Die Berichterstattung und Kommentierung in deutschen Medien zum Gastbeitrag von Elon Musk in der Welt am Sonntag zeigt fast flächendeckend Qualitätsmängel, die als symptomatisch für den Gesamtzustand gelten können.
Musk hatte auf Einladung der Welt seine Parole „Only the AfD can save Germany“ etwas näher ausgeführt. Gleichzeitig erschien eine Gegenrede des designierten und nun amtierenden Chefredakteurs Jan Philipp Burgard.
Im deutschen Journalismus wird dazu ganz überwiegend die Auffassung vertreten, Elon Musk habe sich mit seinem Kommentar unzulässig in den deutschen Wahlkampf eingemischt. Zudem genüge seine Argumentation nicht den Qualitätsanforderungen, die (auch) für Gastbeiträge zu gälten hätten.
Schon nach dem Musk-Tweet vom 20. Dezember 2024 hieß es in der Zeit:
> Nach der Übernahme der Vereinigten Staaten scheint Elon Musk die Bundesrepublik Deutschland ins Auge gefasst zu haben, um sein Geld, sein Charisma und seine mediale Reichweite zu investieren.<
(Navid Kermani)
Das Handelsblatt nennt den Welt-Beitrag verfassungsfeindliche Agitation. Und im aktuellen Lagebericht des ‚Spiegel‘ bezeichnet Chefredakteur Dirk Kurbjuweit Robert Habecks Imperativ „Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk!“ als einen
>“der wichtigsten Sätze dieser Wochen, in denen sich der Unternehmer Elon Musk mit seiner Finanz- und Medienmacht anschickt, die politischen Verhältnisse in Europa umkrempeln zu wollen.“
(Spiegel, Lage am Sonntag)<
Eine zugehörige Kolumne von René Pfister bewirbt Kurbjuweit dann tatsächlich mit dem Slogan: „Elon Musk, unser Lieblingsfaschist“.
Symptomatisch daran ist, dass als Tatsachen behauptet wird, was allenfalls wilde Wertung der Journalisten ist. In der taz entfaltete Svenja Bergt ein zu Musks Übernahme der USA und Deutschlands sowie dem Umkrempeln ganz Europas passendes Medienkomplott: Mit seinem Aufruf „zum Boykott gegen Wikipedia“ (tatsächlich schrieb er: „Stop donating to Wokepedia until they restore balance to their editing authority“) wolle Musk leidige Konkurrenz loswerden, weil er mit KI aus seinem Hause an einem „Wikipedia-Klon in rechts-libertärem Duktus“ arbeiten könnte, „um Hass, Hetze und Desinformation zu verbreiten“.
Während man über all solchen Kokolores milde hinwegsehen kann, gibt es auch ein hartes Qualitätskriterium, das in vielen Beiträgen weit unterschritten wird, wie beispielhaft an Tagesschau.de zu zeigen ist: die Vollständigkeit. „Führen weitere Informationen zu einem anderen Bild, sind sie unentbehrlich und ihr Fehlen ein Qualitätsmangel.“
In einer Analyse des unerhörten Gastbeitrags von Elon Musk heißt es:
>“Der Wahlaufruf von Elon Musk ist übergriffig und anmaßend“, sagt CDU-Chef Friedrich Merz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat.“
(„Das Musk-Konzept – Verunsichern zum eigenen Vorteil„)<
Dass Friedrich Merz selbst erst kürzlich einen konkreten Wahlaufruf zugunsten von Elena Lasconi ans rumänische Volk gerichtet hat, bleibt ebenso unerwähnt wie beispielsweise ein Gastbeitrag von Bundeskanzler Olaf Scholz in „Le Monde“ zur Unterstützung Macrons.
Um diese und viele weitere Beispiele deutscher Einmischung in Wahlen anderer Länder zu finden, müssen auch ARD-Journalisten nicht groß recherchieren – es genügt, das verruchte X von Musk nicht komplett zu ignorieren.
Die sonst immer eingeforderte „Einordnung“ an solchen Stellen zu unterlassen, ist keine lässliche Schlamperei, sondern Desinformation, weil mit diesen Fakten die gesamte Empörung – jedenfalls mit den kolportierten Begründungen – als Scheinheiligkeit entlarvt wäre.
Es ist zwar schön, dass man auf X all solche im Medienmainstream fehlende Puzzleteilchen ohne sie zu suchen findet. Doch das entlastet Tagesschau & Co nicht von der Pflicht, vollständig zu berichten.
So wie auch die vielfach geforderte Beschränkung Elon Musks auf seine eigene Plattform X völlig unsinnig ist: schließlich sollen Medien einen Überblick über relevante Ereignisse inklusive Debatten geben – und gerade der ÖRR ist da gar nicht so frei in seiner Auswahl.
Denn andernfalls wäre dann jede Nacherzählung aus anderen Medien überflüssig – von Correctivs „Geheimplan gegen Deutschland“ bis zu Tweets von Donald Trump.
Zugabe:
Die Antworten, welche Grok (KI von X) auf Fragen nach einer Wahlpräferenz für Deutschland gegeben hat, kann man auch als nicht-Musk-geprägte Programmierung sehen. (06.01.2025)