Mich flöskelt

Floskelwolke-Starttag
Ist die „großartige Floskelwolke“ nicht derzeit die beliebteste Floskel hypebarer Journalisten? Weiß man nicht, jedenfalls erfährt man es nicht bei Floskelwolke.de, denn die hat ja ein erschreckend einfaches Konzept: es werden nicht etwa Floskeln aufgrund ihrer Redundanz, Häufigkeit, Sinnlosigkeit oder sonst etwas erkannt, sondern es werden per päpstlichem Sekret „50 Floskeln und Phrasen“ von den Wolkenmachern Sebastian Pertsch und Udo Stiehl zusammengestellt. Dieser Index „basiert auf der langjährigen Redaktionserfahrung der beiden Nachrichtenredakteure.“ Sapperlot!
Man kann es schon länger oder immer dem Forschungsbetrieb fern stehenden Journalisten nicht oft genug sagen: Daten an sich sagen gar nichts, Muster, Cluster und Schäfchenwolken haben nicht den geringsten Aussagewert – wenn man nicht vorher Hypothesen aufstellt, warum welche Datenstruktur zu erwarten ist und woran das liegen könnte!

Was machen wir damit, dass heute Morgen um 7 Uhr 25% der amtlich zu prüfenden Floskelverwendungen „Tote gefordert“ haben, aber niemand „in den Startlöchern“ stand? Mag da der Krieg vielleicht schon losmarschiert gewesen sein? Oder hatte sich ein Unwetter da längst vom „wackeligen Stuhl“ erhoben und war nicht über „unschuldige Frauen“, sondern Landstriche „verwüstend“ statt „verheerend“ hinweggezogen?

Was sagt es uns, wenn eines Tages nicht mehr vor allem Tote gefordert werden? Berichten die Medien dann über Belangloses – weil Tote werden ja täglich zahlreich gefordert, allein in Deutschland gestern 2383? Und wie sollte sich eine Trendwende (keine Floskel) im deutschsprachigen Journalismus abzeichnen, wenn doch jeden Tag zu 100% gefloskelt wird, ganz unabhängig vom tatsächlichen Gebrauch?

Nix gegen Spielzeug für Erwachsene. Aber Vorsicht: Bubbels sind auch für Kinder über drei Jahre gefährlich.

Update 30. August 2014

Der Übersichtlichkeit halber die gesammelten (neu) Floskeln hier mal alphabetisch:

abgesegnet
abgesegnet
abzuwarten bleibt
Alarm schlagen
Alptraum,
am helllichten Tag
auf dem Vormarsch
auf offener Straße
aus dem Fenster lehnen
Blutbad
Branchenprimus
brutaler Mord
Chef (für Vorsitzender, Präses, Sprecher…)
Datendiebstahl
durchgewunken
Eiltempo
Ende einer Ära
endlich
erdrutschartig
Experte,
fieberhaft
fraglich bleibt
Frauen und Kinder
gebetsmühlenartig
geteiltes Echo
gilt als….
grünes Licht
guter Tag für
hermetisch abgeriegelt
Hochdruck
Hochtouren
humanitäre Katastrophe
in Startlöchern stehen
jetzt ist es raus
kann Menschenleben retten
Kartenhäuser
Klops-Brater
Konkurrenz –> außer Konkurrenz
Lage eskaliert
Land der aufgehenden Sonne
Luft nach oben
Medienmogul (Murdoch)
Menschen evakuiert
menschenverachtend,
Migrationshintergrund
Multijobber
mutmaßlich
Nachbessern
Nacht hell erleuchtet
neue Innovation
nicht alle
nicht schlecht staunte
Patentrezept
Preisbremse
protestiert für
pünktlich
reißt nicht ab
Rotationseuropäer
rote Linie
sagte gegenüber
schlag ins Gesicht
schlechter Tag für
schmerzhafte Einschnitte
schwere Verwüstung
schwergewichtig
sich treu geblieben
sintflutartiger Regen
so oder so ähnlich könnte
sozial schwach
Sozialtourismus
sozialverträglich (Arbeitsplatzabbau)
Steuersünder
Stuhl wackelt
Sündenbock
Sünder
teilweise verletzt
Thermometer fällt
Thermometer steigt
Todeskandidat
torpedieren …
Tote gefordert
traditionell
tragischer Tod
umstritten / nicht unumstritten
unschuldige Frauen (und Kinder)
unumstritten (eine nicht unumstrittene Entscheidung)
verheerend
Wahldebakel
werden Rufe laut
Wetterchaos
wie Strohhalme
zeitgleich
zurückrudern

 

5 Gedanken zu „Mich flöskelt

  1. Helgoländer Vorbote Beitragsautor

    #michflöskelt aus den letzten Stunden: „ein Anschlag auf…“, „XY-Legende“, „womöglich letzter / letzte / letztes“, „Daumenschrauben“, „Öl ins Feuer“, „Wasser auf die Mühlen“; Kai Biermann schlägt vor: „unschuldige Opfer“, „weitet sich aus“ und „auf dem Vormarsch“.
    außer Konkurrenz: Alptraum, Experte, menschenverachtend, torpedieren …

  2. Udo Stiehl

    Vielen Dank für Ihre kritische Betrachtung. Sie haben recht, es liegt keine Hypothesen-Sammlung den 50 Suchbegriffen zugrunde. Das liegt schlicht daran, dass es sich weder um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt, noch von uns ein solches Ziel des wissenschaftlichen Anspruchs formuliert wurde. Die Wolke soll lediglich auf unterhaltende Weise ein bisschen Denkanstoß liefern über Begriffe und Phrasen in nachrichtlicher Berichterstattung. Darauf weisen wir auf der Internetseite ausdrücklich hin. Herzliche Grüße aus Köln, Udo Stiehl

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