Eine Meldung, die sich nur wenige Medien entgehen lassen wollten: Die Slowakei führt ein Tempolimit für Fußgänger ein.
>Während in Deutschland über ein Tempolimit auf Autobahnen diskutiert wird, geht die Slowakei noch viel weiter: Dort müssen sich künftig auch Fußgänger an eine Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Das sieht eine Novelle des Verkehrsgesetzes vor, die das Parlament in Bratislava am Dienstagnachmittag beschloss. Demnach darf man sich künftig auf Gehwegen im Ortsgebiet nicht schneller als mit sechs Kilometern pro Stunde fortbewegen. Das Gesetz tritt mit 1. Januar 2026 in Kraft.< (Spiegel, archivierte Version)
Bei so einer kuriosen Nachricht könnte man natürlich als Journalist mal auf die Idee kommen, eine verlässliche Quelle für die Aussage zu finden, nämlich das beschlossene Gesetz. Wie genau soll das geregelt sein, welche Sanktionen sind vorgesehen?
Es hätte beim Spiegel auch jemanden eine Ungereimtheit auffallen können, als folgende Begründung in die News aufgenommen wurde:
Befürworter verwiesen jedoch darauf, dass Autofahrer nicht rechtzeitig anhalten könnten, wenn jemand unerwartet schnell über einen Zebrastreifen laufe, und dass auch Fußgänger an vielen Zusammenstößen mit Rollerfahrern mit schuld seien.<<
Wenn doch das Tempolimit für Fußgänger „auf Gehwegen im Ortsgebiet“ gelten soll, kann es kaum das Laufen über Zebrastreifen erfassen.
Nun, die Meldung stellte sich als Ente heraus. Die Tempobegrenzung soll tatsächlich nur „für Skater, Scooter- und E-Rollerfahrer sowie Radfahrer, die in der Slowakei auch die Gehwege nutzen dürfen“, gelten.
In der Süddeutschen Zeitung (SZ) wurde über die Auswirkungen reichlich spekuliert:
Aber muss es [das Tempolimit] wirklich auch für Fußgänger gelten? Wäre es nicht besser, ihnen (wie zum Beispiel in Deutschland) die Bürgersteige wieder komplett zu überlassen? Und was ist mit denen, die zu Fuß nur vier Kilometer pro Stunde schaffen? Werden die dann angezeigt, weil sie zwischen Bäckerei und Metzger den Verkehrsfluss behindern?
Handelt es sich beim plötzlichen Herausspringen von Passanten aus Büschen oder Parkanlagen um ein flächendeckendes Phänomen in der Slowakei? Ist es nicht doch eher die generelle Überflutung von Bürgersteigen mit unterschiedlich schnellen Fortbewegungsmitteln, welche zum Beispiel auch in Deutschland das eigentliche Problem darstellt? An quasi jeder Ecke einer Großstadt droht doch ständig der Zusammenstoß mit Tonnen-E-Bikes, Rollkoffern, Einkaufstrolleys, Kinderfahrrädern, Eltern-Taxis, urinierenden Haustieren, startenden und landenden Video-Drohnen, Rentnern an Rollatoren, Vätern in Multifunktionsanzügen, ausgelassenen Schülerhorden auf Miet-Rollern, Rohrreinigern, Paketboten, Zeitungsausträgern sowie Angestellten der Müllabfuhr.< (SZ)
Die SZ hat ihrem Text später eine Anmerkung hinzugefügt:
>Anmerkung der Redaktion: Am Mittwochabend stellte der Abgeordnete Ľubomír Vážny, der den Gesetzesentwurf formuliert hatte, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen STVR klar, dass die Kritik und Scherze auf einem Missverständnis beruhten. Es drohe kein Tempolimit für Fußgänger, sondern für alle anderen, die sich auf Gehwegen bewegten. Zuvor hatten politische Debatten den Eindruck erweckt, ein Tempolimit würde auch für Fußgänger gelten.<
Damit ist halt leider der ganze vorherige Text obsolet geworden.
Der Spiegel hat seine Meldung auch nach einer Woche nicht korrigiert oder um einen Hinweis auf den Quatschgehalt versehen. Offenbar schläft dort die KI.
PS: Ebenfalls bisher unkorrigiert bei Focus, Merkur (Zusatz: „Kein Scherz“), Auto Motor und Sport (mit Umfrage), Augsburger Allgemeine (Glosse). Bild korrigierte laut URL mit: „Slowakei rudert zurück“.