False Balance

Zu den Fehlinterpretationen von Jan Böhmermann, Dirk Steffens und Georg Restle

Zu den Lieblingsthemen der Medienjournalisten zählen Fake-News, Verschwörungtheorien und “False Balance”, die der Einfachheit halber um dieselbe Diskussion kreisen: Was darf oder muss in die Nachrichten, was gehört gategekeept? Die Argumentationen, die letztlich natürlich immer die Bedeutung des Journalismus herausstellen sollen, stolpern bei diesen drei verwandten Themen  über dieselbe Herausforderung: nämlich Fakten und Meinungen zu unterscheiden, sowohl beim Input (Recherche) als auch beim Output (Vermittlung).

Das Vermengen von Fakten und Meinungen über diese Fakten ist im Journalismus allgegenwärtig. Wie hoch dabei die Anteile von Schludrigkeit, Unvermögen und Propaganda sind, wäre eine der vielen Forschungsaufgaben für die Journalistik; für die reine Problembenennung ist dies egal, relevant ist es allerdings für Aus- und Fortbildung. Im “Corona-Journalismus” ist die falsche Einordnung von Fakten und Ansichten wohl der zentrale Grund für seine Dysfunktion.

In dieser Woche hat es eine an sich belanglose (s.u.) Provokation von Jan Böhmermann bei einer Podiumsdiskussion der “Zeit” Medienjournalisten dazu gebracht, mal wieder das Klagelied der “False Balance” zu singen. Leider singen sie grauenhaft schief, was ich an einem Beitrag von Imre Grimm (RND) verdeutliche (und zur Rechtfertigung des Plurals auf die Wiederkäuung beim MDR-Altpapier und die Kolumne bei Übermedien verweise).

“False Balance”, zu Deutsch meist “falsche Ausgewogenheit”, ist an sich  schon ein sehr ungeeigneter Begriff für die Medienforschung, weshalb in den entsprechenden Theorieaufsätzen (und nachfolgend den empirischen Studien) auch allerhand durcheinanderläuft (vgl. Brüggemann 2021).

1. Die Idee der “Ausgewogenheit” betrifft die Qualitätskriterien Repräsentativität, Vollständigkeit und Relevanz.

2. Alle  Qualitätskriterien für journalistische Inhalte wollen, völlig ungeachtet der Bemühungen um verschiedene normative Begründungskonzepte (z.B. Arnold 2009), schlicht die Orientierungsleistung messen.

3. Zu ihrer Orientierung benötigen Journalismus-Kunden Fakten und Meinungen zu diesen Fakten, aus der unendlichen Vielfalt natürlich begrenzt auf das, was das jeweilige Medium an Themenspektrum verspricht (z.B. lokal oder überregional, Sport oder Wirtschaft, tages- oder monatsaktuell).

4. Der Vorwurf einer “False Balance” kann sich stets nur auf publizierte Meinungen beziehen, nicht auf Fakten. Denn Fakten können nicht ausgewogen sein, sie können für ein angemessen vollständiges Bild nur mehr oder weniger notwendig sein.

5. Daher kritisiert “False Balance” eine Verzerrung in der Meinungsauswahl, die (und dieser Zusatz ist elementar!) bei den Rezipienten den Eindruck erwecken kann, die publizierten Meinungen seien quantitativ (und ggf. auch qualitativ) repräsentativ für die Grundgesamtheit. Das Standardbeispiel dazu lautet: Wenn 99 Klimaforscher den globalen Temperaturanstieg im Wesentlichen dem Menschen zuschreiben und nur 1 Klimaforscher daran zweifelt oder dies ablehnt, ist eine Berichterstattung, die beide Positionen aufzeigt, verzerrend. (Eine noch weiter simplifizierende Grafik bekommt auf Twitter über 12.000 Likes und illustriert damit unfreiwillig komisch, wie wissenschaftlich die Gesellschaft doch durch Corona  geworden ist…)
Die meisten Untersuchungen dazu sind recht grobschlächtig, schon der bis heute als bahnbrechend geltende  Aufsatz “Balance as bias: global warming and the US prestige press” (Boykoff/ Boykoff 2004) lässt methodisch vieles im Dunkeln, und was er erhellt, ist in wichtigen Teilen kritisierbar.

6. Tatsächlich braucht aber jede Meinung in der Berichterstattung Gegenpositionen, und das muss in den meisten Fällen über einen Dualismus Pro/ Contra hinausreichen. Andernfalls haben wir keine Meinung vorliegen, sondern ein Dogma oder Propaganda – beides ist per definitionem kein Journalismus. Meinungen machen in der Berichterstattung nur Sinn, wenn sie sich mit anderen Meinungen messen (die natürlich auch an anderer Stelle publiziert sein können).
Wenn also derzeit die Tageszeitung tagaus, tagein zum Impfen aufrufen lässt (Politiker, Wissenschaftler, Lobbyisten etc.), dann braucht es zwingend die Gegenposition – und zwar auch im Blatt. Es genügt nicht, auf die “Impfskeptiker” oder “Corona-Leugner” zu verweisen, weil mit derlei Chiffren wieder keine Orientierung geboten wird (Gegenprobe: Können die Rezipienten – bzw. zunächst die Journalisten selbst – überprüfbar korrekt benennen, welche Gründe es gibt, den Impfappellen nicht zu folgen?). Ohne Gegenposition haben wir allerdings keine “False Balance”, sondern schlicht eine unvollständige und damit irreführende Berichterstattung.

7. “False Balance” kann daher vorliegen, wenn die Berichterstattung tatsächlich deutlich unterschiedlich bedeutungsschwere Meinungen als gleichgewichtig darstellt. Betonung liegt auf “kann”, und ab hier wird es nun in der Medienforschung etwas anspruchsvoller, als Artikel simpel zu codieren und quantitativ auszuwerten. Eine solch falsche Gleichgewichtung kann z.B. in der Formulierung liegen: “die Wissenschaft ist sich noch uneinig….” oder “Befürworter und Gegner stehen sich unversöhnlich gegenüber”. (Konkretere Verzerrungen könnten hingegen schon unrichtig sein und damit über die Basiskategorie “Richtigkeit” den entsprechenden Beitrag in Misskredit bringen.) Denn der pure Widerspruch zu einer herrschenden Meinung ist noch lange nicht als “False Balance” zu quantifizieren. Gerade die Wissenschaft und mit ihr eben jedes Erkenntnisinteresse lebt schließlich vom Widerspruch, der anderen Sichtweise, dem Ungewöhnlichen. Ermüdend wird es dadurch, dass die Medien bei den allermeisten Themen auf eine vorläufige Klärung verzichten, obwohl sie möglich wäre. Stattdessen werden immer und immer wieder dieselben Diskussionen geführt,  dieselben Fragen gestellt, dieselben Vorschläge durchgenudelt.

Aber wenn in einer Talkshow je ein MdB von Union und Linke miteinander diskutieren, fände es wohl niemand journalistisch besonders korrekt, dem Unions-Abgeordneten 78% der Redezeit und dem Linken-Vertreter nur 22% zuzugestehen, auch wenn das ihrem Verhältnis im Parlament entspräche. Routinemäßig gibt der Journalismus der Kritik immer viel größeren Raum als dem Lob, weil er sich davon mehr Erkenntnis verspricht, so wie das gesamte Nachrichtenangebot kein Spiegelbild der Weltereignisse ist. Dies korrekt einordnen zu können gehört zur notwendigen Medienkompetenz eines Medienkonsumenten.

Imre Grimm erläutert uns das Problem folgendermaßen, das Stück heißt “Böhmermann attackiert Lanz: Wie groß ist die Gefahr der False Balance?“:

>> Tatsächlich aber ist – hier irrt Böhmermann keineswegs – ‘False Balance’ dabei eine ganz reale Gefahr. Hinter der Formel verbirgt sich eine Realitätsverzerrung durch falsche Ausgewogenheit. […] In Zeiten aufbrechender Gewissheiten galt es lange als journalistischer Königsweg, möglichst alle Positionen abzubilden – in wieder sehr beliebten „Pro und Kontra“-Formaten, in Gastessays oder eben Talkshoweinladungen für Vertreter exotischer Einzelpositionen. Das Ziel: Bloß nicht den ‘Zensur!’-Schreihälsen Anlass zur Erregung geben. Unvergessen ist die ‘Spiegel’-Geschichte ‘Waldspaziergang mit Attila Hildmann’, die dem nach rechtsaußen abgedrifteten Vegankoch und Telegram-Titanen üppigen Raum zu werblicher Selbstentfaltung bot („Seit 75 Jahren hat sich in Deutschland keiner so aus dem Fenster gelehnt wie ich“).
Journalisten lernen in der Ausbildung, dass jede Geschichte mehrere Seiten hat. Diese Grundregel stößt in der Welt der Wissenschaft aber an Grenzen. Es ist genau das, was Böhmermann in der Zeit-Talkshow mit markigen Worten kritisierte – nicht zum ersten Mal. „Nicht alle Dinge haben zwei Seiten, man kann nicht allem etwas vermeintlich Adäquates entgegensetzen, nur weil man in der Journalistenschule was falsch verstanden hat“, sagte er dem RND. „Zur Realität des Klimawandels kann es keine zwei Meinungen geben. Zumindest nicht, wenn man alle Latten am Zaun hat.“
In der Sache hat Böhmermann Recht. In der Wissenschaft gibt es keine Meinungen, die gleichwertig wären mit evidenzbasierten Erkenntnissen. Wer das behauptet, ignoriert 300 Jahre Aufklärung. <<

Daran ist nun wirklich alles  verdreht. Alle Positionen abzubilden soll “False Balance” sein? Ebenso können Gastessays oder exotische Einzelpositionen dazu führen? Himmel!

Dass Fakten (die Grimm wohl mit “evidenzbasiert” meint, also empirische Belege) ganz unterschiedlich interpretiert werden können, stößt nicht “in der Welt der Wissenschaft” an Grenzen. Wenn Grimm auch nur einen einzigen wissenschaftlichen Aufsatz liest, wird er das feststellen. Und wenn Wissenschaft weiterkommen will, dann helfen ihr nicht hunderte und tausende Applausspender, sondern allein der eine, der auf einen neuen Gedanken kommt. Dabei stehen nie “Meinungen” und “evidenzbasierte  Erkenntnisse” gegeneinander, sondern stets nur die Meinungen über (verschiedene) Fakten. 20 °C sind 20 °C, aber ob das warm oder kalt ist, das ist eine Meinungssache – und Meinung ist natürlich nicht beliebig, sondern Kondensat einer Argumentation. Aber das Vermengen, Vertauschen und Nicht-Differenzieren von Meinungen und Tatsachen ist leider auch in der False-Balance-Forschung verbreitet (um nicht zu sagen: wesentlicher Teil ihrer Begründung): “Imagine providing balance to the issue of whether the Earth orbits the Sun, whether continents move or whether DNA carries genetic information.“ (Oreskes/ Conway 2010)

Wie kann Böhmermann “in der Sache” Recht haben, dass es “zur Realität des Klimawandels […] keine zwei Meinungen” gibt? Der Klimawandel ist der Fakt (Realität), aber was er nun bedeutet und wie darauf zu reagieren ist, ist selbstverständlich ausschließlich eine Meinungsfrage (und deshalb in Demokratien – wenigstens theoretisch über Wahlen – nach Mehrheiten entscheidbar). Wie jemand den Klimawandel beurteilt, hängt u.a. von seinem Lebensort ab (denn er kann ihm schaden oder nützen). Es ist eine Tatsache (wie üblich im Rahmen unserer Erkenntnismöglichkeiten), dass ein Stopp der Netto-CO2-Emissionen für die Begrenzung der Erwärmung notwendig ist. Aber es gibt unzählige Wege, dies zu erreichen, mit ganz unterschiedlichen Nebenwirkungen.

Wie unverstanden “False Balance” ist zeigt Böhmermanns konkreter Vorwurf besonders deutlich: er sieht diese Verzerrung beispielhaft darin, dass die Professoren Alexander Kekulé und Hendrik Streeck bei Markus Lanz in der Sendung waren. [Zitat unten] Kein noch so verbogener Sozialwissenschaftler wird aus der Teilnahme von Kekulé und Streeck allerdings eine “False Balance” konstruieren können. Ein solche wäre nach Böhmermann-Grimm-Maßstab eher möglich für Lanz’ Dauergast Karl Lauterbach, der in jedem Fall mit seiner Meinung völlig überrepräsentiert ist und weder für die Wissenschaft noch für die Politik  noch für die SPD spricht (wobei ich, s.o., viel besser operationalisierbare Qualitätskriterien wählen würde als die verwaschene “Ausgewogenheit”).

Man muss Böhmermann zu Gute halten, dass er den Begriff “False Balance”  in der Diskussion nicht eingeführt hat. Er sprach vom “Gegenüberstellen von Dingen, die man vielleicht nicht gegenüberstellen kann”. Es ging ihm ersichtlich um die Grenzen des Sagbaren bei Themen, für die er brennt. Und genau darauf ist auch Imre Grimm in seinem Beitrag eingestiegen (Stichwort: Hildmann-Porträt). Und genau dazu passt dann selbstverständlich Grimms Feststellung: “Halb Facebook schrie sich wund: ‘Skandal! Zensur!’.”

Ja hoffentlich. Denn wenn schon Kekulé und Streeck nicht mehr in die Medien dürfen, weil “Leute, die Ahnung haben” das besser finden, dann gute Nacht. Aber Meinungsäußerungsfreiheit und Meinugnsvielfalt ist ein anderes Thema.

(Ein ausführliches PS zu Grimms Beitrag folgt unten)

Dirk Steffens – Alles Abweichende Quatsch?

Zwei Monate nach Böhmermann hat es der ZDF-Terra-X-Moderator Dirk Steffens eine falsche “False Balance”-Diagnose gestellt. Der entscheidende Teil des Interviews mit der Teleschau, das in Auszügen in vielen Zeitungen und Portalen veröffentlicht wurde:

>> teleschau: Bisweilen wird Journalisten dieser Tage ja auch vorgeworfen, nicht ausgewogen zu berichten. Muss man also auch beispielsweise Klimaleugner zu Wort kommen lassen?

Steffens: Es ist falsch, über Unsinn zu berichten und Verblendeten das Wort zu erteilen. Wir haben das journalistisch die ganze Zeit gemacht und damit riesigen Schaden angerichtet. Es ist ein journalistisches Grundversagen. Wendet man das Prinzip des politischen Journalismus – mit allen Seiten zu sprechen – auf den Wissenschaftsjournalismus an, wird es katastrophal falsch. Angenommen, eine Astrophysikerin sagt in einer Talkshow, die Erde sei eine Kugel. Dann sitzt da noch einer, der behauptet, die Erde sei eine Scheibe. Die Wahrheit liegt verdammt noch mal nicht in der Mitte. Wenn von zwei Aussagen eine völliger Unsinn ist, darf der Journalismus den Unsinn nicht genauso zu Wort kommen lassen wie die Wahrheit. Das ist unverantwortlicher Quatsch. Wir müssen schauen, wo die größte wissenschaftliche Plausibilität herrscht. Da muss Journalismus ansetzen – und von da darf er nicht weggehen. Wozu bräuchten wir sonst die ganzen Redaktionen, wenn sie nicht in der Lage wären, zu beurteilen, was Sinn macht und was nicht.

teleschau: Und bei der Klimadebatte?

Steffens: Wir haben zur Klimakrise so lange die andere Seite eingeladen, irgendwelche abgedrehten Klimawandelskeptiker, die den Eindruck erwecken wollten, auch sie hätten eine wissenschaftliche Grundlage. Dabei gibt es zehntausende Studien, die den menschengemachten Klimawandel nachweisen, und vielleicht eine Handvoll, die das nicht tun. Diese wenigen sind so irrelevant, dass ich dazu niemanden einlade oder befrage. Bei der Coronakrise haben wir wieder den gleichen Quatsch gemacht.

teleschau: Wurde Coronaleugnern zu viel Raum gegeben?

Steffens: Auch da saßen in den Talkshows Leute, die wissenschaftliche Evidenz nicht anerkannt haben. Immer mit dem Argument, man müsse ja auch die andere Seite hören. Ich werde nicht müde zu sagen: Wenn die andere Seite vollständiger Quatsch ist, dann dürfen wir unsere Zeit nicht damit verschwenden, ihnen zuzuhören.<<

Auch Steffens unterscheidet nicht zwischen Tatsachen und Meinungen und nennt das, was seiner Ansicht nach nicht in die Medien gehört, “Quatsch” und “Unsinn”. Das Gegenteil dazu sei “die Wahrheit”. Entsprechend ungeeignet ist sein bekanntes Beispiel von der Globusleugnung: da werden zwei Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die nicht gemeinsam wahr sein können. Lässt sich noch nicht prüfen, was stimmt und was nicht, bleibt es bei Tatsachenbehauptungen, die man für mehr oder weniger wahrscheinlich wahr halten darf, die aber erstmal möglich sind. Ist die Prüfung grundsätzlich nicht möglich, haben wir es mit Glauben zu tun.

Der Journalismus hat nicht zu beurteilen, “was Sinn macht und was nicht”, das ist in einer Demokratie auch völlig unmöglich, weil Menschen in Freiheit alles Beliebige für sich als sinnvoll erachten dürfen, sprich als wünschenswert, hilfreich, befriedigend. (Die bekannte Grenze ist natürlich dort, wo es nicht mehr um Freiheit, sondern Herrschaft geht.) Der Journalismus hat Tatsachenbehauptungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen und dann  verschiedenen Bewertungen (Meinungen) dazu zu recherchieren und zu präsentieren. Dabei gibt es natürlich Relevanzkriterien, das entscheidende ist der Neuigkeitswert: Die Kunden brauchen keinen ständigen Neuaufguss von Bekanntem wie in einer evangelikalen Predigt. Sie brauchen für ihre Orientierung neue Sichtweisen, neue Gedanken, und deshalb darf es für Meinungen gerade keine Quoten geben. Wenn zum Klimawandel alles kommentiert ist, dann gibt es schlicht nichts mehr zu berichten. (Und das Stadium, das alles, was die Medien verbreiten, in ihnen bereits hinlänglich gesagt wurde, war bei Corona sehr, sehr früh erreicht.)

Dirk Steffens behauptet: “Wendet man das Prinzip des politischen Journalismus – mit allen Seiten zu sprechen – auf den Wissenschaftsjournalismus an, wird es katastrophal falsch.” Mit allen Seiten zu sprechen ist kein spezielles Prinzip des Politikjournalismus, es gilt für alle Journalismen, die benötigte Technik heißt Recherche. Bei Wissenschaftskommunikation haben wir tatsächlich das gegenteilige Problem: auf Bewertungsrecherchen wird in weiten Teilen verzichtet. Wissenschaftsjournalismus beschränkt sich oft darauf, aus einer einzelnen Studie eine Meldung oder einen längeren Bericht zu stricken oder ein Gespräch mit einem der beteiligten Forscher zu führen. Das kann dem Orientierungsanspruch aber niemals genügen. Auch jede wissenschaftliche Arbeit enthält zahlreiche Meinungen, sie ist nie insgesamt “die Wahrheit”. Sie besteht aus Tatsachen (am besten selbst entdeckten, das macht die Forschung aus) und Meinungen über diese Tatsachen.

Besonders deutlich wird die Fehlinterpretation beim Corona-Journalismus, zu dem Steffens sagt: “Bei der Coronakrise haben wir wieder den gleichen Quatsch gemacht.” Er meint, man habe Zeit damit verplempert, Quatsch-Meinungen zuzuhören. Auf eine Anfrage nach Beispielen hatte Steffens nicht reagiert. Offenbar ist ihm nicht klar, dass sich aus keiner noch so ausgefuchsten und evidenten wissenschaftlichen Studie unmittelbare Politik ergeben kann. Die Forschung kann bspw. herausfinden, wie gut Masken vor irgendetwas schützen (und welche Nebenwirkungen sie haben) – aber sie kann keine Aussage darüber treffen, ob, wo und wie welche Masken getragen werden sollten. Die Wissenschaft kann Prognosen wagen, wie sich die Inzidenz bei verschiedenen Lockdown-Modellen verhalten wird – sie kann aber niemals eine Aussage darüber treffen, ob irgendeines dieser Lockdown-Modelle dann auch umgesetzt werden muss. Denn was Wissenschaftler dazu sagen können, ist schlicht ihre persönliche Meinung. Sie bewerten Kosten und Nutzen, Wirkung und Nebenwirkung vor dem Hintergrund ihrer Sicht auf die Welt und von ihnen angenommenen gesellschaftlichen Zielen. Dazu sind sie aber in einer Demokratie nicht mehr berufen als jeder andere Bürger.

Ob jemand ein “Corona-Leugner” ist (im wohl meistens gemeinten Sinne eines “Verharmlosers”) wenn er sagt, Covid-19 sei nicht schlimmer als die Grippe, kann man erst prüfen, wenn man nach den Bewertungskriterien fragt: über welchen Zeitraum werden Tote und Erkrankte gezählt, wie wird die Krankheitsschwere gemessen, welche sonstigen Auswirkungen werden  für die Bewertung beider Krankheiten herangezogen etc.
Steffens hat in seiner Einlassung seine Bewertungskriterien nicht offengelegt. Deshalb kann man ihm auch nicht widersprechen. Aber wenn er irgendwie insinuieren wollte, Kritiker der Coronapolitik hätten unverhältnismäßig viel Raum in den Medien  bekommen, müsste man ihn auf die gegenteilige Faktenlage hinweisen: Positionen, dass die Maßnahmen zu weit gingen, Grundrechte ohne hinreichende Notwendigkeit eingeschränkt und mehr Schaden als Nutzen verursacht haben, wurden marginalisiert. Und das, obwohl der Auftrag des Journalismus zu Information und gesellschaftlicher Debatte verlangt hätte, jeglicher neuer Kritik Raum zu geben. Der verbreitete Zirkelschluss lautet: Es gibt in den Medien wenig Kritik, also sind die Maßnahmen richtig, wirkungsvoll und angemessen, also brauchen wir die Kritik daran gar nicht mehr. Selbst die Kommunikationsforschung hat sich in diesem Zirkelschluss schon verheddert, als drei Experten ihren eigenen Befund wie folgt kommentiert haben:

“Insgesamt nahmen die Medien gegenüber der Pandemie folglich eine eindeutig warnende Haltung ein, die man durchaus als einseitig betrachten kann. Betrachtet man diese Einseitigkeit als Problem, dann kann man dies allerdings nur aus einer Position tun, die die Pandemie als eher ungefährlich oder die Maßnahmen als eher übertrieben wahrnimmt.” (Maurer/ Reinemann/ Kuschinski (2021): Einseitig, unkritisch, regierungsnah? Hamburg: Rudolf-Augstein-Stiftung, Seite 58)

Georg Restle – Einseitigkeit als “journalistischer Verfassungsschutz”?

Georg Restle (Monitor, WDR) hat in einem Streitgespräch mit dem  Welt-Redakteur Constantin van Lijnden  (Schrift und Podcast) am 9. September 2021 nochmal das Begriffsproblem verdeutlicht. Obwohl er selbst Begriffsklärung betreiben wollte, läuft einiges durcheinander.

Die Grenze zu einem (möglicherweise) berechtigten Neutralitätsanspruch (unter dem er versteht: “maximale Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung und […] Unvoreingenommenheit”) sieht Restle, “wenn es […] darum geht, alles gleichermaßen im Sinne einer falschen Ausgewogenheit nebeneinanderzustellen, als ob Richtiges und Falsches gleichwertig sei […]”

Wie oben dargestellt: Falsches gehört nie irgendwie gewichtet, evtl. muss es mal erwähnt werden, aber die Orientierungsleistung besteht dann nur in der Information, dass etwas falsch ist (unwahr, unrichtig). Da gibt es nichts zu diskutieren, nichts abzuwägen, nichts als Position zu behandeln. Geht es hingegen um Meinungen, dann gibt es keine falsche Position.

Das verschleierte Problem wird besonders deutlich in folgendem Zitat von Georg Restle kurz darauf:

>Wenn eine Partei verfassungsfeindliche und rassistische Positionen vertritt, dann kann man dies nicht als scheinbar gleichwertig zu den Positionen anderer demokratischer Parteien stellen, sondern man muss klar benennen, wer sich da im Einklang mit Grundwerten unserer Verfassung befindet und wer nicht – das gilt besonders im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo wir an einen Programmauftrag gebunden sind, in dem die Werte unserer Verfassung eine zentrale Bedeutung haben.<

Richtig und falsch, verfassungsgemäß und verfassungsfeindlich, Grundwerten entsprechend und Grundwerten zuwiderlaufend – Restle sieht sich und sein Verständnis von Journalismus da in einer Amtsrolle, ob nun Richter, Zulassungsstelle oder Gesellschafts-TÜV. Diese Aufgabe hat der Journalismus aber natürlich gar nicht. Er hat die Urteile anderer zu referieren und ggf. zu kommentieren, aber er fällt diese Urteile nicht. Journalismus ist keine Kontrollinstanz.

Restle verwechselt wie so viele Kollegen wieder Fakten und Meinungen über Fakten. Die “verfassungsfeindlichen, rassistischen Positionen” sind seine Bewertung, seine Meinung. Sollten Gerichte sie so einschätzen, dann sind die entsprechenden Urteile natürlich Fakten, aber sie basieren auf in Gesetz gegossenen Meinungen (nur deshalb kann man Gesetze jederzeit ändern), und sie selbst sind das Ergebnis von Bewertungen (= Meinungen), nur deshalb können Gerichtsurteile unterschiedlich ausfallen. Der Orientierung ist aber nicht gedient, wenn eine Bewertung von Restle als Tatsachenfeststellung daherkommt.

Constantin van Lijnden wirft Restle vor, parteiisch zu sein und die AfD für Dinge in Mithaftung zu nehmen, wie er es bei Linken und Grünen nie täte. Er sagt: “Sie versuchen gar nicht erst, Ihre politische Antipathie zu temperieren, sondern sehen sich als journalistischen Verfassungsschützer.” Darauf antwortet Georg Restle:

“Ich kann Ihnen versichern, dass ich das journalistisch wie emotional alles sehr nüchtern betrachte. Die Rolle des „journalistischen Verfassungsschützers“, wie Sie es nennen, steht übrigens so in den Rundfunkgesetzen. Im WDR-Gesetz heißt es unmissverständlich, dass wir die demokratischen Freiheiten unserer Verfassung zu verteidigen haben. Daran haben wir uns als öffentlich-rechtliche Journalisten und Journalistinnen zu orientieren.”

Die Behauptung, bestimmte parteipolitische Positionen ließen sich direkt aus der deutschen Verfassung ableiten oder könnten ihr eindeutig widersprechen ist im Journalismus recht verbreitet. Aber in kaum einem Fall dürfte es zutreffend sein. Das Grundgesetz ist nicht nur vom Namen her ein Gesetz, sondern eben auch real, wenn auch mit einem höheren Änderungsschutz (“Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates”, Art. 79 Abs. 2 GG). Im WDR-Gesetz steht allerdings nicht, dass Journalisten die Verfassung vor Änderungen zu schützen hätten, es steht darin (überflüssigerweise): “Für die Angebote des WDR gilt die verfassungsmäßige Ordnung. Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der
Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre sind einzuhalten. ” (§ 5 WDR-Gesetz) Zur Verteidigung der demokratischen Freiheiten, die Restle korrekt zitiert, gehört aber gerade die Meinungsvielfalt. Ein demokratischer Diskurs ist nur möglich, wenn alle (irgendwie relevanten) Positionen vorgestellt werden. Erkenntnisgewinn ist nur durch Auseinandersetzung mit unbekannten oder missliebigen Meinungen möglich, nicht durch Konfirmation dessen, was man ohnehin schon für der Weisheit letzten Schluss hält.

Postscriptum, Anhang, Literatur

PS: Natürlich würde sich Grimms Beitrag für eine detailliertere Beschäftigung anbieten, was hier aber aus Zeitgründen unterbleibt. Aber folgende Anmerkungen müssen sein.

a) Grimm schreibt:

>>Er [Böhmermann] warf ihm [Lanz] vor, in der Corona-Krise auch umstrittenen Virologen wie Alexander Kekulé oder Hendrik Streeck sowie deren randständigen Positionen in seiner Talkshow eine Bühne geboten zu haben. Männern also, deren Meinung „durchtränkt von Menschenfeindlichkeit“ sei.<<

Die Menschenfeindlichkeit hatte Böhmermann nicht auf Kekulé (der kein Virologe, sondern – viel passender für eine Epidemie – Epidemiologe ist) und Streeck bezogen, sondern explizit auf die “Zeit”-Diskussion um die Seenotrettung.

b) Grimm schreibt:

>> Denn die Trefferquote seiner [Böhmermanns] Attacken ist hoch. Getroffene Hunde jaulen.<<

Ein typisches Beispiel für journalistische Plattitüde statt Fakten. Denn “getroffene Hunde jaulen” wird auch Grimm keineswegs in allen Fällen gelten lassen, sondern nur, wenn es ihm argumentativ in  den Kram passt. Oder wissenschaftlicher: “getroffene Hunde jaulen” stimmt, “jaulende Hunde sind getroffen” stimmt nicht. Mithin ist das Jaulen allenfalls ein Indiz, aber eben kein Beweis. Deshalb sind jaulende Hunde kein Beleg für Böhmermanns Treffer.

c) Grimm schreibt:

>> Kekulé bezeichnete Böhmermann als „Hallenser Mikrobiologe, der nichts publiziert hat“.<<

Böhmermann darf das  als Clown (Eigenbeschreibung) selbstverständlich so sagen. Aber  Grimm müsste die vom Journalismus immer reklamierte Einordnung leisten: der  Satz ist natürlich Blödsinn, sowohl rein wörtlich als auch inhaltlich zur Pandemiebekämpfung (er hat viele Jahre die Bundesregierung auf diesem  Feld beraten und beschäftigt sich – wie etwa ein Karl Lauterbach –  intensiv mit der Corona-Pandemie, u.a. nachzuhören in seinem MDR-Podcast)

d) Grimm schreibt:

>> Die Konsequenz daraus kann aber nicht sein, Fachpersonal wie Kekulé oder Streeck grundsätzlich in keine Talkshow einzuladen. Hier überreißt Böhmermann. Selbstverständlich kann man sie einladen. Man muss sie dann nur auffordern, ihre strittigen Punkte auch zu beweisen. Man muss sie konfrontieren mit der Tatsache, dass sie in der Kollegenschaft umstritten sind – und dass Gegenwind allein noch kein Nachweis für ein aufopferungsvolles Märtyrertum ist.<<

Faktencheck und Plausibilitätsprüfung von Argumenten (Meinungen) ist doch wohl immer journalistische Aufgabe, nicht nur bei bestimmten Personen. Nur einzelnen Protagnosten auf den Zahn zu fühlen verursacht nun seinerseits genau die kritisierte “False Balance”. Typisches Beispiel dafür ein Beitrag von Übermedien, der in den “Zeit”-Kommentaren natürlich nicht fehlt. Es ist schlicht nichts wert, verfehlte Prognosen eines einzelnen Wissenschaftlers aufzuzählen, wenn es keine Vergleichswerte gibt: “Ein genauerer Blick auf das, was Hendrik Streeck seit Februar 2020 gesagt hat, führt zu zwölf Beispielen für bemerkenswerte Irrtümer und überraschende Kehrtwenden” heißt es in dem Text. Doch zwölf Beispiel können nichts über Streecks Kompetenz aussagen, wenn wir nicht auch die prognostische und analytische Leistung seiner Kollegen kennen.

e) Grimm schreibt:

>> Studien haben gezeigt: „False Balance“ verzerrt tatsächlich die Wahrnehmung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes durch das Publikum – und verändert auch das Verhalten. Prominent platzierter Unfug erhöht die Risikobereitschaft.<<

Experimente haben gezeigt, dass weniger Testpersonen einer Aussage glauben, wenn sie auch Gegenmeinungen zur Kenntnis genommen haben. Das ist zunächst mal banal – bzw., der Grund für Journalismus. “Unfug” hat nun aber wieder gar nichts mit False Balance zu tun.

f) Grimm schreibt:

>> Christian Drosten etwa hat sich nicht von sich aus mit professioneller Hilfe als Corona-Erfolgsforscher inszeniert, sondern wurde eher durch seine Dauerpräsenz gegen seinen Willen zum Gesicht der Corona-Krise.<<

Wie Drosten  “zum Gesicht der Corona-Krise” wurde sei mal dahingestellt, aber zu erwähnen ist doch, dass er ganz bewusst und gezielt und sehr frühzeitig in die Öffentlichkeit gegangen ist.

g) Grimm schreibt:

>> Nicht jeder Unfug braucht die große TV-Bühne, bloß weil die vermeintliche Ausgewogenheit danach verlangt. Blödsinn bleibt Blödsinn […] Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.<<

Ist es sicherlich auch. Strittig dürfte aber sein, was Blödsinn oder Unfug ist. Weder Grimm noch Böhmermann legen dafür Kriterien vor. Weder  Drosten noch Kekulé noch Ciesek können entscheiden, wie mit einer Corona-Pandemie zu verfahren ist. Das ist in einer Demokratie denen überlassen, die von Pandemie besonders wenig Ahnung haben: Politikern bzw. im besten Fall den Wählern oder “Stimmbürgern”. Warum der Clown Böhmermann sich zu Corona, Journalismus und Wissenschaftskommunikation äußern darf, Kekulé und Streeck aber nicht über ihre Forschungs- und Lehrgebiete sprechen sollen, hätte man den Initiator der aktuellen Erregung mal fragen sollen. Rein empirisch betrachtet war z.B. die Idee von “Zero Covid” Blödsinn (von vielen auch so prognostiziert). Dafür oder dagegen sein durften die Spitzen-Virologen dabei so sehr und so wenig wie die übrigen 80 Millionen Menschen in diesem Land. Denn diese Strategie zu verfolgen (bzw. verfolgen zu wollen) war immer nur eine Meinung.

Anhang: Wörtlich sagte Jan Böhmermann (Videotranskript; eine bearbeitete Fassung ist unter dem Titel »Stopp! Stopp! Nein, nein, nein« in  DIE ZEIT No 37 vom 9. September 2021 erschienen, Teaser: “Jan Böhmermann, Markus Lanz und Giovanni di Lorenzo streiten über die
Fragen: Welchen Stimmen darf man im Fernsehen eine Bühne bieten? Und wo verläuft die Grenze zwischen Journalismus, Satire und Beleidigung?”):

[Er wolle etwas besprechen, anknüpfend an ein Podiumsgespräch über Wissenschaftskommunikation am Vortag bei der Urania, ]

das betrifft das Gegenüberstellen von Dingen, die man vielleicht nicht gegenüberstellen kann.

[Zu Giovanni di Lorenzo] Legendär der ZEIT-Satz “oder sollen wir es lassen?” […]

[Zu Markus Lanz] Und bei dir in der Sendung das Einladen von so Leuten wie Hendrik Streeck oder Alexander Kekulé, wo man fachlich wirklich sagt, das ist keine gute Idee

[Lanz: Wer sagt das?]

Die Leute, die Ahnung haben. Wenn du mit Wissenschaftlern sprichst, die seit Jahren an diesem  Thema forschen, und auf einmal taucht da ein Hallenser Mikrobiologe auf, der nichts publiziert hat, und sitzt in der Sendung […]

Ich finde es schwierig, wenn man  Leuten eine Bühne gibt, die eine Meinung vertreten, die man nur deswegen veröffentlicht, weil man sagt, man muss auch die andere Seite sehen. Und es gibt Meinungen, die sind so durchtränkt von Menschenfeindlichkeit oder so motiviert von Dingen, die nichts damit zu tun haben, und zwar  ersichtlich, dass ich mich manchmal frage, warum einige Leute  bei dir sitzen.

Literatur
Klaus Arnold (2009): Qualitätsjournalismus. Die Zeitung und ihr Publikum. Konstanz: UVK

Maxwell Boykoff/ Jules Boykoff (2004): Balance as bias: global warming and the US prestige press; in: Global Environmental Change 14: 125–136

Michael Brüggemann (2021): Klima- und Wissenschaftsjournalismus im Wandel. Von falscher Ausgewogenheit zu interpretativem Journalismus. Vortrag im Rahmen der Vorlesung “Journalismus in der digitalen Gesellschaft” im Wintersemester 2020/2021, Universität Hamburg, in: Deutschlandfunk Nova, Reihe Hörsaal,  [21.03.2021]

Letztes Update: 16.08.2022

4 Gedanken zu „False Balance

  1. Michael

    “False Balance” ist in der Medienberichterstattung aus meiner Sicht nur möglich, wenn es z.B. um politische Positionen geht: in einer Runde zur Arbeitsmarktpolitik nach der Wahl würde man sicher zu recht kritisieren, wenn nur AfD und Linke eingeladen sind. “False Balance” ist hingegen bei wiss. Fragen ein nicht anzuwendender Begriff. Man stelle sich eine Talkshow im 16. Jahrhundert vor, in der Galilei gegen Kirchenvertreter sein neues Weltbild erläutert – der Vorwurf einer “false balance” hätte aufkommen können, obwohl Galilei recht hatte. Genauso ist es bei der Corona-Berichterstattung: welcher Wissenschaftler wirklich richtig liegt, können weder Faktenchecks noch Journalisten 100% klären, da das wiss. Wissen nur vorläufig ist. Ob es sich also bei Runden mit Wissenschaftlern um eine “false Balance” handelt, kann gar nicht geklärt werden – jeder, der das glaubt tun zu können (auch Böhmermann) ist anmaßend.

  2. Tg

    Deswegen halte ich das Kriterium der “Vollständigkeit” für geeigneter – und weniger ideologiebeladen. So fehlten in der Corona-Berichterstattung in weiten Teilen die Bereiche Verfassungsrecht, Ökonomie, Politologie, Philosophie etc. Dass die ZEIT diesen nicht sehr gelungenen Gesprächspart auch noch bearbeitet gedruckt hat dient wirklich mehr der Erregung als der Klärung.

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