Archiv der Kategorie: Außenspiegel

Reklame für den Rundfunkbeitrag bei der Tagesschau

Tagesschau.de berichtet in eigener Sache – nämlich über den angemeldeten Finanzbedarf der ARD, aus dem sich die Rundfunkgebühr ab dem Jahr 2025 ergeben soll (zusammen mit ZDF, Deutschlandradio und Arte). Doch statt eines journalistischen Stücks präsentiert die führende öffentlich-rechtliche Nachrichtenmarke Public Relations für das eigene Haus. Eine Medienkritik bei Telepolis.

ZDF-Intendant räumt Fehler ein, korrigiert aber nicht transparent

Auch wenn es satirischer Journalismus war: der erste Beitrag der Reihe „Till to go“ vom ZDF hatte massive Qualitätsmängel. Denn er führte die Zuschauer auf vielfältige Weise in die falsche Richtung. Wir haben darüber Anfang August ausführlich berichtet, mit mehreren Updates: „Absurde Verdrehungen in der heute-Show„. Auf einen konkreten Fehler haben wir das ZDF drei Mal hingewiesen, der Sender blieb jedoch bei seinen Falschbehauptungen. Erst eine formale Programmbeschwerde hat dazu geführt, dass das ZDF, vertreten durch seinen Intendanten, zwei Fehler eingeräumt hat – allerdings nur in einem Schreiben an den Beschwerdeführer, nicht öffentlich. Die Falschbehauptung im Filmbeitrag bleibt bestehen, die Zuschauer werden nicht aktiv darauf hingewiesen, dass ihnen nicht nur Quatsch, sondern schlicht die Unwahrheit erzählt wurde. Denn ein zweiter Fehler erwies sich als vorsätzlich begangen – man kann also auch von einer Lüge sprechen. Warum die ZDF-Pressestelle auf Fragen und Hinweise so lange nicht reagiert hat, bleibt auch ungeklärt.

Eine Eintrag auf der eigenen Korrekturen-Seite des ZDF erfolgte trotzt erneuten Hinweises nicht (jedenfalls bisher 20 Tage lang).

Siehe zur Programmbeschwerde:Journalistisches Sträuben gegen Richtigkeit“ (Telepolis).
Siehe zum konkreten Fall mit allen Updates: „Absurde Verdrehungen in der heute-Show“ (SpKr)

Letzte Aktualisierung: 24. April 2023

Reichelt bei Krömer bei der SZ

Titel: Schlechtes Kunststück.
Untertitel: „Chez Krömer“ und das öffentlich-rechtliche Fernsehen lehren in einer Art Schaustück: Wie man Ex-„Bild“-Boss Julian Reichelt nicht interviewen sollte
Autoren: Laura Hertreiter/ Nele Pollatschek
Medium: Süddeutsche Zeitung, 15.11.2022, S. 19
(Online-Fassung: Wie man Julian Reichelt besser nicht interviewt)
Genre: Rezension (Fernsehsendung)

Unsere Medienkritik: Erkenntnisdesinteresse

Zusammenfassung: Die Autorinnen Laura Hertreiter und Nele Pollatschek werfen der Figur Kurt Krömer vor, Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt in seiner Sendung „Chez Krömer“ eine Bühne geboten zu haben, was Aufmerksamkeit generiere und so dafür sorgen könnte, dass Reichelt „bald wieder ganz gut ins Geschäft einsteigen“wird. Weiterlesen

Einäugige Medienkritik

Aus den vielen, vielen Ungleichbehandlungen im Corona-Journalismus (siehe  laufende Serie bei Telepolis) hier ein Beispiel: Die Süddeutsche Zeitung schneidet eine statistische Darstellung so, dass der echte Maßstab nicht mehr optisch zu erkennen  ist, sondern abgelesen und ‚vor dem geistigen Auge‘ angepasst werden muss, Twitter-Post:

Soweit, so normal-desorientierend. Wir warten jetzt aber darauf, dass die professionelle Medienkritik dies ebenso anprangert wie in Fällen, da ihr das Ergebnis der Manipulation mutmaßlich weniger gefällt, wie etwa BILD-Blog.


Weiterlesen

Mehr Reflexion und Forschung zur Corona-Berichterstattung

War die zurückhaltende, kritiklose Berichterstattung über die politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie journalismusethisch gerechtfertigt? Welche Nebenwirkungen hat die starke Fokussierung auf das eine Thema in allen Medien? Wie gut macht die journalistische Medienkritik derzeit ihren Job? Ein Gespräch mit dem Medienethiker Prof. Dr. Christian Schicha:
„Kritik ist immer erlaubt und wichtig“

Medienbereinigung: Seehofer raus aus den News

Journalismus soll seinen Kunden durch Informationsangebote bei der Orientierung helfen – eine Binsenweisheit. Dass dies unterschiedlich gut gelingt, ist auch selbstverständlich.

Leider gibt es immer wieder auch flächendeckendes Versagen beim journalistischen Auftrag – und die Medienkritik hat u.a. auf solches über den Einzelfall hinausgehende Misslingen zu fokussieren.Nicht selten kann man die Desinformationsgeschwader schon lange Zeit ihres Anflugs vernehmen, weit bevor sie ihre Nebelbomben werfen. Vielleicht sollte die Medienkritik stärker vorwarnend tätig werden – und wenn sie den Medienkurs nicht beeinflussen kann wenigstens die Rezipienten in die Bunker schicken.

Eine solche Vorwarnung muss man in Punkto Bundesinnenminister Horst Seehofer spätestens heute aussprechen. Was immer in den nächsten Wochen und Monaten, die er noch Chef einer riesigen und sehr bedeutsamen Behörde ist, an Forderungen erhebt, an Vorschlägen verlautbart, eben Politik-PR veranstaltet: es ist es nicht wert, darüber auch nur ein Wort zu verlieren. Jede Meldung, jeder Kommentar zu Äußerungen Horst Seehofers sind eine intellektuelle Beleidigung, eine zeitraubende Desinformation.

Denn ein Bundespolitiker, der 100 schiffbrüchige Flüchtlinge zu einem europäischen Problem erhebt, für das es eine „europäisch-solidarische Lösung“ brauche, der dieses Kaspertheater nicht exklusiv für den erlauchten Kreis seiner Berufsgenossen aufführt, sondern damit in die Medienöffentlichkeit drängt, wer also nicht in der Lage ist, eine Banalität zu regeln, von dem kann, soll und darf man keine öffentliche Debatten sinnvoll bereichernde Geistesblitze erwarten. Es entspricht dem journalistischen Auftrag der Orientierung, künftig nur noch relevante Tätigkeiten des Bundesinnenministeriums zu vermelden, dessen austauschbaren Chef jedoch komplett zu ignorieren.

Man muss nicht in den Chor der sich moralisch überlegen gebenden „Refugees welcome“-Sänger einsteigen, um Seehofers Verhalten gegenüber den Menschen auf zwei kleinen Rettungsschiffen im Mittelmeer erbärmlich zu finden. Es ist katastrophal genug, dass die EU überhaupt vor einem „Problem“ stehen kann, wenn 100 Schiffbrüchige irgendwo aufgenommen werden müssen. In jedem Fall aber ist es die Aufgabe von Politikern bzw. Beamten und Angestellten der Exekutive, solche „Probleme“ schnell und souverän zu lösen, ohne damit den Souverän zu behelligen. Wenn diese gigantische Ministerialbürokratie schon überfordert ist, weil 100 Migranten nicht planmäßig entweder von Küstenwachen zurückgeholt worden oder im Mittelmeer abgesoffen sind, um nicht an den Außengrenzen der EU zum Problem zu werden, dann möchte man als Bürger den ganzen Popanz auflösen, in die Wüste schicken oder auf den Mond schießen. Als Journalist jedenfalls hat man zu erkennen, dass Horst Seehofer nicht ernsthaft eine Person sein kann, deren politische Ideen dem Rest der Bevölkerung mitzuteilen sind. Jede weitere Meldung, was Seehofer will oder nicht will, fordert, oder anbietet, ist eine gewaltige Despektierlichkeit gegenüber den Rezipienten.

Wenn Seehofer sich dennoch weiter mitteilen möchte, gibt es dafür reichlich Wege. Journalistische Medien dürfen dafür nicht mehr zur Verfügung stehen.

Satire ist kein Fake

Es war ja klar, dass seit dem 19. Dezember 2018 alles mögliche „Fake“ und „Relotius“  ist. Dass der Skandal zu diversen Grundsatzdiskussionen führt, ist ein schöner Nebeneffekt. Was dabei aber alles durcheinander gerät, ist unschön.

So haben diverse Professoren die Gelegenheit genutzt, ihr Credo zu beten, es gebe keine Objektivität im Journalismus, keine Wahrheit, keine Richtigkeit, weil ja alle Wahrnehmung nur Konstruktion von Wirklichkeit sei. Michael Meyen: schreibt:

Objektivität, Trennung von Nachricht und Meinung, Neutralität, Unabhängigkeit, Vielfalt, Ausgewogenheit: Solche Kriterienkataloge sind verräterisch, weil sie etwas versprechen, was niemals einzulösen ist, und so die Selektivität verdecken, die jede Berichterstattung ausmacht (vgl. Lippmann 2018: 293).

All diese Kriterien bestreiten keineswegs Selektivität der Berichterstattung, sie sollen sie viel mehr begründen helfen. So wie „Transparenz“, die Meyen (mit vielen anderen) als Ersatz für den Objektivitätsmythos empfiehlt. Aber das wird ein anderes Mal genauer zu verhandeln sein, das Thema läuft uns bestimmt nicht weg, zu viele universitäre Jobs hängen davon ab, dass diese Debatte nicht endet.

Problematischer, weil ohnehin selten betrachtet, ist die Ausdehnung des Fake-Begriffs auf die Satire. Oder eben: das Verkennen von Satire als Fake. Weiterlesen

SPIEGEL vertuscht Mord an Steingart als Sturz

Pressemitteilungen abzutippen ist kein Journalismus. Pressemitteilungen bei einer Tasse Kaffee weiterzuspinnen auch nicht. Geeignete Pressemitteilungen aus dem großen Angebot der PR auszuwählen, das könnte schon etwas mit Journalismus zu tun haben: wenn das Wichtige aus der Masse des Unwichtigen gefischt wird, wenn Fakten gegenüber Spekulationen und Forderungen bevorzugt werden, wenn durch Publikation eines Fertigtextes die Kunden immerhin etwas „orientierter“ sein könnten also ohne.

Wir alle wissen: das schnelle Blabla steht in den Medien vor der Information, oder anders gesagt: es werden Ereignisse so inszeniert, dass man Berichte über sie als Information deklarieren kann. Blabla ist dabei sehr einfach zu entlarven: Alles, was ohne Mangel auch hätte unveröffentlicht bzw. (heute treffender) unkolportiert bleiben können, steht unter Blub-Verdacht. Tratsch halt.

„Hast du schon gehört, der Gabor Steingart soll ja gefeuert werden, weil er so einen bösen Text über diesen Martin Schulz geschrieben hat.“ Sinngemäß so kolportieren es heute alle Medien, die sich offenbar für nachrichtenrelevant halten. Wenn der Spiegel das doch so sagt

Dabei ist diese Spekulation doch völlig irrelevant. Wen interessiert, was der Spiegel zu wissen glaubt, der kaufe sich diese Illustrierte oder lese auf der zugehörigen Website. Wer sich hingegen als Journalist (m/w) mit eigenem Kopf versteht, der hinterfragt die Spiegel-PR und deren Thema: Kann das sein? Soll es möglich sein, dass ein Herausgeber und Geschäftsführer gefeuert wird, weil seinem Verleger die Wortwahl in einem Newsletter nicht gefällt? Soll es möglich sein, dass ein Spitzenpolitiker, um den es in dem Text geht, einen solchen Kotau annimmt, anstatt empört aufzuschreien, er wolle mit einem solch eklatanten Eingriff in die (innere) Pressefreiheit nichts zu tun haben? Und ist es möglich, dass vom Medienmainstream Totgesagte sterben (müssen), eben weil sie von allen bereits für tot erklärt worden sind?

Um zu prüfen, bei wem welche Tassen aus dem Schrank gefallen sind, sollte man den Text von Gabor Steingart mal lesen. Wegen der Bedeutung (und dem unterlassenen Zitieren in den meisten „Berichten“ zur „Causa Steingart“) hier komplett (Hervorhebungen von SpKr, Hervorhebungen des Originals nicht übernommen):

Innerhalb der SPD hat ein bizarrer Machtkampf begonnen. Der mittlerweile ungeliebte Parteichef Martin Schulz will den derzeit beliebtesten SPD-Politiker, Außenminister Sigmar Gabriel, zur Strecke bringen und an dessen Stelle im Ministerium Quartier beziehen. Das Duell wird nach den Regeln des Parteienkampfes ausgetragen, also im Verborgenen. Besondere Raffinesse wird dabei vor allem von Schulz verlangt, da er sich nicht beim Mord an jenem Mann erwischen lassen darf, dem er das höchste Parteiamt erst verdankt.

Der Tathergang wird in diesen Tagen minutiös geplant. Der andere soll stolpern, ohne dass ein Stoß erkennbar ist. Er soll am Boden aufschlagen, scheinbar ohne Fremdeinwirkung. Wenn kein Zucken der Gesichtszüge mehr erkennbar ist, will Schulz den Tod des Freundes aus Goslar erst feststellen und dann beklagen. Die Tränen der Schlussszene sind dabei die größte Herausforderung für jeden Schauspieler und so auch für Schulz, der nichts Geringeres plant als den perfekten Mord.
Einzig sein Angstschweiß verrät ihn. Noch zaudert er. Wird das Publikum sein Alibi überhaupt akzeptieren? In ruhigen Minuten kommen dem ehemaligen Buchhändler, ohne dass er sich dagegen wehren kann, wahrscheinlich die mahnenden Worte des Schriftstellers Franz Grillparzer in den Sinn: „Allen Sündern wird vergeben“, schrieb der einst, „nur dem Vatermörder nicht“.

Spiegelkritik ist mal als „SPIEGEL-Watchblog“ gestartet. Das wurde recht schnell eintönig, weil die Kritik an der Hamburger Illustrierten immer wieder aufs Gleiche zielen muss: Meinungsmache statt Information. Nicht nur mit Titeln und Themen, die ganze berümt-berüchtigte „SPIEGEL-Sprache“ ist davon durchdrungen. Und der kurze Artikel auf Spiegel.de, der nun von allen journalismusbefreiten Medien nachgebetet wird, ist ein Paradebeispiel dafür. Dass Steingart mal eine große Nummer beim SPIEGEL war – geschenkt, es braucht für eine launige Story keine Verschwörungstheorie.

Vier Autoren werden für den kurzen Text benannt. Und dann dies:
+ Keine akzeptable Quelle für die Informationen, die hier gerade über die Reputation eines Kollegen entscheiden dürften. „Dem Vernehmen nach“…
+ Fertige Meinung statt Einladung zur Meinungsbildung über den kritisierten Steingart-Text. Von diesem werden nur Schlagworte wiedergegeben, aber natürlich wertend eingeordnet:

„Steingart fabulierte vom ‚perfekten Mord‘. Der ‚Tathergang‘ werde minutiös geplant.“

+ Keine Quelle für den (angeblichen) Brief von Steingarts Verleger an Martin Schulz, nur ein sehr kurzes Zitat. Was steht noch in dem Brief? Liegt er den Autoren vor? Warum wurde er durchgestochen?
+ Keine Stellungnahme von Schulz. Das ist doch das eigentliche Thema (Querelen in einer Firma gibt es überall, ob die nun Handelsblatt heißt oder „Roberts Rohrreinigung“). Schulz würde doch eine solche Entschuldigung angeekelt zurückweisen – andernfalls wäre DAS die Story.
+ Warum kein Statement von Steingart, sondern nur/ direkt von seinem Anwalt (der nichts sagt)?
+ Steingarts „Kampagne gegen den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz“ sei „umstritten“ – welche Kampagne, mit welchen Argumenten von wem wo umstritten?

Ganz ernsthaft: Den Steingart-Text kann man zu blumig oder „drastisch“ finden (der SPIEGEL als Oberschwadronaut darf dies allerdings gerade nicht  siehe auch Update unten), aber das ist Geschmacksfrage. Wenn ein Journalist (egal welcher Hierarchiestufe) einen Text wie diesen nicht mehr schreiben darf und wenn Politiker für einen solch harmlosen, jedenfalls unter allen Aspekten zulässigen Kommentar eine Entschuldigung akzeptieren, dann kann man sich nur angewidert abwenden.

Ganz ernsthaft: Steingart soll gefeuert werden, weil er das Politiktheater mit einem Theater vergleicht und weil er in seinem Stück einen Parteisoldaten töten lässt?

Ganz ernsthaft: #nichtdafür Weiterlesen

Böse BILD bleibt böse BILD

Die „Lügenpresse“ ist ja angeblich der Journalismus, der ideologisch orientiert Fakten auswählt, die berichtet werden, und ebenso ideologisch eben verschweigt, was „ihm“ nicht in den Kram passt. Soweit, so bekannt – und tausendfach verlacht.

Doch wie sieht es aus, wenn nicht die Lügenpresse-Zensoren am Werk sind, sondern die ganze freie, offene, diskussionsfreudige Internet-Community? Lässt sich denn hier ein Interesse an der „Wahrheit“, an der (erreichbaren) Vollständigkeit von Informationen erkennen? Und sind die „neuen“ Kommunikationswege dabei den (ideologisch) gescholtenen „Holz-Medien“ irgendwie einen Schritt voraus?

Ein kleiner, aber – zumindest auf Papier – sehr reichweitenstarker Fall sollte Medienkritiker verwundern:

Am Nachmittag des 18. Januar 2018 kritisiert der freie Journalist Martin Eimermacher auf Twitter einen BILD-Zeitungsbericht über die Beziehung eines 46-jährigen Mannes zu einer 14-Jährigen.

17-jähriger Syrer hat Beziehung mit 14-jährigem Mächen: BILD rastet tagelang aus
46-jähriger Deutscher hat Beziehung mit seiner 14-jährigen Nichte: Romantische Lovestory

Der Beitrag bekommt rund 6.600 Likes, wird 2.700-mal weiterverbreitet. Solch seltenen Erfolg wünscht man sich auf Twitter.

In der Nacht legt Eimermacher nach und spricht den BILD-Chefredakteur direkt an: Weiterlesen