Medienblogs können Qualitäts-Journalismus liefern

„Verbesserte Medienkritik oder Pseudo-Journalismus?“ hat Andres Hutter seine „inhaltsanalytische Studie journalistischer Qualität in medienkritischen Weblogs“ überschrieben, die er als Abschlussarbeit der Uni Zürich vorgelegt hat.

Wirklich spannend zu lesen ist seine theoretische Vorbereitung auf die Empirie: Aufgaben und gesellschaftliche Verankerung des Journalismus im Allgemeinen und des Medienjournalismus‘ im Besonderen sowie Qualitätskriterien und -bestimmungen hat er sehr kenntnisreich zusammengetragen.

Für den „Journalismus im Internet“ verweist Hutter unter Bezug auf Christoph Neuberger auf den starken Einfluss der Technik durch „Multimedialität, große Speicherkapazität, globale Zugänglichkeit, permanente Aktualisierbarkeit, Selektivität, Additivität, Interaktivität, kostengünstige Produktion und Verbreitung von Inhalten“.

Weblogs definiert er – mit starker Literatur-Stütze – als

„Websites , in denen die einzelnen Beiträge in umgekehrt chronologischer Reihenfolge veröffentlicht werden, die regelmässig aktualisiert werden, häufig mit Links auf andere Websites verweisen, von einzelnen Personen oder Gruppen betrieben werden und dem Leser gewöhnlich die Möglichkeit bieten, Kommentare zu den Inhalten zu veröffentlichen.“

Blogs können demnach in vier Verwendungsformen kategorisiert werden:

  • Weblogs als persönliche Online-Tagebücher,
  • Weblogs als Medien der (internen wie externen) Organisationskommunikation,
  • Weblogs als (quasi-)journalistische Publikation oder
  • Weblogs als Medien der Expertenkommunikation und des persönlichen
    Wissensmanagements.

    Damit ist auch deutlich gesagt, dass Blogs nicht zwingend Journalismus enthalten müssen (und niemals Journalismus sind), Journalismus aber enthalten können, „wenn Inhalte und Arbeitstechniken den dazu erforderlichen Ansprüchen genügen“, oder wie Rebecca Blood schon 2003 schrieb: „some Weblogs are doing journalism, at least part of the time.“

    In seinem empirischen Teil der Arbeit untersucht Hutter zehn Medienblogs und vergleicht deren journalistische Qualität mit den Online-Angeboten von FAZ, NZZ und DP.
    Eine seiner Untersuchungsthesen ist, dass Weblogs objektiver über Medienthemen berichten, „weil bei Weblogs – im Gegensatz zu den traditionellen Massenmedien – bei der Medienberichterstattung weniger Eigeninteressen betroffen sind.“ Ferner erwartet Hutter, dass die analytische Qualität bei Weblogs höher als bei Online-Zeitungen ist, denn es müsse „von einer eingeschränkten Kritikfähigkeit traditioneller Massenmedien ausgegangen werden. Hingegen werden Weblogs oft als „meinungsfreudig“ (Neuberger 2007: 103) bezeichnet und das Üben von Kritik an den traditionellen Medien ist das zentrale Anliegen der meisten Watchblogs.“

    Kern der empirischen Arbeit ist eine Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung der ausgewählten Online-Zeitungen und der Medienblogs: Bildblog, Blattkritik, Daily Error, Gesammelte Bazismen, heute-Satiremagazin, Medienspiegel, Österreichblog, Ostsee-Zeitung-Blog, Pendlerblog und Spiegelkritik. Die Auswahl der Blogs wird nicht exakt begründet und ist vor dem Hintergrund des schweizerischen Blickwinkels und dem Studienzeitpunkt zu sehen. Großen Raum für Diskussionen bietet sicherlich auch die Operationalisierung der Qualitätsdimensionen (also die Messung selbst), doch im Großen und Ganzen ist die Vorgehensweise plausibel.

    Ergebnis:

    „Das, was in den untersuchten Weblogs geschrieben wird, hat journalistische Qualität, das hat die Studie gezeigt. Den Vergleich mit den Online-Ausgaben etablierter Zeitungen müssen sie jedenfalls nicht scheuen, im Gegenteil: für Weblogs wurde insgesamt eine höhere journalistische Qualität gemessen als für Online-Zeitungen.“

    Nur in zwei Punkten standen die Online-Zeitungen besser da als die Blogs: Bei der Objektivität und der Transparenz, wobei beides nicht wirklich verwundert. Denn in der Untersuchung wurde „Meinungsfreudigkeit“ (z.B. als Ironie) der Objektiv negativ, der Unterhaltsamkeit aber positiv zugerechnet, und nicht erkennbare Autorenschaft von Beiträgen führte zu einer Abwertung der Transparenz.
    Interessant ist die Erkenntnis, dass die Medienberichterstattung in Online-Zeitungen nicht vielfältiger ist als in den untersuchten Medienblogs.

    Ein Nebeneffekt der Untersuchung ist die qualitative Vergleichbarkeit von Bildblog und Spiegelkritik. Um drei Punkte herauszugreifen: Bei der Objektivität liegt Spiegelkritik mit einem Wert von 6,4 auf einer Skala von 0 bis 10 vor allen anderen Medienblogs (Bildblog: 4,1), bei der analytischen Qualität sind beide gleich auf (Wert 5,2), bei der Unterhaltsamkeit liegt Bildblog (5,3) weit vor Spiegelkritik (1,5).

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