„Totale Kontrolle“ lautet ein Stück im aktuellen Spiegel (47/2007, 96-100) über den Bürokratiewahnsinn der EU. Darin wird zwar die Regelungswut kritisiert, aber doch meist ein vernünftiger Grundgedanke unterstellt, nämlich der Verbraucherschutz. Diese höhere Idee ist stark zu bezweifeln, auf jeden Fall ist die Bürokratiewucherung kein EU-Phänomen. Wir verweisen wie immer gerne auf Kurt Tucholsky, der in „Die Beamtenpest“ schrieb:
Noch nie ist von diesen Organisatoren jemand auf den Gedanken gekommen, zum Schluss folgende Frage zu stellen: »Und nun wollen wir doch einmal sehen, was denn das Publikum zu tun hat, wenn es alle diese Vorschriften befolgt.« Das interessiert dortseits überhaupt nicht; daher dann die irrsinnigsten Anomalien, Vorschriften, die man denen, die sie gemacht haben, um die Ohren schlagen sollte, unerfüllbare Forderungen, Dummheiten, Nachlässigkeiten […]
Die Beamten verlieren sehr bald, meist schon kurze Zeit nach ihrem Eintritt in den Staatsdienst, das Blickfeld für das Ganze – sie ersaufen in ihrem Kleinkram, der zu neun Zehnteln sinnlos, erfunden, überflüssig, unanwendbar und unbrauchbar ist. Das der Gruppe immanente Gesetz aber, sich ständig zu vergrößern und die eigne Geltung möglichst herauszustreichen, zwingt sie dazu, sich nicht nur mausig zu machen, diese unsinnigen Etats zu vertreten und das Rad immer fort und fort zu drehen. Die Folge ist nicht nur eine sinnlose Verschwendung der Steuergelder, bei denen niemand kontrolliert, ob sich denn der Aufwand überhaupt noch lohne, der da getrieben wird – die weitere Folge ist eine Verdunklung der Tatbestände, aus denen sich zum Schluss keiner mehr herausfindet. Es gibt ganze Gebiete der Landesgesetzgebungen, auf denen man schon »Fachleute« zu Rate ziehen muss, um sich überhaupt über die einfachsten Grundlagen klar zu werden. Das liegt nicht an den Materien, sondern lediglich am Geltungsdrang der Beamten, die erst jene Verwicklungen konstruiert haben. […]
Solche aufgeblähten Beamtenkörper abzuschaffen, die überflüssig sind, unfruchtbar, unproduktiv und fast immer reaktionär, ist auf dem Wege der Evolution unmöglich. Jeder Reformversuch muss ja von einem von ihnen gemacht werden; jeder Reformversuch endet gewöhnlich damit, dass der Dreck, statt herausgekehrt zu werden, von einer Ecke in die andre umgelegt wird; jeder Reformversuch belässt, wenn man es richtig ansieht, alles beim alten. Eine wirkliche Änderung? Dazu hat der liebe Gott die Revolutionen erfunden. Luftreinigungen, die von Zeit zu Zeit erfolgen müssen, wenn nicht alles ersticken will. Dann gehts wieder für eine Weile.
Die Macht der Bürokraten führt zur Ohnmacht der Bürger, was Sinn der Veranstaltung „Demokratie“ ist.