Archiv der Kategorie: Handwerk

Paul Ehrlich Institut erfasst keine Abrechnungsdaten zu Impfnebenwirkungen

Nicht erst “Fake-News” sind ein Problem in der öffentlichen Kommunikation – vorsätzliche Falschbehauptungen gibt es wenige und sie sind meist schnell entlarvt. Bedeutsamer dürften die vielen kleinen Fehler in der Berichterstattung sein, um die wir uns daher immer  mal wieder in diesem Blog kümmern. Brigitte Fehrle von der “Relotius-Kommission” des Spiegel sagte damals: “Die am weitesten verbreitete Manipulation ist im Übrigen nicht das Hinzuerfinden, sondern das Weglassen.”

Nachdem ich über einen kleinen Fehler in einem Bericht des Tagesspiegel gestolpert bin, hat ein genauerer Blick noch ein paar weitere Schwachstellen gezeigt. Daher erfolgt mal wieder eine Textautopsie: “Chef der Krankenkasse „BKK ProVita“ bezweifelt Impfdaten – und muss jetzt gehen” vom 2. März 2022; ähnliche Formulierungen wie die hier diskutierten finden sich in zahlreichen Beiträgen. Aus urheberrechtlichen Gründen sind wie immer Passagen ohne Anmerkungen ausgespart. Weiterlesen

“Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung”

Zahlreiche Medien haben bewusst den Corona-Kurs der jeweiligen Landesregierung unterstützt. Das hat der Geschäftsführer des Schweizer Medienunternehmens Ringier in kleiner Runde für alle Blätter seines Verlags als Strategie erklärt. Wörtlich sagte CEO Marc Walder bereits am 3. Februar 2021 beim «Inspirational Talk», wie erst jetzt vom Nebelspalter publik wurde: Weiterlesen

Alles auf den Tisch? Um Gottes Willen, nicht doch!

Eine Gruppe Kulturschaffender möchte über das Pandemiemanagement sprechen. Quasi als Auftakt hat die Gruppe 55 Gespräche veröffentlicht. Um was geht es darin, welche Positionen werden vertreten, über was wird gestritten? Wir schauen uns eine dpa Meldung dazu an. Weiterlesen

Tagesschau Faktencheck checkt’s nicht

Viele Journalisten können Tatsachen und Meinungen nicht unterscheiden. Das thematisieren wir immer wieder hier im Blog, weil es immense Auswirkungen hat. Um ein Beispiel aus dem vielfältigen Versagen bei der Corona-Berichterstattung zu nennen (genauer eben: bei der Recherche): In vielen Beiträgen findet sich die Angabe, wieviele oder dass einzelne Menschen aufgrund ihrer schweren Covid-19-Erkrankung “beatmet werden müssen“. Die Beatmung selbst ist ein Fakt, ihre Notwendigkeit hingegen eine Meinung. Auch wenn es umständlicher klingt, ist die einzig richtige Formulierung: Menschen werden beatmet (bzw. ihre Ärzte glauben, dass eine Beatmung notwendig sei). Wer aber nicht erkennt, dass die Entscheidung für die Beatmung eine Meinung und kein Faktum ist, der kann das genau in dieser Meinung möglicherweise liegende Problem gar nicht recherchieren. Weiterlesen

Vorsätzliche Unvollständigkeit

“Die am weitesten verbreitete Manipulation ist im Übrigen nicht das Hinzuerfinden, sondern das Weglassen.” Das sagte Brigitte Fehrle, Mitglied der Relotius-Untersuchungskommission des SPIEGEL, letztes Jahr in einem Interview (journalist 7/2019, S. 36-40) und bestätigt damit, was Watchblogs wohl seit Jahren dokumentieren. Eine Unvollständigkeit, die wir hier immer wieder anprangern müssen, ist das Fehlen von Updates. Beiträge, die sich zumindest im Nachhinein als falsch, fragwürdig oder verzerrt darstellen, bleiben meist unverändert online, bis irgendwann vielleicht ein erlösender Relaunch alle alten Beiträge aus dem Web oder zumindest aus den Suchmaschinen verbannt. Aktuelles Beispiel: die ZEIT von gestern. Weiterlesen

Journalismus auf dem Mietendeckel

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat den “Mietendeckel” beschlossen – und wie schon in den letzten Monaten der Diskussion um das Gesetz äußern sich viele journalistische Kommentatoren kritisch. Eine gute Gelegenheit, mal wieder genauer hinzuschauen auf die Argumentations-Qualität. Um das Ergebnis soll es möglichst wenig gehen (wenngleich meine eigene Position kein Geheimnis ist), sondern um die journalistische Orientierungsleistung, die auch ein Kommentar zu erbringen hat. Das folgende Beispiel von Spiegel.de ist allerdings nicht als Kommentar ausgezeichnet, es ist ein Bericht – allerdings ein sehr einseitiger. Wie üblich und rechtlich geboten ist nur so viel Text aus dem Original zitiert, wie für die Analyse notwendig. Weiterlesen

Polizeijournalismus gesucht

Der Berliner Tagesspiegel wirbt in seinem heutigen Newsletter folgendermaßen für einen Artikel:

>>die Unfallmeldungen der Polizei klingen oft wie aus der Perspektive des verständnisvollen Beifahrers geschrieben: Der Autofahrer „konnte einen Zusammenstoß nicht mehr verhindern“, „nicht mehr rechtzeitig bremsen“, „nicht mehr ausweichen“. Die Radfahrerin oder der Fußgänger dagegen „wurde touchiert“, „erfasst“, „stürzte“ oder „kam unter den Wagen“. Warum das so ist, ob das so bleiben muss und weshalb es nicht einfach heißt „Autofahrer rammte Radfahrer“ oder „Raser fuhr Fußgänger über den Haufen“, darüber sprach Checkpoint-Autor Stefan Jacobs mit der Polizei. Sein Text im Tagesspiegel ist einer der meistgelesenen dieser Woche.<<

Im Artikel kommen Polizei und die Fußgängerlobby “FUSS e.V.” zu Wort. Als Problem werden die Polizeimeldungen identifiziert, als wären die verbreitenden Medien diesen machtlos ausgeliefert. Journalismus kommt nur am Rande vor, nämlich in Form der Kontrollstelle Deutscher Presserat.

Sicherlich kann man thematisieren, in welcher Form Behörden Informationen direkt verbreiten, auf Twitter, Facebook, Instagram. Medienmagazine tun dies allerdings meist sehr eigennützig aus Sorge um ihre Rolle als Informationsvermittler.  Doch das elementare Problem der “Verharmlosung”, genauer und unvoreingenommener gesagt: das Problem der Parteilichkeit entsteht nicht durch Pressemitteilungen der  Polizei, sondern durch deren unreflektierte, recherchefreie  Weiterverbreitung durch den Medien. Alle falschen Skandalisierungen der letzten Jahre entstanden durch die Kolportage von Behördenmeldungen: Wir erinnern an die Inszenierung von Hitzacker (für die sich bis heute kaum ein Medium entschuldigt hat); oder an die schön von Bastian Berbner (ZEIT) aufbereitete Medienerfindung vom Mädchen verfolgenden Mob in einem Kieler Einkaufszentrum (Podcast; ZAPP bei Youtube; Erstbericht Kieler Nachrichten, bis heute ohne Update darunter).

Hier im Blog haben wir deshalb schon vor einiger Zeit zur Diskussion gestellt, wie Journalisten mit Pressemitteilungen der Polizei umgehen sollten. Unstrittig sein dürfte: Ohne eigene Recherche ist die Weiterverbreitung von Behörden-Mitteilungen schlicht PR, nicht Journalismus. Weiterlesen

ZEIT-Artikel ein PR-Stück?

“Das vielleicht spannendste neue Projekt dieser Art in Österreich ist der Wohnrechtskonvent 2019”,

schreibt Walter Osztovics in der Österreich-Ausgabe der ZEIT (34/2019). “Bürger an die Macht” heißt sein Stück, das verschiedene Bürgerkonsultationen in Europa kurz vorstellt. Neben dem spannenden Wohnrechtskonvent erwähnt der Autor noch eine prophetische “Arena Analyse 2019”, “eine Studie, die auf Expertenbefragungen beruht” und “jährlich vom Wiener Beratungsunternehmen Kovar & Partners in Zusammenarbeit mit der ZEIT und dem Standard durchgeführt” wird. Und eine “relativ neue Software” findet Platz, “eComitee”, denn:

“Die Digitalisierung liefert das Werkzeug, um [Bürgerbeteiligung] auch im großen Maßstab umsetzen zu können”

– beim “Wohnrechtskonvent” etwa wird “eComitee” eingesetzt.

“Die Entwicklung von eComitee ist ein Joint Venture von Kovar & Partners und Univ.-Prof. Dr. Peter Reichl, Professor an der Fakultät für Informatik der Universität Wien”,

womit der Kreis innovativer “Bürger an die Macht”-Projekte geschlossen ist, wenn wir noch irgendwoher erfahren, dass Autor Walter Osztovics Co-Geschäftsführer von “Kovar & Partner” ist.

Der ZEIT-Autor, zu dem es weder in der gedruckten Ausgabe noch online einen biografischen Hinweis gibt, schreibt also über seine eigenen Projekte und wertet munter drauf los, ohne dass diese Betroffenheit erwähnt wird.

Johanna Schacht, Pressesprecherin der Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co KG, schreibt uns auf Anfrage heute Nachmittag:

“Nach Rücksprache mit den verantwortlichen Redakteuren möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir den fehlenden Transparenzhinweis zu dem von Ihnen zitierten Artikel bedauern. Wir werden ihn online nachträglich ergänzen.”

Diese Ergänzung ist heute noch nicht geschehen. Und es ist fraglich, ob es mit einer Autoreninformation getan ist, oder ob – zumal unter dem schönen Titel “Bürger an die Macht” – nicht einfach ein PR-Stück erschienen ist.  Weiterlesen

Korinthe (91): Gevatter Kroetz

Wozu den Lesern einst unmittelbare Kommentarmöglichkeiten gegeben wurden, weiß der Henker, vermutlich einfach nur, weil da plötzlich jene Technik war. Mit Kommunikation hat diese  “Interaktivität”  jedenfalls nichts zu schaffen, Redakteure bleiben von allen Communitydebatten ungerüht.
Wozu Online-Medien überhaupt Dinge schreiben, fragt man sich weitergehend stets, wenn einen der Verdacht beschleicht, selbst die Mitarbeiter der eigenen Firma interessierten sich nicht die Bohne dafür. Tagelang, wochenlang, für Jahre und Ewigkeiten steht irgendein Nonsens als Netzjournalismus rum, ohne dass es irgendwen kümmert (Beispiel unten). Weiterlesen

Autopsie: “Diskriminierung an Berliner Schulen verdoppelt”

„Die am weitesten verbreitete Manipulation ist nicht das Hinzuerfinden, sondern das Weglassen”, sagte Brigitte Fehrle kürzlich dem “journalist“, als eine der Erkenntnisse aus ihrer Arbeit in der Relotius-Aufklärungskommission des SPIEGEL Aus unserer langjährigen medienjournalistischen Arbeit können wir bestätigen: der vorsätzliche Fake ist das geringste Problem der  Presse. Schauen wir uns daher in unserer losen Autopsie-Serie einen eher belanglos wirkenden Beitrag von Spiegel-Online (SpOn) an:

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