Archiv der Kategorie: Medienrecht

Auskunftsfreudigkeit von Behörden

“Schicken Sie uns doch bitte eine E-Mail mit Ihren Fragen” sagt die Mitarbeiterin der Behörden-Pressestelle freundlich am Telefon. Erbeten, erledigt – und dann tut sich lange Zeit nichts. Ein Standard-Setting bei Recherchen, zumindest wenn sich Journalist und Behördensprecher noch nicht kennen. Auskünfte sind nicht selten Glückssache: Pressesprecher sind nicht zu erreichen, E-Mails kommen in den Behörden nicht an und der Zettel mit der Rückrufbitte ist leider untergegangen.

Dabei sind Auskünfte keine Good-Will-Sache. Staatliche Verwaltungsstellen müssen nach den Pressegesetzen der Länder Fragen von Journalisten beantworten, die sich auf Tatsachen und Vorgänge der entsprechenden Behörde beziehen.
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Sanktionen für Informations-Verweigerer

netzwerk recherche fordert Stärkung der Recherchefreiheit und Abschaffung des “fliegenden Gerichtsstands” (Pressemitteilung)

Ausbau eines Akteneinsichtsrechts, eine schnellere Bearbeitung von journalistischen Anfragen und die Abschaffung des “fliegenden Gerichtsstands” – mit diesen Forderungen schloss am Sonntag die Presserechts-Konferenz der Journalistenvereinigung netzwerk recherche e.V. (nr) beim Erich-Brost-Institut in Dortmund.

Auf der Konferenz tauschten sich Journalistinnen und Journalisten über die Auskunftspflichten staatlicher und quasi-staatlicher Einrichtungen und über die Bedrohungen der Pressefreiheit durch die Behinderung der journalistischen Arbeit aus.

Dabei wurde deutlich, dass sich viele Behörden nach wie vor verweigern, den rechtlich garantierten Auskunftsansprüchen zu genügen. “Behörden konzentrieren sich gern auf Informationen, die sie in einem guten Licht erscheinen lassen”, so nr-Vorstandsmitglied David Schraven. “Deshalb fordern wir ein Akteneinsichtsrecht für Journalisten, damit die von einer Behörde gegebenen Auskünfte überprüft werden können.”

Ein Akteneinsichtsrecht gibt es gegenwärtig bereits bei Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und dem Umweltinformationsgesetz (UIG). Doch auch hier versuchen Ministerien und Behörden immer wieder, Antworten auf legitime Anfragen von Journalisten in der Tradition des “Amtsgeheimnisses” abzulehnen oder hinauszuzögern. Wie Teilnehmer der Konferenz berichteten, engagieren Ministerien oftmals hochbezahlte Anwaltskanzleien, um sich der Anfragen nach IFG oder UIG zu entledigen. “Offensichtlich soll der oft jahrelange Rechtsstreit die Journalisten zermürben”, so David Schraven. Deshalb fordere netzwerk recherche, dass Anfragen in der gesetzlich vorgesehenen Zeit bearbeitet werden. Um eine unsachgemäß lange Bearbeitung zu verhindern, müssten Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden.

Die Konferenz begrüßte die Pläne der Bundesregierung, wonach Journalisten in ihrer Arbeit künftig nicht mehr wegen der “Beihilfe zum Geheimnisverrat” strafrechtlich verfolgt werden können. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Dr. Max Stadler, hatte die Pläne auf der Konferenz vorgestellt. Er sagte den Teilnehmern der Konferenz zu, auch die weiteren Anliegen der Journalisten zur Änderung des Medienrechts zu prüfen.

Zentral war hier die Forderung nach Abschaffung des “fliegenden Gerichtsstands”. Betroffene sollten künftig nur noch die Wahl zwischen zwei Gerichtsständen haben, so David Schraven. Für Unterlassungsansprüche gegen Medien sollte neben dem Gericht, in dessen Bezirk das Medienunternehmen seinen Sitz hat, nur das Gericht zuständig sein, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen (Wohn-)Sitz hat. Die heutige Praxis des “fliegenden Gerichtsstands” führe hingegen zu einem regelrechten “Gerichte-Hopping”, so Schraven. “Waren Anwälte von Betroffenen bei einem Gericht erfolglos, stellen sie ihren Antrag in leicht abgewandelter Form beim nächsten Gericht – bis sie eine Kammer finden, die die Verfügung erlässt.”

Außerdem müsse das Einstweilige-Verfügungs-Verfahren zur Verhinderung von Medienberichten so gestaltet werden, dass das betroffene Medium eine faire Chance erhält, sich gegen den Unterlassungsantrag zur Wehr zu setzen. Dazu gehöre, dass das Gericht bei seiner Entscheidung in jedem Falle den Vortrag beider Parteien berücksichtigt. Einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung müsse daher immer eine mündliche Verhandlung vorgeschaltet sein.

Die Konferenz fand in Kooperation mit dem Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus und dem Westdeutschen Rundfunk sowie mit Unterstützung des Bundesministeriums der Justiz statt.

Freund und Helfer LPG & IFG (1)

Die Landespressegesetze (LPG) wie auch die Informationsfreiheitsgesetze (IFG) auf Bundesebene und in den meisten Ländern*) sind – theoretisch – Freund und Helferin der Journalisten. Spiegelkritik verweist in loser Folge auf Höhen und Tiefen der Recherchepraxis mit diesen gesetzlichen Mitteln.

taz-Redakteur Sebastian Heiser wollte im Mai 2009 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sehr dezidiert wissen, was sich hinter einer Ausschreibung zu Stromlieferungen für Liegenschaften in Berlin verbirgt. Es ging ihm vor allem darum, welche Behörden Strom aus regenerativen Quellen einkaufen, welche auf dieses Merkmal verzichten und um wie viel teurer der Ökostrom ist.

Die Bundesanstalt antwortete binnen fünf Tagen umfangreich, aber nicht vollständig. Auf erneute Nachfrage beharrte die Behörde darauf, dass “der Inhalt abgegebener Angebote und insbesondere die jeweilige Preisgestaltung dem Gebot der vertraulichen Behandlung” unterliegen. Als Sebastian Heiser erneut für seinen Informationsanspruch argumentierte, teilte das Amt mit: “Vertragsinhalte [sind] grundsätzlich als Geschäftsgeheimnis der hiesigen Vertragspartner zu werten. Diese Geschäftsgeheimnisse sind jedenfalls als ‘schutzwürdiges privates Interesse’ im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3, 2. Alt. Landespressegesetz NRW anzusehen.”

Daraufhin reichte Heiser Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht in Köln ein und beantragte, ihm die Frage zu beantworten: “Wie viel Cent pro Kilowattstunde kostet der Strom, den die Beklagte mit einer am 28. Februar 2009 veröffentlichten europaweiten Ausschreibung eingekauft hatte.” Dieser einfachen Frage folgen fünf Seiten juristische Begründung, die Heiser selbst geschrieben hatte. Die Gegenseite hingegen beauftragt eine große Kanzlei, deren Briefkopf zwei Drittel der Seite füllt, so viele Rechtsanwälte listet sie auf – was durchaus Eindruck schinden kann.
Doch die Kanzlei geht nicht auf die Klageschrift ein, sondern bittet um einen Monat Fristverlängerung für eine Stellungnahme. Einen Tag vor Ablauf der vom Gericht gewährten neuen Frist beantragt die Kanzlei weitere vier Wochen Aufschub, da weitere Rücksprachen mit Beteiligten notwendig seien.

Kurz vor Ablauf dieser neuen Frist meldet sich die Kanzlei direkt bei Sebastian Heiser – und liefert die gewünschte Information. Die beteiligten Unternehmen hätten inzwischen zugestimmt, die Klage habe sich damit wohl erübrigt. Allerdings lagen zwischen der ersten Anfrage und der letzten Information nicht nur fünf Monate, sondern auch eine Bundestagswahl am 27. September 2009.
Heiser hätte die Informationen gerne vor der Wahl gehabt.

Mehr zum Fall Heiser: “die Bundesstromklage” (pdf)

(Mehr zum Auskunftsrecht für Journalisten im Medienmagazin “journalist” November 2010)

*)= Informationsfreiheitsgesetze gibt es bisher in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie auf Bundesebene.

Pressefreiheit und Polizei

Das Haller Tagblatt feiert das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim als klaren Sieg für die Pressefreiheit – doch man sollte das schriftliche Urteil abwarten. Denn die vom Gericht vorgeschlagene Alternative zum Presseverbot ist Pressezensur.

Einem Mitarbeiter der Lokalredaktion des Haller Tagblatts war im März 2007 von der Polizei verboten worden, einen SEK-Einsatz in der Innenstadt von Schwäbisch Hall zu fotografieren  (siehe: Presse und Polizei).

Der VGH Mannheim sah in dem absoluten Fotografiergebot nun einen unverhältnismäßig schweren Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit – und zeigt einen seiner Ansicht nach maßvolleren Weg auf, der uns staunen lässt. In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

“Der Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff – etwa durch Angehörige der sog. russischen Mafia – auf die gefertigten Bildauf-nahmen aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der SEK-Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein können, kann im Regelfall – ohne dass es eines Fotografierverbots bedarf – dadurch wirksam begegnet werden, dass der Pressevertreter um die vorübergehende Herausgabe des Speichermediums bis zu einer gemeinsamen Sichtung der gefertigten Aufnahmen durch Presseunternehmen und Polizei aufgefordert wird. Eine solche Vorgehensweise wäre auch hier möglich gewesen. Zeigt sich der Pressevertreter insoweit nicht kooperationsbereit und verweigert die Herausgabe, kommt eine vorübergehende Beschlagnahme des Speichermediums in Betracht. Die Beschlagnahme ist in diesem Fall gegenüber einem Fotografierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel, weil sie eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglicht. Die Polizei wäre im Falle einer Beschlagnahme verpflichtet, zeitnah in Kooperation mit dem Presseunternehmen über die Speicherung, Bearbeitung, Veröffentlichung und ggf. Löschung der gefertigten Aufnahmen zu entscheiden.”

Die Beschlagnahme von journalistischem Fotomaterial aus Sorge um eine Verletzung des “Rechts am eigenen Bild” ist nicht etwa die Ultima Ratio, sondern selbst nach Auffassung von juristischen Polizeiausbildern grundsätzlich unzulässig.  Warum?

1. Das Recht am eigenen Bild bezieht sich nur auf Veröffentlichungen, nicht auf die Entstehung eines Fotos. Andernfalls wäre das Fotografieren im öffentlichen Raum praktisch gar nicht mehr möglich.

2. Aus dem, was Journalisten fotografieren, lässt sich weder vom Presselaien (Polizei) noch von einem versierten Kollegen prognostizieren, was später wie veröffentlicht wird. Zunächst sind Fotos schlicht Recherchematerial. Und das unterliegt dem Schutz der Pressefreiheit.

3. Die Polizei trifft damit eine Entscheidung, die nur den Gerichten zusteht – nach entsprechender Aufklärung des Sachverhalts.

4. Die Veröffentlichung von Fotos kann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen. Aber selbst wenn dem so ist, kann sie bei der gerichtlichen Abwägung der konkurrierenden Grundrechte hinter der Pressefreiheit zurückstehen und muss dann hingenommen werden.

5. Bei der Gefahrenabwehr im Zivilrecht wird die Polizei nur auf Antrag des Betroffenen tätig. Wenn die Presse bei Polizeieinsätzen zugegen ist, ist der Betroffene die Polizei selbst. Der Polizist, der eine Kamera beschlagnahmt, weil er befürchtet, die darin von ihm vorhandenen Bilder könnten in gesetzeswidriger Weise veröffentlicht werden, wird also für sich selbst tätig. Dass Betroffene hierbei halbwegs objektiv bleiben, ist kaum vorstellbar.

Die vom VGH vorgeschlagene Prozedur, nach der die Presse zunächst ungehindert fotografieren darf und danach verpflichtet werden kann, die Bilder von der Polizei sichten und quasi freigeben zu lassen, klingt grotesk. Zwar kommt genau dies in Einzelfällen vor – es ist aber mitnichten besser als ein absolutes Fotografierverbot. Denn wenn die Polizei selbst entscheidet, welche Bilder von ihren Aktivitäten veröffentlicht werden dürfen, manipuliert sie die Berichterstattung (siehe: Bilder nach Art des Hauses). Dann kann auch gleich die Polizeipressestelle ihr genehme Selbstinszenierungsfotos herausgeben.
Aber gut, warten wir mal die Urteilsbegründung ab.

Kleines Abmahnlexikon

Abmahnung: Freundlicher Hinweis, dass man etwas falsch gemacht habe und dieses künftig zu unterlassen sei. Verbunden ist die Abmahnung meist mit der Aufforderung, eine “strafbewehrte Unterlassungserklärung” zu unterschreiben. Kommt die Abmahnung von einem Rechtsanwalt und ist sie berechtigt, kostet sie etwas Geld.

Unterlassungserklärung / Verpflichtungserklärung: Versprechen, etwas nicht mehr zu tun oder gerade zu tun. Typischer Fall: man verpflichtet sich, eine bestimmte Sache nicht mehr zu behaupten oder ein Bild nicht mehr zu veröffentlichen. Die Verpflichtung kann zusätzlich eine Richtigstellung umfassen. Damit das Versprechen auch rechtswirksam wird, muss es auch die Zahlung eine Strafe enthalten für den Fall, dass man sich nicht daran hält. Die Höhe kann direkt benannt werden (“5.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung”) oder offen bleiben und dann im Einzelfall festgesetzt werden (“eine in das billige Ermessen der Unterlassungsgläubigerin gestellte, ggf. vom zuständigen Gericht zu überprüfende Vertragsstrafe”).
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Petition für kostenlose Abmahnstufe

Beim Bundestag steht eine Petition für eine kostenlose Vorstufe bei einer Abmahnung zur Unterzeichnung. Der Text ist sehr kurz (und daher noch nicht ausgereift). Die Beschränkung auf “Abmahnungen im Internet” etwa ist nicht nachzuvollziehen. Aber von der Richtung her ist die Sache unterstützenswert. (Der Petent twittert übrigens bisher fast ohne Followers, wen das Anliegen also stärker interessiert …)

Presseverbot bei SEK-Einsatz geht zum VGH Mannheim

(Zurück aus den Betriebsferien beginnen wir mit einer kleinen Pressemitteilung des Zeitungsverlag Schwäbisch Hall, dessen Fall uns schon von Anfang an interessiert: )

“Der Rechtsstreit des Verlags des Haller Tagblatts mit dem Land Baden-Württemberg, in dem es um das Recht auf freie Berichterstattung bei Polizeieinsätzen geht, kommt vor den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Hintergrund ist ein Fotografierverbot, das der Einsatzleiter eines Sondereinsatzkommandos der Bereitschaftspolizei gegen zwei Mitarbeiter des Haller Tagblatts ausgesprochen hatte. Der Verlag sieht darin eine Behinderung der freien Berichterstattung; er verklagte das Land beim Verwaltungsgericht Stuttgart, das am 18. Dezember 2008 die Klage abgewiesen und Berufung nicht zugelassen hatte.

Nunmehr hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als übergeordnete Instanz auf Antrag des Verlags die Berufung und damit die vollumfängliche Überprüfung des Urteils zugelassen. In dem Beschluss des ersten Senats, dem der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs angehört, heißt es, die Berufung sei „wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zuzulassen“. Dies sei bereits dann der Fall, wenn der Ausgang des Verfahrens, um dessen Zulassung es gehe, offen sei. Der Termin für die Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof steht noch nicht fest.”