Alle Journalisten kennen es, dass auf ihre Presseanfragen (zunächst) keine Antwort erfolgt. Und diese Anfragen sollen ja heute fast immer per E-Mail kommen (versucht man es doch per Telefon wie in den „guten alten Zeiten“, wird man genau auf diesen Weg verwiesen – direkte Gespräche gibt es zumindest im Erstkontakt kaum noch).
Bei auskunftspflichtigen Stellen, namentlich Behörden, ist dies besonders ärgerlich – eine Beantwortung könnte hier ggf. eingeklagt werden, für aktuelle Berichterstattung ist das jedoch sinnlos, weshalb es auch nur wenige Urteile und Beschlüsse dazu gibt.
Aber auch von nicht auskunftspflichtigen Stellen wollen wir Antworten auf unsere Fragen haben.
Als Medienjournalist erlebt man allerdings, dass ausgerechnet die eigene Zunft hier sehr – und m.E. überdurchschnittlich – zurückhaltend ist. Wir haben keinen Auskunftsanspruch gegenüber Verlagen, bei öffentlich-rechtlichen Sendern nur zu einem sehr kleinen Themenbereich (nämlich Teilen seiner Finanzierung). Und einzelne Journalisten müssen natürlich auch keine Fragen beantworten.
Auf Presseanfragen gar nicht zu antworten, ist in vielerlei Hinsicht ärgerlich. Denn zunächst wird damit eine Veröffentlichung blockiert – man wartet ja noch auf eine Antwort, erinnert nochmal etc.
Konkret für den Medienjournalismus bedeutet dies aber auch, dass er in der ihm zugedachten Selbstkontrollfunktion (ich würde lieber von Selbstreflexion sprechen) behindert wird.
Da mich dieses Verhalten nunmehr seit über 30 Jahren umtreibt, möchte ich etwas Transparenz in die Sache bringen und öffentlich machen, welche Medien auf Kollegenanfragen (mal) nicht geantwortet haben.
Wer das „Black-List“ oder ähnliches nennen möchte – bitte. Aber auf nicht beantwortete Presseanfragen hinzuweisen, ist im Journalismus absolut üblich (und oft auch notwendig, um das eigene Bemühen zu dokumentieren, also die gebotene Sorgfalt).
Nun hängt die Bereitschaft (oder der Druck), auf eine Journalistenanfrage zu antworten, u.a. davon ab, in welchem Medium dazu etwas erscheinen soll. Namhafte Medien werden daher eher Auskünfte erhalten als kleine Medien oder (im jeweiligen Kontext) unbekannte freie Journalisten.
Deshalb sind die Einzelbefunde, die bei jemandem auflaufen, nicht nur nicht repräsentativ – sie können sich auch nur auf einen Bruchteil des relevanten Feldes beziehen.
Daher bitte ich an dieser Stelle um Mitarbeit von Kolleginnen und Kollegen, ob freischaffend tätig oder angestellt, noch im Dienst oder inzwischen anderweitig aktiv.
Für meine eigenen Fälle für eine solche Zusammenstellung habe ich natürlich die notwendigen Belege. Das Standardverfahren sieht so aus:
* Erste Anfrage per Mail (weil bei Telefonanfragen meist eh darauf verwiesen wird, es in dieser Form zu machen – so schon vor Jahren für Behörden notiert).
* Zweite Anfrage per Mail, eine Erinnerung nach angemessener Zeit (abhängig vom geplanten Veröffentlichungstermin bzw. einer in der ersten Anfrage genannten Frist, die natürlich stets als Bitte formuliert ist).
* Dritte Anfrage als Einschreiben (Brief), damit ich einen starken Beweis habe und technische Probleme ausgeschlossen werden können.
In manchen Fällen überspringe ich aus Zeitgründen den zweiten Schritt, aber als „keine Antwort erhalten“ gilt bei mir nur, wer auch auf den dokumentiert zugestellten Brief nicht binnen einer Woche geantwortet hat.
Für Fälle, die mir nun hoffentlich von Kolleginnen und Kollegen zugetragen werden, braucht es eine ähnliche Absicherung. Weil nach meinen bisherigen Erfahrungen nur noch wenige Journalisten mit der Briefpost arbeiten, wäre eine adäquate Absicherung, wenn ich selbst (per Einschreibe-Brief) nachfragen dürfte, dass eine E-Mail-Anfrage (zu der es mindestens eine Erinnerung gegeben haben sollte) tatsächlich nicht beantwortet wurde. Dabei müsste ich selbstverständlich den Informanten benennen, damit das zugeordnet werden kann.
Als Beleg gilt übrigens auch, wenn die Nichtbeantwortung einer Presseanfrage in einem entsprechenden Beitrag benannt ist. Denn in solchen Fällen darf man davon ausgehen, dass betroffene Medien gegen eine Falschbehauptung vorgegangen wären.
Trotz dieser Hürden hoffe ich auf Unterstützung, in der Annahme, dass uns unbeantwortete Presseanfragen alle ärgern. (Sie sollten ja in der Regel auf einem echten Erkenntnisinteresse fußen und keine Pro-forma-Angelegenheit sein.)
Als Antwort zählt dabei übrigens selbstverständlich, wenn jemand mit der Botschaft reagiert, sich (inhaltlich) nicht äußern zu wollen, mit genau dem Anfragenden nicht korrespondieren zu wollen o.ä.
Es geht mir ausschließlich um solche Anfragen, die einfach versanden, auf die man keinerlei Reaktion bekommt.
Aus verschiedenen Gründen möchte ich die Sammlung ausschließlich auf Medien beziehen. Das heißt: Freie Journalisten werden diesem Medium zugeordnet (und auch nur als dieses Medium benannt). Das verlangt allerdings auch, dass wenigstens die letzte, ultimative Anfrage an dieses Medium gerichtet wurde. Es ist dann dessen Sache, ob und wie es diese an den Freien weiterleitet oder ob das Medium (über eine evtl. vorhandene Pressestelle) selbst antwortet. Die Frist sollte in diesen Fällen daher mindestens zwei Wochen betragen. Und es sollte sich von selbst verstehen, dass Fälle unberücksichtigt bleiben sollen, in denen später doch noch eine Antwort eintrifft – verbunden mit einer Begründung (und ggf. Entschuldigung) für die Verzögerung ohne Zwischennachricht.
Für die geplante Sammlung sind die jeweiligen Themen irrelevant. Es geht einzig darum zu dokumentieren, welche Medien wenigstens in einem Fall überhaupt nicht auf eine journalistische Anfrage reagiert haben. (Eine aussagekräftige Statistik lässt sich damit eh nicht erstellen, daher ist die Anzahl der vorliegenden Fälle zunächst egal, bei deutlichen Auffälligkeiten kann man dies ggf. dennoch genauer prüfen.) Die Fragesteller werden dabei nicht genannt.
Ich fasse zusammen: Die Frage lautet, welche Medien auf eine Presseanfrage dokumentiert gar nicht reagiert haben. Medien sind auch entsprechende Blogs (wie das vom DJV, zu dem ich selbst einen Fall habe).
Die Erstanfrage kann auf jedem denkbaren Kanal erfolgt sein (also auch, selbst wenn ich das für äußerst unschön halte, als Kommentar unter einem entsprechenden Social-Media-Post), aber relevant für die Sammlung sind nur unmittelbar an das veröffentlichte Medium gerichtete, gerichtsfest beweisbare Anfragen.
Es geht nicht um Behörden, Politiker, „Promis“ etc.!
Jedem, der mir möglicherweise entsprechende Hinweise zusenden möchte, wird schon für den Erstkontakt Vertraulichkeit zugesichert. Ich bin nämlich auch für Informationen dankbar, die in dieser Form noch nicht verwendet werden dürfen.
Bleibt noch die Frage nach der Intention.
Zunächst interessiert mich einfach, wie weit verbreitet das Phänomen ist.
Zum anderen könnte eine entsprechende Zusammenstellung vielleicht zu einer Diskussion in der Branche führen.
Mit „intentionalem Journalismus“ habe ich zwar eigentlich wenig am Hut. Schließlich sollen wir einfach Orientierungsangebote für unsere Kunden machen, nicht die Welt in eine bestimmte Richtung verändern (wollen).
Aber im Medienjournalismus dürften die Schnittmenge zwischen allen Rezipienten und Journalisten so groß sein, dass es legitim sein sollte, konkret Kolleginnen und Kollegen Informationen anzubieten, die für sie nützlich sind.
Diese Recherche ist ein Langzeit-Projekt. Es geht also nicht um eine einmalige Bestandsaufnahme, sondern um ein Monitoring, um das ich mich zumindest ein Jahr lang kümmern werde – und dann sehen wir weiter.
Für Rückfragen oder eine erste Kontaktaufnahme zu möglichen Hinweisen benutzen Sie bitte am liebsten das Kontaktformular. Aber es geht natürlich auch auf allen anderen Wegen.
Besten Dank.
Timo Rieg