„Bild des Tages“ im Kopf des Fachmanns

Es war eine der schrecklichsten Aufgaben während des Volontariats: BUs zu Schmuckis texten. Einen vorgegebenen Raum unter irgendeinem mehr oder weniger hübschen Foto (meist von Abonnenten der Zeitung) mit Buchstaben zu füllen. Da sitzt man dann vor diesem Foto (damals noch Papier, jaja) und sinniert. Zunächst sieht man nur, was jeder Zeitungsleser am nächsten Tag auch sehen wird. Aber nach einer Weile beginnt das Foto dann doch ganz vertraulich zu einem zu sprechen und verrät Dinge, die hernach außer dem armen Volo, der Zeilen schinden musste, niemand auf der Welt wissen wird.

Seien Sie einmal (wieder) Volo und probieren es aus. Hier das Bildangebot von Christian Beutler, Keystone (Ausschnitt):

Und nun schreiben Sie ein, zwei nette Sätze als Bildunterschrift (BU) dazu bitte, ohne auf die Lösungsvorschläge unten zu schauen. Aber lassen Sie sich wirklich Zeit, damit das Bild zu Ihnen sprechen kann.

Hat das Bild zu Ihnen gesprochen?

Hier nun die Musterlösung 1 des Branchendienstes turi2:

„Fliegender Wasserträger: Eine Agrar-Drohne besprüht Weinreben im Schweizer Rapperswil. Der fliegende Helfer der Winzer transportiert 10 Liter Wasser – und die Weinbauern können im Gegenzug mehr Zeit in der strahlenden Sonne genießen.“

Hatten Sie das auch rausgehört? Viele Leser werden sich am nächsten Morgen wieder beschweren: auch früher hätten die Weinbauern keine Wassereimer zu den Reben getragen, das sei ja wohl neumodischer Quatsch… Da muss man als guter Schmucki-Texter drüber stehen.

Turi2 beschäftigt offenbar gleich zwei Volos, die ins Bild hineinhorchen durften, denn in der E-Mail-Version eine Stunde später findet sich noch eine andere Musterlösung:

Natürlich wird es Klugscheißer geben, die Ihnen vorrechnen wollen, 10 Liter Wasser seien ja wohl mal nichts (die kommen dann mit „….entspricht einem Millimeter Niederschlag auf einen Quadratmeter, wie oft soll denn die Drohne betankt werden, damit das auch nur einem normalen Regen entspricht…“) und die Ihnen als Hobbygärtner erklären wollen, die Sprühtechnik sehe auch sehr verschwenderisch aus, so würde doch niemand seinen Garten wässern…

Der gute BU-Dichter steht weit über solcher Besserwisserei. Schließlich hätte er ja sonst auch direkt den langweiligen Text der picture alliance nehmen können, die das Bild vertreibt:

„Eine grosse Agrar-Drohne der Firma Remote Vision GmbH, die 10 Liter Fluessigkeit transportieren kann, besprueht Rebberge in Rapperswil, aufgenommen am 2. Mai 2017 in Rapperswil. Remote Vision ist ein spezialisierter Dienstleistungsbetrieb fuer industrielle und landwirtschaftliche Drohnen-Anwendungen.“

„Pah“, sagt da der dichtende Volo, „wer’s braucht – dann kann ich ja auch gleich investigativ arbeiten und schauen, was die Firma eigentlich zu ihrem Fluggerät sagt – aber im Ernst: das* will doch keiner in der Zeitung lesen.“

 

* „Der DJI Agras MG-1 ist ein Oktokopter und wurde speziell zur Verstreuung von flüssigen Pestiziden, Dünger und Herbiziden entwickelt. DJI führt ein neues Level an Effekitivät in den Landwirtschaftssektor ein.“

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