Rezension „Rufmord und Medienopfer“

Christian Schertz ist auf dem Durchmarsch zum alles bestimmenden Ober-Persönlichkeitsrechtler. Binnen weniger Jahre avancierte er mit seiner Berliner Kanzlei zum Promi der Promi-Anwälte. Dieser Tage steckt er sein Territorium mit dem 1200-Seiten-Wälzer „Handbuch des Persönlichkeitsrechts“ dezent ab. Wenig verwunderlich daher, dass in „Rufmord und Medienopfer“ die Stoßrichtung so deutlich ist wie der Titel: Medien berichten über Personen, Affären und Details, was erfolgreiche Rechtsanwälte verbieten lassen. Wie das geht, skizziert Schertz in seinem Beitrag „Persönlichkeitsrechte und Medien – Theorie und Praxis“ kurz und altbekannt, wenn auch überraschend deutlich etwa mit dem Bekenntnis: „Das Persönlichkeitsrecht ist der natürliche Feind der Presse- und Meinungsfreiheit.“

Deshalb sind das Verwunderlichste an dem Buch auch die Akteure. Neben Christian Schertz ist der renommierte Journalist Thomas Schuler Herausgeber des Anekdotenbands. Unter den Beiträgern finden wir Steffen Grimberg (taz Medienkredakteur), Thomas Leif (Netzwerk Recherche), Alexander Osang (Spiegel) und Christoph Schultheis (Bildblog). Doch diese Journalisten verteidigen nicht etwa die Pressefreiheit gegen die wachsende Privatzensur von Promis, die mit Einstweiligen Verfügungen ohne großen Aufwand jeden missliebigen Artikel, Film oder Blogbeitrag von der Bildfläche klagen, sondern sie machen sich stark für einen großen blinden Fleck. Guter Journalismus ist demnach einer, der immer weg sieht, wenn ein Betroffener sich von den Blicken belästigt fühlt. Grotesk wird es dann, wenn zur Illustration des von Medien angerichteten Unheils die „Medienopfer“ nochmal ausführlich vorgeführt werden. An den täglichen Beschränkungen der Pressefreiheit durch Privatinteressen geht all dies gründlich vorbei.

Als – recht einseitige – Fallsammlung hat das Buch einen gewissen Nutzwert insbesondere der Beitrag Bernhard von Beckers über Bücherverbote, wozu es von ihm allerdings auch ein eigenes Büchlein gibt (Fiktion und Wirklichkeit im Roman: Der Schlüsselprozess um das Buch „Esra“).
Die Debatte um Grenzen des Persönlichkeitsrechts, in der unter anderem die Abwägung von öffentlichen und privaten Interessen dringend geboten wäre, wird mit dem Buch nicht bereichert. Und die Bereitschaft, mit der sich Journalisten Veröffentlichungsverboten unterwerfen, ja sie in diesem Buch sogar bereits im Recherchestadium empfehlen, ist erschreckend.

Christian Schertz, Thomas Schuler (Hrsg.)
Rufmord und Medienopfer – Die Verletzung der persönlichen Ehre
Ch. Links Verlag, 1. Auflage November 2007
ISBN 978-3861534242 Preis: 19,90 EUR

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