In der ewigen Diskussion um die Netzaktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender kaprizieren sich gerade einige Medienkritiker auf den Begriff der „Presseähnlichkeit“, die der von der Allgemeinheit finanzierte Rundfunk nicht haben solle. Und sie analysieren, die Presse werde doch immer rundfunkähnlicher: warum sollten ARD, ZDF und Deutschlandradio keine Texte fürs Internet schreiben dürfen, wo doch Zeitungshäuser immer mehr Audio und Video produzieren?
>Sollen die Nachrichtenangebote von ARD und ZDF im Netz auch klar unterscheidbar bleiben von solchen multimedialen Verlagsangeboten? Wie? Und warum? Niemand kann privaten Medien-Angeboten im Netz untersagen, immer mehr auch wie ein Fernsehsender aufzutreten und zu wirken. Sie selbst sind immer weniger ‚presseähnlich‘.<
Diese Argumentation ist entweder eine sophistische Spielart oder Einsichtsverweigerung. Die einzige Frage, um die es im Hinblick auf die Presse schon immer und im Hinblick auf den wirtschaftlichen Rundfunk seit 1984 stellt, ist diese: Was kann aktuell ausschließlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) an notwendiger Medienarbeit leisten, so dass es gerechtfertigt ist, die Bürger zu seiner Finanzierung zu verpflichten (die Nutzung ist ja derzeit nicht vorgeschrieben)?
Ob Axel Springer Gewinne macht darf dabei genauso egal sein wie die Tatsache, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für uns freie Journalisten ein finanziell attraktiver Abnehmer ist.
Wo Presse und ÖRR sich immer ähnlicher werden, ist ohne Wenn und Aber der ÖRR vom Markt zu nehmen. Und wo die Programme von ÖRR und Privatfunk nicht unterscheidbar sind, muss der gebührenfinanzierte Anbieter abgeschaltet werden – schlicht weil es ihn dann nicht braucht.
Und das gilt natürlich auch, wenn „die Presse“ immer rundfunkähnlicher wird. Es gibt keinen Bestandsschutz für ein überholtes Angebot. Wenn privatwirtschaftlich all das erbracht wird, was vom ÖRR zurecht verlangt wird, dann ist er eben überwunden – so what. (Dass wir an diesem Punkt noch nicht sind, ist auch unstrittig, jedenfalls behaupten das nicht mal die Privatsender und Verlage.)
Die Medienregulierung in Deutschland ist wie so vieles ein Konglomerat aus 70 Jahren Bürokratiewachstum. Zu den Grotesken gehört, dass heute Programmmacher fürs Internet Rundfunklizenzen brauchen wie einst im knappen UKW-Band – schlicht, weil sich eine Behörde durch den technischen Fortschritt doch nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.
Deshalb soll natürlich auch der ÖRR schrankenlos im Internet aktiv sein, wo nichts gesendet, sondern nur abgerufen wird. Allein, es muss nach dem Status quo notwendig sein. Mit einem in Deutschland undenkbaren demokratischen Schritt ließe sich das natürlich auch beliebig ändern: Wenn die Bürger im Zuge fachkundiger Beratungen zum Ergebnis kommen, dass sie diese oder jene Angebote haben wollen, ganz gleich, was die freie Wirtschaft anbietet, dann sollte natürlich das gelten. Denn es ist eine ebenfalls alte Frage, warum eine behördliche Versorgung mit Informationen und Unterhaltung auf Radio und Fernsehen beschränkt sein muss. Ein Angebot wie die Medienkolumne „Altpapier“, die inzwischen beim MDR untergekommen ist, mag der beitragsverpflichtete Bürger schätzen – doch es ist eben eine klassische Pressekolumne. (Umso bedauerlicher, dass Juliane Wiedemeier, die am letzten Freitag sehr engagiert den anstehenden Rundfunkänderungsstaatsvertrag gemansplaint hat – „schließlich ist Döpfner doch sonst ein kluges Kerlchen…“ – mit keinem Wort die eigene Abhängigkeit von der Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Textangebote im Netz erwähnt und auf entsprechende Rückfrage auch nicht reagiert hat.)
Doch derzeit hat die Politik kein Mandat zur Ausweitung des ÖRR, sie agiert (wie vom Bundesverfassungsgericht gewollt) paternalistisch – doch da bleiben die Grenzen, die das System selbst vorsieht. In diesen Grenzen gibt es aus nachvollziehbarem Grund keinen Auftrag, gebührenfinanziert Presse und privaten Rundfunk auszuboten. Das muss man akzeptieren, auch wenn man Döpfner und sein Imperium reichlich doof findet.