Da hier gelegentlich auch auf Medienkritik bei Telepolis (TP) verwiesen wird, sei auch die Medienkritik an Telepolis gewürdigt. Denn der jüngste Cup, pauschal alle Texte, die vor 2021 erschienen sind, zu depublizieren, hat erwartungsgemäß keine Begeisterungsstürme ausgelöst. (Im relevanten Medienjournalismus ist der Vorgang allerdings noch nicht angekommen.) Chefredakteur Harald Neuber spricht von einer „Qualitätsoffensive“:
>Ältere Texte haben wir Anfang Dezember 2024 zunächst aus dem Archiv genommen, da wir für deren Qualität nicht pauschal garantieren können. Was uns sehr wichtig ist: Die Deindizierung ist keinesfalls ein Misstrauensvotum gegen frühere Autoren und damalige Beiträge heutiger Autoren. Wir mussten aber einsehen, dass es keine realistische Möglichkeit gibt, die enorme Menge von Artikeln aus gut 25 Jahren hinreichend zu prüfen.<
In seinen weiteren Ausführungen verweist Neuber u.a. auf mögliche Urheberrechtsverletzungen.
>Auch wenn der Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material in der Frühzeit des Internets lockerer war, sind Verlag und Redaktion unabhängig vom Alter dieses Contents auch heute noch von Abmahnungen bedroht. Zudem waren Bilder nie barrierefrei und damit nicht für alle Leser zugänglich. Das waren auch Gründe, das Archiv aus der Zeit vor 2021 zunächst offline zu nehmen.<
Die derzeit nicht verfügbaren alten Inhalte sollen „so schnell wie möglich“ gesichtet und „- soweit sie noch einen Mehrwert bieten – nach unseren Qualitätskriterien bewerten und überarbeite[t]“ werden. Essays und Fachaufsätze sollen dabei Vorrang, haben. Neuber: „Schrittweise sollen die vielen Perlen aus dem Archiv wieder zugänglich gemacht werden – wie bisher kostenlos und ohne Zugangsbeschränkung.“
Die dann erneut veröffentlichten Artikel sollen „prominenter auf der Seite“ erscheinen und so neue Leser finden.
Derzeit laufen nun alle getesteten Links auf ältere Artikel aus anderen Medien (inklusive der Wikipedia) und Suchmaschinen (soweit sie den bisherigen Eintrag noch nicht gelöscht haben) zu einer Standardseite mit der Information:
>Dieser Text wird von der Heise Medien GmbH & Co. KG nicht weiter zur Verfügung gestellt.<
Bereits 2023 wurden ältere Beiträge mit einem Disclaimer (siehe dazu Kommentar von TP-Autor Marcus Klöckner bei den NDS) versehen, der zuletzt lautete:
>Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards.<
Nachfolgend einige Verweise auf und Zitate aus Reaktionen darauf. Zunächst in Stichpunkten und zusammengefasst einige wesentliche Kritikpunkte daraus:
* Mit der (vorübergehenden oder teilweisen) Löschung wird Internet-Geschichte getilgt.
* Nachträgliche Änderungen in Beiträgen manipulieren diese Geschichtsschreibung.
* Die Autoren (nicht einmal die aktuell noch tätigen) wurden zuvor nicht informiert (mit der Möglichkeit, ihre eigenen Werke zu sichern
* Mit den Artikeln sind auch die vielen Kommentare von Lesern im Forum nicht mehr zugänglich.
* Unter der Erklärung zur Löschung der Alt-Artikel sind bei TP keine Kommentierungen möglich.
1. Artikel und Kommentare
1.1 Overton Magazin spricht von einer „virtuellen Bücherverbrennung“, mit der „per ‚Knopfdruck‘ eines einzelnen Menschen […] schätzungsweise 50.000 Texte aus den Jahren 1996-2020 gleichsam ausgelöscht“ worden seien. Autor Peter Bürger, der selbst für Telepolis geschrieben hat:
>Unabhängige Autoren/innen gehören sehr oft zu den Besitzlosen und Überlebenskünstler*innen. Insofern ist das Vorgehen der Telepolis-Spitze nicht zuletzt auch eine Klassenfrage. Vor einer stillschweigenden Revision waren die tp-Beiträge aus der Zeit vor 2021 schon zeitweilig mit einem unverschämten nachträglichen Disclaimer-Balken versehen. Bereits diese Vorstufe einer Texteliminierung („Textentwertung“) musste zwangsläufig rufschädigend wirken und betraf somit insbesondere kleine Schreibwerkstätten bzw. gesellschaftlich engagierte nonkonforme Textproduzenten*innen.
Die Löschung von zigtausenden Texten durch die telepolis-Spitze übertrifft hinsichtlich der zeitlich-quantitativen Effizienz alles, was wir historisch von Akten der „Damnatio memoriae“ (hier: Auslöschung des Kulturgedächtnisses) durch die sich gottgleich dünkende kirchlich-klerikale Inquisition oder den Stalinismus kennen.<
In den Kommentaren unter dem Overton-Text äußern sich auch Autoren und Foristen. Bei Overton betreut der ehemalige Telepolis-Chefredakteur Rötzer die Rubrik „Krass & Konkret“.
In einem späteren Video-Interview mit Overton erläutert Rötzer u.a. auch die Entstehung von Telepolis als „Magazin der Netzkultur“.
1.2 Multipolar, dessen Mit-Herausgeber Paul Schreyer ebenfalls für Telepolis geschrieben hat.
>Eine Nachfrage von Multipolar, was mit „bewerten und überarbeiten“ gemeint sei und ob die Texte nun umgeschrieben werden sollten, ließ Neuber zunächst unbeantwortet – ebenso die Frage, woraus abgeleitet werde, dass ein Chefredakteur die vor vielen Jahren publizierten Artikel, die seine Vorgänger zu verantworten haben, prüfen müsse.<
1.3 ND. Matthias Monroy verweist in seinem Rückblick darauf, dass Telepolis eine Zeitlang auch als gedrucktes Heft verfügbar war. Der Kritik fügt er noch hinzu, dass die Löschung auch ein Verlust für die (Medien-)Forschung darstelle, da längst nicht alle Beiträge irgendwo gespiegelt zu finden sind.
1.4 NachDenkSeiten (NDS). Jens Berger blickt auf seine journalistischen Anfänge bei Telepolis zurück.
>Sicher, nicht alle historischen Artikel werden diesen Standards entsprochen haben – aber auch das ist Kulturgeschichte. Telepolis wurde als medienpolitisches Experiment ins Leben gerufen. Wer wissen will, wie sich die deutsche Netzkultur in den frühen Jahren des Onlinejournalismus entwickelt hat, für den war Telepolis die wohl beste Primärquelle. Es sind nicht nur die „guten“, journalistisch hochwertigen Texte – die nun auch alle gelöscht wurden -, sondern auch die aus heutiger Perspektive vielleicht ein wenig schrägen Artikel, die kulturell wertvoll sind. Es käme ja auch niemand auf die Idee, die frühen, sicher nicht perfekten Werke von Malern, Schriftstellern oder Komponisten zu vernichten, weil sie späteren Qualitätsstandards nicht entsprechen.<
1.5 Der BILDblog hatte zwar bereits am 9. Dezember in seiner „6 vor 9“-Sammlung auf die Eigenmitteilung von Telepolis verwiesen, danach aber bislang (11.12.) keine weiteren Medienreaktionen dazu vermeldet.
1.6 Die NachDenkSeiten legen ein Interview mit dem Telepolis-Gründer Florian Rötzer nach. Er sagt:
>Ich habe schon länger mit Telepolis abgeschlossen und schaue heute so gut wie nie auf der Seite vorbei. Wenn man so will, ist Telepolis nicht mehr meins.<
2. Tweets u.ä.
2.1 Der Gründungs-Chefredakteur und bis Ende 2020 verantwortliche Florian Rötzer:
#Telepolis betreibt stalinistische #CancelCulture und #löscht fast 25 Jahre Geschichte u.a. des Internet, um sich dem #Mainstream unkritisch und marktkonform anzupassen.<
>die „#Qualitätsoffensive“ [will]] stalinistisch Artikel prüfen und überarbeiten, also #Geschichte korrigieren oder verfälschen. #CancelCulture oder #Zensur?<
2.2 Markus Kompa:
>Als ich durch einen Zufall Telepolis-Autor wurde, führte das über die Jahre weg zu über 1.000 Beiträgen. Nunmehr wurden 25 Jahre TELEPOLIS gelöscht. Schade eigentlich.<
2.3 Stephan Schleim, der sich zuvor schon von TP verabschiedet hatte:
#Telepolis 1995-2024 R.I.P.? Ein Teil deutscher Internet-Geschichte stirbt vor unseren Augen. 17 Jahre schrieb ich für das Medium, davon 15 Jahre unter Leitung @FlorianRotzer<
2.4 „Sophie“ (X):
Ausgelöscht sind die Artikel nun doch nicht komplett. Da haben sie sich bei
@telepolis_news wohl verrechnet? Auf Archive org ist verdammt viel archiviert. Ich habe Gestern erstmal eine kleine Zeitreise gemacht 😊
https://web.archive.org/web/19990615000000*/https://www.heise.de/tp/<
2.5 Im Telepolis-Forum wird an verschiedenen Stellen auf nicht mehr funktionierende Links hingewiesen, nicht nur aus der Wikipedia zu TP, sondern sogar aus aktuellen TP-Artikeln selbst.
2.6 Im Blog „ifun“ (Thema: Apple-Produkte) heißt es am Ende, unter der Zwischenüberschrift „Archiv-Rückkehr ‚unrealistisch'“:
>Bis die ersten “Archivperlen” erneut veröffentlicht werden, bleibt das Telepolis-Archiv jedoch in Gänze offline. Die Redaktion betont zwar, dass die Maßnahme kein Misstrauensvotum gegenüber den früheren Autoren darstelle, vermittelt durch ihr Handeln jedoch leider genau diesen Eindruck und irritiert mit der gewählten Holzhammer-Methode, die viele Links im Netz nun über Nacht ins Leere laufen lassen wird.<
2.7 TP-Autor Thomas Moser in einem offenen Brief:
>Ich fordere Sie auf, meine Texte wieder online zu stellen. Sie und der Heise-Verlag haben kein Recht, diese Texte und ihre Inhalte verschwinden zu lassen. Die Texte gehören nicht Ihnen, Telepolis oder dem Heise-Verlag. Sie gehören der Öffentlichkeit und letztlich der Geschichte. Zumal ich als Journalist zu vielen Ereignissen, wie Prozessen oder Untersuchungsausschüssen von Parlamenten, nur deshalb privilegierten Zugang erhalte, weil ich für die Öffentlichkeit tätig bin und war. Das haben Sie und der Heise-Verlag zu respektieren und nicht zu annullieren. <
PS: Einige Autoren sammeln derzeit Archivlinks zu ihren eigenen Beiträgen. Einige vor 2021 erschienene von Timo Rieg sind hier gelistet.
(Letztes Update: 12.12.2024)
https://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Neuber
Neuber studierte Latein- und Altamerikanistik an der Freien Universität Berlin. Anschließend war er von 1999 bis 2008 Mitarbeiter und Redakteur bei der Tageszeitung junge Welt[2]. Danach schrieb er u. a. für den Blog NRhZ-Online, das Deutsche Ärzteblatt (bis 2016)[3], die Jüdische Allgemeine, die Wochenzeitung Freitag und die Gewerkschaftszeitung ver.di Publik.[4]
https://amerika21.de/autor/harald-neuber
Journalist, Unternehmensberater und Mitarbeiter im Deutschen Bundestag. !!
Berater und zugleich Löscher !!!
Wer löscht , wackelt wie eine Fahne , kaufbar ist, hat nichts in der Presse verloren !!!
„Beratung und Konzeption von Unternehmensstrategien für internationale Medienunternehmen aus Lateinamerika und Asien.“
Aha ! Also um die Welt posten !
Prensa Latina wurde 1959, nach der kubanischen Revolution auf Initiative Ernesto Che Guevaras gegründet
Anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens schloss die Nachrichtenagentur im Juli 2009 ein Kooperationsabkommen mit der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland und eröffnete wieder ein Büro in Berlin, um aus dem deutschsprachigen Raum zu berichten.
Am 28. April 2017 eröffnete Prensa Latina nach 50-jähriger Abwesenheit wieder ein Büro in der US-Hauptstadt Washington. 1967 wurde dem damaligen PL-Korrespondenten Francisco Portela die Akkreditierung entzogen
amazon.de/Bildern-Nachrichtenagentur-Prensa-Latina-Rotbuch/dp/386789129X
Das neue Kuba!Wau!!!
Der Journalist, Kulturanthropologe und Consultant Harald Neuber war mehrere Jahre im Deutschen Bundestag im Bereich internationale Politik tätig. !!
Zudem arbeitete er als Deutschland-Korrespondent für die Nachrichtenagentur Prensa Latina mit Sitz in Havanna, Kuba, und verantwortete dort den Aufbau von Abonnement- und Vertriebsstrukturen. Darüber hinaus bringt Neuber Erfahrungen in der Veranstaltungskonzeption und Medienberatung mit. Als Krisenberichterstatter war er in der FYR Makedonien am Ende der Balkankriege tätig, später in Pakistan/Afghanistan, Jordanien/Irak sowie in Kolumbien. Er ist Gründer und war leitender Mitarbeiter des Vereins Mondial21 e.V. und dort für den Aufbau des Nachrichtenportals amerika21.de zuständig
Hat er seine eigenen Artikel nun gelöscht? Welche waren es denn? Sagt heise wohl nicht….?? Peinlich!!
Oder „nur“ die von der alten Regierung genehmigt wurden in Cubas Koks + HavannaClubs ??
Sorry Heise, ich ( und Freunde ) werde keinen Cent mehr bei euch ausgeben ! Euer Online Angebot mit Kursen usw nutzte ich eh nicht , weil es völlig überteuert ist und diese Infos bereits breit im Netz ztu finden sind.
Schade heise war mal gut , aber die Zeit ist nun vorbei !
Die Themen wiederholen sich auch ständig und werden mehrmals verkauft als Abo usw….
Neubers Texte aus der Zeit vor 2021 sind derzeit ebenfalls offline.
Beispiele für ältere Beiträge:
So werden Joe Bidens Mitarbeiter von der Rüstungsindustrie gesteuert (November 2020)
Selbst die USA wollen ihre Kuba-Blockade nicht mehr verteidigen (Oktober 2016)
Danke, Telepolis, Danke. Vaya Con Dios …
-> https://meyview.com/danke-telepolis-danke-vaya-con-dios/
[MeyView.com, 10.12.2024]
… & 🙂 -Gruß
O.M.