Verantwortlicher für Corona-Risikohochstufung seit Ende Mai bekannt

In mehreren Medien wurde zu den nun von Aya Velázquez veröffentlichten Protokollen des Robert-Koch-Instituts (RKI) behauptet, damit sei endlich offenbar geworden, wer für die Hochstufung des Corona-Risikos für die Bevölkerung von „mäßig“ auf „hoch“ verantwortlich sei. Denn in der ersten, von Multipolar veröffentlichten Fassung war der zugehörige Name noch geschwärzt. In Paul Schreyers Beitrag vom 18. März 2024 hieß es:

An diesem Wochenende passierte auch etwas mit dem RKI. Den wesentlichen Hinweis darauf liefert das Protokoll vom Montag, dem 16. März, in dem es heißt: „Am Wochenende wurde eine neue Risikobewertung vorbereitet. Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald [geschwärzt] ein Signal dafür gibt.“ [Screenshot aus Protokoll]
„Es soll diese Woche hochskaliert werden“ – offenbar ein politischer Beschluss, kein wissenschaftlicher, zudem abrupt und überraschend, ohne jede Andeutung in den vorhergehenden Protokollen und ohne dass grundlegende Kennzahlen sich maßgeblich geändert hätten. Das Protokoll vermerkt, dass „VPräs“ diese Information dem Krisenstab präsentierte, also RKI-Vizepräsident Lars Schaade. Man warte nur noch auf das „Signal“ zur Umsetzung, das der im Protokoll geschwärzte Akteur geben würde. Vielleicht war das Jens Spahn, vielleicht auch jemand anderes. Am nächsten Tag jedenfalls verkündete Wieler die Hochstufung.
(„Es soll hochskaliert werden„, Multipolar)<

In einem ORF-Beitrag bei ZIB2 (vergleichbar den Tagesthemen oder dem heute-journal) hieß es nun am 23.07.2024 (Start bei Minute 9; Auszug bei X/Twitter): Dass es nichts zu verbergen gebe, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, zeige sich auch

>am bisher umstrittensten Aspekt der RKI-Files: Einschlägige Medien wie etwa Multipolar haben aus den geschwärzten Protokollen abgeleitet, dass eine externe Person die Corona-Risikobewertung vorgenommen hat. Diese Theorie ist mit der Veröffentlichung der entschwärzten Gesamtprotokolle allerdings hinfällig. Bei dem bisher geschwärzten Namen handelt es sich um Lars Schaade, dem jetzigen Präsidenten des Robert-Koch-Institutus.<

Dies ist allerdings keine neue Enthüllung (mit „Gesamtprotokolle“ kann nur die aktuelle Fassung gemeint sein, weil sie die Jahre 2020 bis 2023 umfasst, während bisher nur Dokumente bis April 2021 öffentlich waren). Vielmehr wurde der Name vom RKI selbst am 30. Mai 2024 bekannt gemacht, als dieses eine weiter entschwärzte Version veröffentlicht hatte. In diesem 2515 Seiten umfassenden Dokument ist es seitdem auf Seite 370 zu finden:

Die

Die Zuspitzung der Frage nach politischer Einflussnahme auf diesen einen Namen führte allerdings von Anfang an eine Sackgasse. Denn er kann kein Beleg dafür sein, dass er nicht wiederum von irgendwem eine Weisung erhalten hat. Der Signalgeber muss nicht der Entscheider über die Signalstellung sein.

Dass es politischen Einfluss auf das vorgeblich (gerade auch von Verwaltungsgerichten so gesehene) unabhängige RKI gab, ist an vielen Stellen in den Protokollen zu lesen, am deutlichsten vielleicht in folgender Passage vom 10.09.2021:

>Aktuelle Einschätzung der RKI-Leitung ist, dass die Empfehlungen durch das RKI in der Rolle einer Bundesbehörde ausgesprochen werden, und einer ministeriellen Weisung zur Ergänzung dieser Empfehlung nachgekommen werden muss, da das BMG die Fachaufsicht über das RKI hat und sich als Institut nicht auf Freiheit der Wissenschaft berufen kann. Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.“< (Seite 982 im Dokument 2021)

Nachtrag: Siehe zum Thema auch „RKI-Protokolle: Ein Weckruf für die Medien?“ (Telepolis)

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