Entscheidend is’ anne eigene Nase

Er hat ja so recht mit seinem Schimpf über den Talk-Trash, der Reinhard Mohr, der jetzt im Anne-Will-Verriss sagt:

“Man will das alles einfach nicht mehr hören – diese gestanzten, in jedem Fall vorhersehbaren Phrasen (…)”

Zu Wort kämen “Gäste, besser: das, was an diesem heißen Fußballabend noch irgendwie aufzutreiben und ins Fernsehstudio nach Berlin-Adlershof zu verfrachten war”, die sich “überwiegend im Vorruhestand” befänden und denen eine farblose Moderatorin das Podium bereite:

“Anne Will ist weder links noch rechts, weder “neoliberal” noch “linkssozial” – sie hat überhaupt keine identifizierbare Haltung, die sich in der grassierenden medialen Beliebigkeit von Themenwahl und politischer Zuspitzung bemerkbar machen würde. Mehr Urteilsfähigkeit wäre gefordert.”

Alles richtig. Verwunderlich nur, dass die Kritik ausgerechnet vom führenden Online-Magazin für gestanzte, vorhersehbare Phrasen politischer Diffusheit kommt.

Ein Magazin, das die Kritik eines unbedeutenden CDU-Politikers an einer offenbar nicht-sehenswerten Talk-Sendung in fünf gähnen machenden Beiträgen kolportiert, das uns – “während also die deutsche Mannschaft stürmte und Lukas Podolski seine zwei Tore schoss” – “in ermüdenden Wiederholungsschleifen” mitteilte, BK Merkel fände die Linke nicht so gut, ein Magazin, bei dem jedes Ereignis erst dann zur Nachricht wird, wenn es von wenigstens einem Politiker kommentiert worden ist, augerechnet ein solches Magazin führender Drögheit fordert öffentlich-rechtliches Kontrastprogramm am Sonntagabend. Logischer wäre es andersherum: die GEZ-Steuer wird weiter möglichst schadensarm versendet und die Anzeigenflächenverkäufer kümmern sich um Journalismus Unterhaltung.

8 Gedanken zu „Entscheidend is’ anne eigene Nase

  1. Pepe

    Es mag schon sein, dass sich Deutschlands führendes Online-Magazin zunehmend boulevardesk gibt. Ihm deswegen allerdings generell Qualität und kritische Haltung abzusprechen halte ich für falsch. Wer die Ausnahmen nicht als guten Journalismus anerkennt, sondern sie wegen des Mediums pauschal verurteilt, tut den Journalisten unrecht. Zumal bei der Kritik an einer Sendung, die mittlerweile zum Forum führender deutscher Populisten geworden ist. Wie sonst ließe sich verstehen, dass Oskar Lafontaine bei Anne Will (beinahe) widerspruchslos eine Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes gegen andere Parteien fordern kann?

    SPON ist bestimmt nicht die intelektuelle Erleuchtung und bemüht sich redlich seinen Ruf weiter zu beschädigen. Reinhard Mohrs “Nacht-Kritik” ist dennoch gut – weil seine journalistische Leistung unabhängig von der Seite zu betrachten ist!

  2. Mephane

    “Wie sonst ließe sich verstehen, dass Oskar Lafontaine bei Anne Will (beinahe) widerspruchslos eine Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes gegen andere Parteien fordern kann?”

    Hmm, schauen wir mal was da von Oskar auf der verlinkten Seite zitiert wird:

    “Wenn wir an der Saar regieren, muss ich ernsthaft darauf achten, dass die CDU vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Denn die erklärten Verfassungsfeinde sind Schäuble und Jung und andere, die gegen das Grundgesetz in das Schlafzimmer wollen, die Online-Durchsuchungen machen wollen, die Bundeswehr im Inneren einsetzen wollen.”

    Ich weiß ja nicht wie es dir geht, Pepe, aber eine nicht unbeträchtliche Anzahl Menschen ist parteiübergreifend der Ansicht, dass Schäuble ein Verfassungsfeind sei und sein Programm und seine Maßnahmen deutlich über das vom Grundgesetz erlaubte hinausgehen. Ob Lafontaine das nun wirklich auch denkt oder nur aus Populismus sagt, darüber kann man nur spekulieren, aber mit dieser Aussage steht er zumindest nicht alleine da – auch außerhalb der Linkspartei.

    Im Übrigen wird immer der politische Gegner dann als ‘Populist’ bezeichnet, wenn er zur Sprache bringt, was das Volk denkt. Wenn man aber dasselbe tut, dann ist man ‘bürgernah’. Zweierlei Maß ist schon was praktisches…

  3. Torsten

    Pepe hat völlig Recht. Man kann nicht wegen der Kritik eines einzelnen Mitarbeiters das ganze Magazin verreissen. Das ist einfach nur pauschalisierend und polemisch bis zum Gehtnichtmehr.
    Es ist sicherlich vieles fragwürdig an der Berichterstattung des Spiegel. Aber jetzt einen einzigen Artikel zum Anlass zu nehmen, um solche voreingenommenen Verrisse runterzurattern, finde ich einfach nur daneben.

  4. Kati

    Das Blog hier heißt “SpiegelKritik”. Meint ihr zwei nicht, dass der Spiegel nicht nur wegen dieses einen Artikels “verrissen” wird? Habt ihr die ganzen anderen Beiträge über die Berichterstattung des Spiegel überhaupt gelesen? Müsste in jedem einzelnen Blogbeitrag der ganze Rest nochmal erwähnt werden? Also, sorry, aber die Kritik, die du Torsten übst, die passt viel besser auf deinen eigenen Kommentar – ein einzelner Artikel rausgepickt und einfach mal eben einen Verriss runtergerattert… Das ist daneben – stimmt.

    Und zu der merkwürdigen Stimmungsmache gegen Anne Will, die im Moment en vogue zu sein scheint: Ich frage mich, wem sie auf die Füße getreten ist und wozu sie gebracht werden soll, so, wie alle neoliberalen Gesinnungstäter gerade auf sie einschlagen. Die Nachdenkseiten geben zwar einen Hinweis (http://www.nachdenkseiten.de/?p=3269), aber das allein kann es ja nicht sein, was die Hofberichterstatter von Spiegel bis Springer so aufbringt. Oder vielleicht auch doch. Einfach peinlich, diese Schmierenblätter. Aber beim Spiegel ist der Abstieg am deutlichsten. Aber der Anspruch ist wohl dahin und von Aust erholt haben sie sich noch immer nicht wirklich.

  5. Michael

    Hi,
    mir ist Eines nicht so klar: in einem kritischen Blog sollte es doch gerade auch um die Hintergründe der Obeflächen gehen. Und da fragt man sich, welche Interessen ein Vielschreiber wie dieser Reinhard Mohr vertritt.
    Was ich damit meine: man lese mal wieder den schlechthinnigen Kultartikel ,,Arschlochalarm” vom Tom Schimmeck
    http://www.schimmeck.de/Texte/aalarm.html
    , wo Sir Gabor Steingart zitiert wird: wir sind keine Zaungäste. Reinhard Mohr ist auch keiner, sondern offenbar die Dreckschleuder vom Dienst gegen alles Anti-Neoliberale. Nein, es geht weder um Anne Will noch um diesen kleinen Pflüger – es ist inkorrekt, die Linke und/oder Lafontaine aus der Ecke des Tabuisierten, Unberühbaren zu holen.

    In einem kritischen Blog würde es darum gehen in wessen Auftrag dieser Herr Mohr das tut und, schon weniger wichtig, um das Entlarven seiner Methoden dabei. Heute hat er schon wieder zugelangt: mit einem anderen Vorwand (,,Einmaleins für Besserwisser”).

    Gruß,

    Michael

  6. Torsten

    @Kati: Warst du schonmal auf einer Seite namens Bildblog.de? Dort sieht man, wie ein journalistisch fragwürdiges Medium GUT kritisiert wird: Dort wird objektiv, sachlich und unvoreingenommen handwerkliche Kritik geübt.
    Bei Spiegelkritik hat man dagegen oft das Gefühl, dass die vermeindlichen Fehler nur als Anlass dienen, um vorgefertigte, einseitige und nicht selten beleidigende Verrisse runterzubeten – da ist dieses Beispiel nur eines unter vielen. Wie ich bereits in meinem ersten Beitrag sagte, ist es sicher richtig, die Berichterstattung des Spiegel zu hinterfragen, allerdings muss man auch die Kritik daran hinterfragen.

  7. Michael

    @ Torsten

    Den Verweis auf Bildblog.de finde ich gut. Aber hier, bei der Diskussion über den Kommentar von Reinhard Mohr, geht es nicht darum, die Berichterstattung von Spiegel Online zu kritisieren! Es ist ja ein Kommentar bzw. eine als Kritik einer Sendung daher kommende politische Intrige, der Autor und sein Magazin wollen damit in die Politik eingreifen, keine Zaungäste sein.

    Lest einfach mal, sagen wir: die letzten 10, Beiträge von Reinhard Mohr. Dann wird das überdeutlich. Und diesen Etikettenschwindel zu kritisieren ist m.E. nach wirklich ein legitimes Ziel von Spiegelkritik.de.

    Gruß,

    Michael

  8. Kati

    @Torsten: Klar kenne ich das Bildblog. Ich kenne auch das Blog von Stefan Niggemeier und die Kritik die dort über Niggemeier und auch das Bildblog geübt wird, klingt ganz ähnlich zu deiner hier, sie geht teilweise sogar in Nörgelei über und erscheint wie der Versuch, die Kritiker zu einer schmeichelhafteren, abgeschwächten Form der Kritik zu bewegen. Ich will nicht sagen, dass ich deinen Kommentar für gleichermaßen nörgelig und unkonstruktiv hielte, und frage erst mal: Was genau passt dir nicht an dem Text. Ganz konkret? Ich habe dich so verstanden, dass du es so siehst, dass der Spiegel eine zwar nicht immer gute Berichterstattung liefert, dieser Mohr-Artikel aber anders schlecht sei und unter diesem Aspekt nur ein Einzelfall. Und die Tatsache, dass der Spiegel diesen einen Artikel abgedruckt hat, könne man nicht dem Spiegel insgesamt ankreiden.

    Das wäre dann richtig, wenn dieser Artikel ein Einzelfall wäre. Das ist er aber definitiv nicht, wie man aus der langen Reihe der hier gezeigten Beispiele sehen kann und wie ich aus langjähriger persönlicher Erfahrung gelernt habe. Und natürlich steht er im Spiegel und fällt damit auf das Magazin zurück, wie viele andere Artikel auch. In der Summe fällt die Bilanz des Spiegel was sachliche Berichterstattung betrifft, einfach negativ aus. Du magst das anders sehen oder dir gefällt vielleicht auch nur die Wortwahl oder die Formulierungen nicht – das ist dann aber eine Frage des Geschmacks. Und über den… du weißt schon.

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