird?
Nö. Stattdessen der intellektuelle Offenbarungseid:

“[…] verhindern kann die Folgen der Erderwärmung ohnehin niemand mehr. Die Herausforderung ist es, die Kosten der Veränderung zu minimieren.”

Im gesamten Beitrag kein Wort dazu, wie die Politik wenigstens in den letzten 30 Jahren “Umwelt” bearbeitet hat – bis auf das wohl unbeabsichtigte Bonmot: “Bisher reichte alle Umweltrhetorik nicht, um eine spürbare CO2-Reduzierung zu bewirken.”

Das hätten wir mit etwas mehr Mut zum Bekenntnis natürlich auch viel billiger und angenehmer haben können. Kluge SPIEGEL-Köpfe hätten schon immer das Positive in Bleiluft, Bergfreiflächen und Hautkrebs sehen können. Wollten sie nicht? Oder waren sie schlicht zu blöd dafür?

Heute jedenfalls geht’s dem SPIEGEL locker von der Rolle: “Desaster in den Meeren”, “Hitzeschock”, “dramatische Vorzeichen”, 150.000 Klima-Tote jährliche, versalzenes Trinkwasser, nationale Tauchgänge.

Kritik? Welche Kritik? Die Bordkapelle spielt noch – und sogar recht munter.

Die sieben namentlich genannten SPIEGEL-Mitarbeiter und ihre Fakten-Knechte haben Wetter journalistisch simuliert, die Unbeherrschbarkeit der Natur in einen unbeherrschten Text gehauen. Zahlen, Namen, Statements, – alles wird aneinander gereiht unter der strikten Maßgabe, bloß selbst nicht zu denken (denn das, alte Journalisten-Weisheit, machen die Leser schon selbst). Da darf dann eben der Markt das Klima retten, der bisher einziger Verursacher der laufenden Katastrophe ist. Und er muss von seinem Rettungsauftrag auch selbst noch gar nicht wissen, der SPIEGEL hilft ihm auf die Sprünge:

“Nur Wissenschaft und Wirtschaft werden dafür sorgen, dass sich die Menschheit auf den sich wandelnden Lebensraum einstellen kann. Haben die Konzernbosse das bereits begriffen?”

Wer “die bevorstehende Sintflut in immer düstereren Farben” ausmalt, ist selbstgefällig, wer von Umsatz auf dem Umweltmarkt redet, “frohlockt” und stiftet eine “frohe Botschaft”.
Da nehmen wir es den Glorreichen Sieben nicht krumm, dass ihnen das Verständnis fehlt, “Erwärmung” und “neue Eiszeit” nicht als Paradoxon zu sehen. Sind mit ihnen kindserstaunt, dass die Beförderung von Kohlenstoffverbindungen aus dem Boden in die Luft die Luft verändert. Und lesen beeindruckt von einem “Supercomputer”, der “42 000 Gigabyte Klimadaten” “im 15 Stock eines Hamburger Uni-Gebäudes” trägt – wow. Und freuen uns, dass der SPIEGEL weiß, was Klimaforscher um ihren Schlaf bringt (täglich, wöchentlich, ab und an mal? das wird nicht genau verraten).

Der boulevardeske Titel “Achtung, Weltuntergang!” wird selbst vom verquasten Artikel nicht konterkariert. Nur etwas entdrohlicht.

“Werden also Tokio, Lissabon und New York bald in den Fluten versinken? 1000 Jahre werde es noch dauern, bis Grönland eisfrei sei, beschwichtigen Experten.”

Wenn wir das jetzt wenigstens mal verbindlich festhalten könnten, ließe es sich doch ganz anders planen, schließlich juckt das ja selbst unsere Kindeskinder nicht mehr. Was war noch mal die Fragestellung?

Ein Gedanke zu „SPIEGEL Weltuntergang

  1. Pingback: Klimawandel: Offener Leserbrief an Spiegel Online » Frank Wettert

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