Spiegel Online ist „Qualitätsboulevard“

Dass der „Quote“ vor allem bei Online-Produkten oft die Qualität geopfert wird, meint das Gutachten „Klicks, Quoten, Reizwörter: Nachrichtensites im Internet“ der Friedrich-Ebert-Stiftung. Darin heißt es:

„Zehn Artikel wiegen nicht die Reichweite einer hoch frequentierten
Bildergalerie auf. Besonders erfolgreich sind Fotostrecken, die auf den später zu analysierenden Aufmerksamkeitsfaktoren beruhen: Prominenz, Klatsch, Sex, Tratsch, Superlative. Nicht nur die boulevardeske »Bild.de« verdankt einen großen Teil ihrer Klickerfolge halbseidenen Bildergalerien. Selbst Websites wie »FAZ.NET«, »wiwo.de« oder »Spiegel Online« schaffen ein Grundrauschen an Reichweite durch Galerien.“

Die Autoren Steffen Range und Roland Schweins stellen für Spiegel Online fest: „Das Angebot ist stark von einer Darstellungsform geprägt, die Unterhaltung und Information kombiniert, eine Art zerstreuender Journalismus. Die strikte Trennung zwischen Nachricht und Kommentar wird aufgehoben. »Spiegel Online« verstößt bewusst gegen die Trennungsnorm. Bei vielen »Spiegel«-Geschichten tritt der Autor, der Erzähler einer Geschichte, derart in den Vordergrund, dass die Schlussfolgerung zulässig ist, der »narrative Stil« sei das Markenzeichen von »Spiegel Online«. Das wird untermauert durch den jüngsten Relaunch der Site.“

Sie gestehen SpOn als einer von wenigen Nachrichten-Sites einen eigenen Stil zu und geben ihm auch einen Namen: “ Besonders erfolgreich kombiniert »Spiegel Online« Elemente des Boulevards und des Nachrichten-Journalismus. Die blumige Sprache, die tendenziöse Themendarreichung, der bunte Themenmix lassen sich als »Qualitätsboulevard« bezeichnen.“ Und sie sehen mit dieser Form eine neue Ära des Journalismus insgesamt kommen, in der „der sachlich-informierende, unaufgeregte Journalismus abgelöst wird durch zerstreuende, unterhaltende, aufregende oder aufgeregte Darstellungsformen. »Spiegel Online« hat in der aktuellen Berichterstattung einem Journalismus zum Durchbruch verholfen, den man als »smart tabloid« bezeichnen könnte: eine »Kombination aus Boulevard- und Informationsjournalismus«.

Im zugehörigen Blog verweisen die Autoren als letztes auf ein „Behördisch“-Sprachquiz als inhaltsarmen Klick-Generator.

PS: Aktuell gibts bei SpOn auch ein sehr journalistisches Klick-Spiel: „Welcher Promi wohnt hier?“

6 Gedanken zu „Spiegel Online ist „Qualitätsboulevard“

  1. medienblogger

    Wirklich interessante Analysen zu Spiegel Online, bestätigt im Grunde das, was man immer schon vermutet hat, nur das es jetzt auch einmal richtig unterrsucht wurden ist.

  2. Pingback: SpiegelKritik » Blog Archive » Spiegel-Online erstellt in Fleißarbeit “Liste der Intransparenz”

  3. Roland

    Die Studie wird im Magazin „Journalist“ von Mathias von Blumencron stark kritisiert. Die Autoren reagieren auf Vorwürfe (schlecht recherchiert, veraltete Quellen) mit einer Aufforderung zur öffentlichen Entschuldigung.

  4. Pingback: SpiegelKritik » Blog Archive » Lesebeute: Sturmgeschütz wird Gulaschkanone

  5. Pingback: Zukunftsvision Qualitätsboulevard? Eine Qualitätsdebatte des Online-Journalismus am Beispiel des SPON | Köpfe des digitalen Wandels im Journalismus

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