Medienkritik – eine empirische Sammlung

In unserem kleinen Blog Spiegelkritik beschäftigen wir uns seit März 2006 letztlich immer mit der Qualität journalistischer Beiträge. „Richtigkeit“ war dabei stets nur eines von vielen Kriterien, ebenso haben wir Fragen der Relevanz, der Vollständigkeit, Unabhängigkeit, Transparenz, Rechtmäßigkeit und vielem mehr nachgespürt und Überlegungen zur Diskussion gestellt.
Derzeit experimentieren wir, Medienkritik etwas systematischer an einzelnen Beiträgen zu üben. Dazu schauen wir uns einzelne Werke sehr genau unter verschiedenen Qualitätsaspekten an. Ausgangspunkt dafür ist meist bereits publizierte Medienkritik. Es soll gerade nicht um Dogmatik gehen, wie so oft in „Watchblogs“, sondern um Empirie, einen winzigen Beitrag zur Medienforschung. 

Wie schon in den vergangenen 13 Jahren richten wir dazu Rückfragen an Journalisten und Redaktionen (und ggf. „Protagonisten“ veröffentlichter Beiträge), um Details der publizierten Beiträge besser einordnen zu können. Beispielsweise können wir in vielen Fällen selbst nicht beurteilen, ob eine Information richtig oder falsch ist; wenn dann keine Quelle benannt ist oder eine überraschende/ ungewöhnliche/ anderen Veröffentlichungen entgegenstehende Information nicht weiter begründet, fragen wir nach. Diese Fragen sind mitunter journalistisch formuliert, also zugespitzt – sie sind jedoch nicht besserwisserisch gemeint. Denn wie gesagt: wir wollen zunächst nur dokumentieren, nach Vergleichbarem suchen und Unterschiede feststellen. Das wird weiterhin in einzelnen, wenigen Kommentaren hier im Blog geschehen und stellt dabei stets nur ein Angebot zur weiteren Diskussion dar.

Medienjournalisten wissen, dass ausgerechnet die Medien selbst, die den lieben langen Tag anderen Fragen stellen, an sie gerichtete Fragen häufig nicht beantworten. Einen (presserechtlichen) Auskunftsanspruch gibt es auch nicht. Allerdings ist die Auskunfts- bzw. Dialogbereitschaft selbst ein Qualitätskriterium. Deshalb senden wir E-Mail-Anfragen, die zwei Wochen lang unbeantwortet geblieben sind, in allen wichtigen Fällen zur Erinnerung und Dokumentation noch einmal als Einschreibe-Brief. Auf dann weiterhin unbeantwortete Anfragen verweisen wir in den entsprechenden Kontexten – auch dies ist im Journalismus übliche Praxis („…ließ Anfrage unbeantwortet…“).

Weitere Erläuterungen zu diesem Projekt werden im Laufe des Zeit folgen – wir arbeiten nach der alten Methode Trial and Error.

Damit Sie sich ein Bild von unserer bisherigen Arbeit machen können, haben wir eine kleine Auswahl unserer Artikel auf einer Seite zusammengestellt. Die umfangreichste Sammlung von Fallbeispielen findet sich in einem Researchgate-Paper.

Für das Projekt der systematischeren Medienkritik verweisen wir u.a. auf folgende Beiträge, die journalistische Qualität diskutieren:
* dpa meinungsschwanger ?
* Rentner ausgebüxt – Medien amüsieren sich
* ZEIT über Buch „1000 Zeilen Lüge“: Die harsche Kritik an Relotius-Enthüller Juan Moreno

sowie grundsätzlich auf die Rubriken „Autopsie„, Qualitätsdebatte  und „Handwerk„. Auch einzelne Qualitätskriterien sind verschlagwortet, allerdings nicht vollständig, u.a. da wir dies noch nicht rückwirkend für ältere Beiträge gemacht haben.

„FAQ“

Was ist das Ziel der Rückfragen an Redaktionen und Journalisten?

Antwort: Wir betreiben hier im Blog seit 2006 Medienkritik – und beobachten noch viel länger Medienkritik von Rezipienten und Kollegen. Einige Kritikpunkte wiederholen sich überall ständig, bei anderen gehen die Meinungen weit auseinander. Wir versuchen daher, Medienkritik zu generalisieren und zu systematisieren. Dazu sammeln wir Einzelfälle, und für deren korrekte Einordnung sind mitunter Rückfragen an die Autoren notwendig.

Wie werden Beiträge ausgewählt, die dann im Hinblick auf ihre journalistische Qualität untersucht werden?

Antwort: Unsystematisch. Ausgangspunkt ist häufig, dass über einen Beitrag bereits kritisch diskutiert wird und z.B. Nutzerkommentare Anhaltspunkte für begründete Medienkritik liefern. Aber natürlich schauen wir uns auch Beiträge genauer an, über die wir selbst gestolpert sind. Dies vor allem zu Qualitätsfragen, für die wir noch keine oder nur wenige Fallbeispiele haben.
Einen besonderen Fokus richten wir dabei natürlich auf den Medienjournalismus selbst, also die berufliche Medienkritik. Denn zum einen gibt es dort viele gut recherchierte Beispiele für journalistische Defizite, zum anderen muss sich Medienjournalismus selbst natürlich auch der kritischen Prüfung stellen. Und aus systemischer Sicht wird es dort besonders spannend.

Was wird analysiert oder „geprüft“?

Antwort: Wir suchen Belege für (mögliche) journalistische Mängel, also Beiträge bzw. Teile daraus, die anerkannten oder diskutierten Anforderungen nicht gerecht werden. Wenn beispielsweise in einem Filmbericht über einen Konflikt nur eine Seite zu Wort kommt, kann man dies recht einfach so feststellen. Ob dies auch ein Qualitätsmangel ist oder in der konkreten Situation nicht anders möglich oder sogar begründet beabsichtigt war, ist mit einer solchen Faktenfeststellung nicht gesagt. Diese Diskussion soll später folgen, eben auf der Basis einer gewissen Fallmenge.

Wie werden Beiträge analysiert oder „geprüft“?

Antwort: In den meisten Fällen gehen wir nicht systematisch einen ganzen Beitrag durch, sondern untersuchen nur einen Aspekt, eine einzelne Aussage. Klassisches Beispiel ist die „Richtigkeit“: so kann ein Zitat richtig, aber sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissen sein.
In manchen Fällen gehen wir Beiträge komplett durch und untersuchen die einzelnen Aussagen und deren Gesamtdarstellung – einige journalistische Leistungen lassen sich ja überhaupt nur so erfassen. Da wir keine klassische Inhaltsanalyse betreiben, sondern explorativ unterwegs sind, stellen wir einzelne Beitragsautopsien online zur Diskussion.

(Letztes Update: 12. Juni 2024)

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