Helikopterjournalisten

„Skandaläs oder bloß ungeschickt?“ fragen die Blätter des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags (shz) heute für eine ausführliche „Analyse“ der Nachricht, dass Verteidigungsministerin Christine Lambrecht auf einem dienstlichen Hubschrauberflug ihren erwachsenen Sohn mitgenommen hatte. Illegal war daran offenbar nichts, gegen Kostenerstattung können Familienmitglieder mitreisen. (So wie übrigens auch Journalisten bei Politikern mitfahren und -fliegen dürfen, und da wird es wesentlich heikler! Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums teilt uns auf Anfrage mit: „Die Nutzung von Luftfahrzeugen der Bundeswehr erfolgt im Sinne Ihrer Fragestellung grundsätzlich entgeltlich. Die Höhe des zu entrichtenden Betrages für einen Mitflug hängt maßgeblich davon ab, ob die Begleitung im Bundesinteresse erfolgt.“ Was nichts anderes bedeutet, als dass bei „Bundesinteresse“ eine geringere Kostenbeteiligung verlangt wird, als wenn dieses vom Ministerium vertretene Interesse nicht vorliegt. Damit erfolgt so oder so eine Einflussnahme auf die Berichterstattung, entweder durch Entgelte, die über den tatsächlichen Kosten liegen – was der Ausgrenzung für nicht hilfreich erarchteter Journalisten dient -, oder durch eine Kostenunterdeckung, womit die Politik bestimmte Berichterstattung subventionieren würde. Ein altes Thema, an dessen Klärung der Journalismus offenbar weniger Interesse hat als an der Skandalisierung einer einzelnen Politikerin.)

Auf die selbst gestellte Frage „Warum tobt dann nun der Proteststurm?“ antwortet Autor Tobias Schmidt: „Lambrecht wird wegen ihrer Amtsführung immer wieder kritisiert. Zu viel Ellebogen,  zu wenig Ahnung, und zu zögerlich bei Waffenlieferungen an die Ukraine. […]“ Dann folgt das ganze bekannte Skandalisierungszeug (Kritik aus der Opposition, Twitter-Erregungen, Moralweisheiten von Journalisten-Kollegen).

Die einzig richtige Antwort auf die Frage lautet jedoch: Weil Skandalisierungen das Geschäft der Medien sind. Berichterstattung bläst Belanglosigkeiten zu Ereignissen auf. Orientierungsleistung? Null.

Dieses Skandalisierungsprogramm offenbart der Beitrag auch sehr ehrlich in der Überschrift: „Skandalös oder bloß ungeschickt?“. Ein ganz offene Recherche, in deren Verlauf es mehr oder weniger zu holen gibt, die aber auf gar keinen Fall zum Ergebnis kommen kann: Bullshit, lassen wir den Klamauk und  behelligen nicht ein ganzes Land (und darüber hinaus) mit so einer Billigproduktion.

PS: Eine sehr schöne Polemik zum Thema hat Hendrik Wieduwilt bei Übermedien geschrieben: „Lambrecht, ihr Sohn und der scheißlegale Hubschrauberflug

Ein Gedanke zu „Helikopterjournalisten

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