„KEK-Rechnung ist nicht nachvollziehbar“ – Zur Untersagten Fusion von Springer mit Pro7

Über die kartell- und medienrechtlichen Probleme einer Fusion von Axel Springer mit ProSiebenSat.1 sprach Timo Rieg für spiegelkritik.de mit dem Dortmunder Professor für Medienökonomie und Wirtschaftsjournalismus Frank Lobigs.

Tg: Das Bundeskartellamt hat Anfang des Jahres die Fusion von Axel Springer Verlag und ProSiebenSat.1 untersagt. Nun wird diese Entscheidung gerichtlich überprüft. Kann sich Springer wieder Hoffnung machen?

Lobigs: Da ist ein Silberstreifchen am Horizont. Aber ich denke, Springer sollte nicht allzu sehr drauf bauen. Das Kartellamt hat plausibel argumentiert, dass der Zusammenschluss marktbeherrschende Stellungen – wie etwa jene der Bild auf dem Markt für Straßenverkaufszeitungen –  verstärken würde. Und dann sehen die Regeln zur Fusionskontrolle eben eine Untersagung vor: Punkt.

Tg: Gibt es denn für das Gericht überhaupt etwas zu prüfen, wenn der Fall so eindeutig ist?

Lobigs: Der Fall ist schon speziell. Und deshalb ist am Ende womöglich doch auch noch etwas Musik in der Sache. Denn Springer und ProSiebenSat.1 sind ja – grob gesprochen –  auf getrennten Märkten unterwegs: Springer macht Zeitungen, ProSiebenSat1 macht Fernsehen. Es wäre also überhaupt nicht zu einem nennenswerten Zuwachs von Marktanteilen gekommen. Und damit entfällt auch der klassische Grund für die entscheidende Diagnose, dass durch das Zusammengehen eine marktbeherrschende Stellung verstärkt würde.
Das Kartellamt hat jedoch erkannt, dass Springer nach einer Fusion die Möglichkeit gehabt hätte, die beherrschende Marktstellung der Bild-Zeitung durch exklusive werbliche und publizistische Unterstützung durch die ProSiebenSat1-Sender weiter zu festigen und umgekehrt. Es hat also crossmediale Strategien mit ins Auge gefasst; und da kann man wohl auch kaum dran vorbeischauen. Im Gegensatz zur reinen Marktanteilsrechnerei ist diese Argumentation aber juristisch noch nicht eingeschliffen und auch etwas diffiziler. Ich würde darum nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das OLG Düsseldorf die Entscheidung des Bundeskartellamts im Nachhinein nicht doch noch knickt.

Tg: Der Ordnungsökonom Oliver Budzinski wirf dem Bundeskartellamt vor, seine Entscheidung nicht exakt ökonomisch zu begründen, wie dies etwa Standard der Europäischen Kommission wäre.

Lobigs: Sagen wir doch ehrlich: Exaktheit ist auch in der Ökonomie immer relativ, und leider ist es oft viel einfacher, den Wunsch nach mehr Exaktheit zu begründen als ihn umzusetzen. Doch weisen Budzinski und die Medienökonomin Kathaina Wacker in einem neueren Artikel in der Tat auch auf Widersprüchlichkeiten in der Argumentation des Kartellamts hin.

Tg: Neben der marktwirtschaftlichen Prüfung durch das Bundeskartellamt gibt es noch eine Überprüfung der Medienvielfalt durch die KEK. Auch die KEK hat sich gegen einen Zusammenschluss ausgesprochen. Zurecht?

Lobigs: Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont , dass eine „vorherrschende Meinungsmacht“ auf dem Medienmarkt zu verhindern sei. Dem Fernsehen spricht es hierbei eine besonders starke meinungsprägende Kraft zu. Eine „Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht“ ist aber natürlich sehr schwer gesetzlich zu regeln. Wie will man das auch operationalisieren? Der Rundfunkstaatsvertrag nennt dazu in Paragraph 26 Zahlen: Demnach ist bei 30% Zuschauermarktanteil vorherrschende Meinungsmacht zu vermuten.

Tg: Die Sender von ProSiebenSat.1 kamen aber insgesamt nur auf 23%.

Lobigs: Selbiger Paragraph legt jedoch darüber hinaus auch nahe, dass bei der Beurteilung zusätzlich zu berücksichtigen ist, ob das Unternehmen auch auf anderen „medienrelevanten verwandten Märkten“ über Potenziale zur Meinugsbeeinflussung verfügt.
Die KEK macht daraus eine kühne Kalkulation: Sie rechnet das Meinungsbildungspotenzial der anderen Medien, wie etwa der Bild, in Zuschauermarktanteile auf dem TV-Markt um und kommt dann insgesamt auf 42%! Ich weise immer gern darauf hin, dass das genau jene Zahl ist, die laut der Weltraum-Satire „Per Anhaler durch die Galaxis“ sowieso alle Fragen des Universums löst. Für die KEK löste sie jedenfalls die Frage, wie man die Fusion als „nicht genehmigungsfähig“ klassifizieren konnte, obwohl der Zuschauermarktanteil auf dem deutschen TV-Markt eigentlich nur bei 23% lag.
Die Rechnung ist aber natürlich wissenschaftlich kaum nachvollziehbar, weil hier quasi Print-Leser in Fernsehzuschauer umgerechnet werden, letztlich nach kaum objektivierbaren Kriterien. Meinungsmacht kann man nicht nach so einer Pi-mal-Daumen-Formel berechnen.

Tg: Wie kann man die Messung einer vorherrschenden Meinungsmacht objektiver machen?

Lobigs: Naja, das dürfte nicht leicht sein. Die KEK selbst hat ja zu einem entsprechenden Symposium vor einem Jahr eingeladen. Eine interessante Idee hat Wolfgang Seufert von der Uni Jena da präsentiert: Er schlägt vor, die Preise auf dem Werbemarkt als relativ objektiven Indikator heranzuziehen: Schließlich zahlen die Werbetreibenden ja gerade für das  Beeinflussungspotenzial der Medien, und sie haben damit einen guten Grund, dieses möglichst genau und objektiv einzuschätzen.

Tg: Der KEK gehören überwiegend Juristen an, die Vorsitzende ist Betriebswirtschaftlerin. Ist da die nötige Kompetenz versammelt, um die Auswirkungen von Marktveränderungen auf den Journalismus zu beurteilen?

Lobigs: Die KEK holt sich da ja auch kompetenten Rat von außen.

Tg: Und Ihre Einschätzung zum damaligen Fusionsvorhaben?

Lobigs: Ich wundere mich nicht, dass Springer immer noch Lust hätte. Die realisierbaren crossmedialen Effekte sind doch einfach zu verlockend – obwohl es sie natürlich gar nicht gibt,  wie Springer dem Kartellamt gegenüber nicht müde wurde zu betonen.

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