ZDF-Weizenbiene

Insekten bestäuben Getreide? Diese neue „Erkenntnis“ verbreitet die aktuelle ZDF-Sendung „Plan b„, in der es  um Lichtverschmutzung geht, unter der u.a. Insekten zu leiden haben.


In der zugehörigen Grafik wird diese artenreiche Tierklasse durch eine Biene vertreten. Der zugehörige Text passt leider nicht zur Honigbienen und zu Bienen allgemein auch nur marginal, eine zentrale Aussage ist in jedem Fall falsch.

>Insekten übernehmen lebenswichtige Aufgaben. Sie bestäuben Pflanzen, darunter die meisten Getreidesorten. Sie lockern den Ackerboden, versorgen ihn mit Nährstoffen und fressen Schädlinge, bevor sie selbst gefressen werden.<
(Plan b, Folge „Licht aus! Sterne an!“)

Wie hier schon oft und auch im Fazit zum Corona-Journalismus fragt man sich, wie es zu solch freihändigen Behauptungen kommt. Es kann jedenfalls keinerlei Recherche erfolgt sein, was dann aber grundsätzlich die Frage aufwerfen müsste, ob das, was man selbst „weiß“, nicht auch dem eigenen Publikum bekannt sein dürfte, welches dann keiner Aufklärung mehr bedürfte.

Getreide ist hochgezüchtetes Gras. Alle Süßgräser sind windbestäubend (wie jeder sehen kann, der mal eine nicht kurz gemähte Wiese durchstreift hat), unsere Getreide, wie der abgebildete Weizen, überwiegend selbstbestäubend. Insekten sind jedenfalls nicht beteiligt.

Und wenn Insekten bestäuben, dann natürlich eine weibliche Blüte – und keine reifen Früchte wie in der ZDF-Grafik. Und dass Bienen keine anderen Insekten fressen, dürfte sich auch jedem erschließen, der sich einmal eine Biene anschaut (und sie z.B. mit einer Wespe vergleicht).

Auch wenn es sich nur um eine 13-Sekunden-Sequenz im Beitrag handelt ist sie doch geeignet, die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung insgesamt zu erschüttern. Denn wenn schon solche offensichtlichen Fehler Herstellungsprozess und Abnahme überstanden haben und sich nach Ausstrahlung (18. März, 17:35 h) niemand um eine sofortige Korrektur gekümmert hat, ist hinter alle Aussagen, die man selbst nicht einfach prüfen kann, ein Fragezeichen zu setzen.

Auf dem gleichen Qualitätslevel wie die „Weizenbiene“ des ZDF war vor einigen Jahren der sich durch Teilung vermehrende Regenwurm beim Bayerischen Rundfunk. Ausgerechnet in einem Special behauptete der Sender:

„Wird ein Regenwurm zerteilt, könnten theoretisch beide Einzelteile überleben – wenn sie nicht vorher gefressen werden. Möglich ist das, weil der Körper des Regenwurms aus bis zu 160 einzelnen, ringförmigen Segmenten besteht. Jeder dieser Ringe besitzt eigentlich alles, was der Regenwurm zum Überleben braucht.<
(BR im Regenwurm-Special „Der König der Erde„, September 2017 bis Juli 2019)

Hier hatte ein Dichter gleich noch eine Begründung ersonnen – allerdings ohne zu verraten, warum man aus einem Regenwurm dann nicht gleich 160 Würmer machen kann, wo doch in jedem Ring alles steckt, was das Tier braucht. Aber eine kleine Fluchttür sollte ja offenstehen: „theoretisch“ und „eigentlich“. Hilft aber nichts: es ist in jedem Fall Nonsens.

Die bayerische Regenwurmduplikatur stand zwei Jahre online. Auf Hinweise reagierte niemand. Erst eine förmliche Programmbeschwerde von SpiegelKritik konnte das Kindermärchen aus dem Netz tilgen. Die entscheidende und deutlich gestellte Frage ließ der Rundfunkratsvorsitzende allerdings unbeantwortet: wie es überhaupt zu einer solchen Quatsch-Aussage kommen konnte.

Update 21. März 2022, 9:45 Uhr
Die Beitragsseite von „Plan b“ in der Mediathek ist derzeit offline. Die Produktionsfirma hatte am Mittag auf Instagram auf Kommentare geantwortet, man werde die entsprechende Stelle im Film korrigieren und die Sendung in der  Mediathek austauschen. 

Update 21. März 2023, 22 Uhr

Der Film ist wieder online, die Grafik wurde ausgetauscht, nun bestäubt die Biene eine Obstblüte. Der Sprechertext ist einfach um die  Aussage „darunter die meisten Getreidesorten“ gekürzt, sonst unverändert. Ein transparenter Hinweis auf die erfolgte Korrektur findet sich weder im Film an dieser Stelle noch auf der begleitenden Website. Schon unter dem ersten  Twitter-Post wiesen User auf den Fehler hin – bis heute ohne Reaktion oder aktive Korrektur.

Das ZDF hatte am Montagabend auf Twitter reagiert, nachdem sich das Fachblatt „Top Agrar“ lustig gemacht hatte:

20. März
Früher Grundschulstoff, heute anscheinend kein Allgemeinwissen mehr. In der @ZDF Doku #planb ist man der Meinung, dass #Bienen den #Weizen bestäuben. Das regt nicht nur
@BauerWilli_org auf. Ein #Kommentar. #landwirtschaft #zdf #örr #weizenbiene

Das ZDF hatte geantwortet:

Bei der Recherche zur Sendung ist uns leider ein inhaltlicher Fehler unterlaufen. Getreide wird nicht, wie im Film dargestellt, durch Bienen bestäubt. Wir tauschen die Sendung schnellstmöglich durch eine korrigierte Version aus und möchten uns für den Fehler entschuldigen.

Die ZDF-Pressestelle hat auf die Bitte, das Fakten-Check-Verfahren im Zuge einer Beitragsabnahme zu erläutern, mit einer Floskel reagiert („vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Sendung und für Ihre Nachricht. Leider ist uns dieser Fehler unterlaufen, den wir sehr bedauern und für den wir uns entschuldigen. […]“) Damit bleibt es der Spekulation der Zuschauer überlassen, wie es in einem Beitrag zu solch einem grundlegenden Fehler kommen kann. Und es bleibt zu erwarten, dass ähnliche Fehler jederzeit wieder auftreten können.

Siehe zum Korrekturverhalten beim ZDF auch:Absurde Verdrehungen in der heute-Show

2 Gedanken zu „ZDF-Weizenbiene

  1. Pingback: IHRE RUNDFUNKFGEBÜHREN BEI DER ARBEIT: “GETREIDEBESTÄUBUNG” IM ZDF — Der Friedensstifter

  2. wolfgang nellen

    Der Beitrag im ZDF wurde von professionellen Ökologen begleitet. Damit erhielt die Sendung einen seriösen Anstrich: muss ja wohl alles stimmen, wenn Doktor A und Professorin B daran beteiligt waren!
    Ich nehme an, dass die Experten den kompletten Beitrag vor der Ausstrahlung nicht gesehen haben.
    Eine Warnung an alle Wissenschaftler: Lassen Sie Ihren Namen nicht von solchen scheinbar seriösen Filmemachern missbrauchen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.