Das Landgericht Darmstadt hat der Rüsselsheimer Satirezeitung “M 55” nach einer einstweiligen Verfügung nun auch per Urteil die weitere Verbreitung des Textes “Kameraden” verboten. Der in Frakturschrift gehaltene Beitrag der Ausgabe von November 2007 karikiert in Form einer städtischen Einladung an Rechtsextreme die Genehmigung von zwei Veranstaltungen der NPD und der Republikaner auf dem Lassalle-Platz. Strittig ist, wie weit die Stadt die Genehmigungen freiwillig erteilte und wie weit sie dazu erst durch Gerichtsbeschlüsse gezwungen wurde.
Als Begründung dafür, dass zumindest eine Passage des Textes nicht von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt sei, führt das Gericht unter anderem an, die Stadt Rüsselsheim habe hinreichend glaubhaft gemacht, dass Bürger von der Richtigkeit des Textes ausgegangen seien. Daraus ergebe sich, “dass der satirische Aspekt dieses Textes beziehungsweise Textabschnitt hinter dem tatsächlichen Erklärungsgehalt zurücktritt”. Eine unvollständige Wiedergabe von Tatsachen sei in diesem Falle wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln.
Besonders interessant ist die Auffassung des Gerichts, dass eine vom Herausgeber hinterlegte Schutzschrift die Gefahr einer Wiederholung der unzulässigen Behauptung begründe und daher ein gerichtliches Verbot nötig mache. Eine Schutzschrift-Hinterlegung galt bisher als probates Mittel, nicht wehrlos einer einstweiligen Verfügung gegenüber zu stehen. Der Herausgeber der monatlich dem Rüsselsheimer Echo beiliegenden M 55, Steffen Jobst, ist in die Berufung gegangen.
Update 15. Dezember 2008: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die einstweilige Verfügung aufgehoben und sieht die “Kameraden”-Satire doch von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. Bericht bei Echo-Online.