Volksverpetzer phantasiert über die Wahrheit

Weil der Blog „Volksverpetzer“ gerade etwas präsenter als gewöhnlich in den Medien ist, nachdem er selbst publik gemacht hat, vom zuständigen Finanzamt die Gemeinnützigkeit entzogen bekommen zu haben, mal ein Hinweis auf aktuelle Desinformation derer, die sich „Fakten-Jünger“ und „Anti-Fake-News-Blog“ nennen.

Am 9. Mai 2024 postete Volksverpetzer auf X:

>Die Schwurbler haben jetzt „enthüllt“, was alle, die sich auch an 2021 und 2022 erinnern können, mitbekommen haben. Sie erfinden einfach nur noch einen Pseudo-Skandal nach dem anderen. Übrigens war mit 1G „getestet“ gemeint, Impfstatus egal. #Lauterbach<

Dem eingefügten Screenshot nach bezieht sich diese Darstellung auf einen Bericht der Berliner Zeitung (und andere offenbar „Schwurbler“) zu den Protokollen des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Weiterlesen

„Große Koalition“ beerdigen

„Söder präferiert nach Bundestagswahl große Koalition mit SPD“ titelt der Tagesspiegel. Angesichts der letzten realen und der prognostisch künftigen Wahlergebnisse sollte der Begriff „Große Koalition“ endlich beerdigt werden. Die Zeiten eines Drei-Parteien-Parlaments, in dem es eben zwei große und einen kleinen Player gab, sind längst vorbei.

Derzeit kommt die SPD im Bund auf 16%, ebenso wie die AfD, die Grünen stehen bei 15%. Für eine „Große Koalition“ findet die Union (derzeit: 32,5%) schlicht keinen Partner. „Groß“ wäre dann allenfalls noch eine Koalition aus besonders vielen Parteien zu nennen – bzw. eine, die deutlich (und mehr als nötig) über einer 50% Parlamentsmehrheit liegt.

Was wer wissen muss (Korinthe 93)

Schon in nachrichtlichen Texten gehört zur Vollständigkeit jeder News eine ihre Relevanz begründende Einordnung – auch wenn dies regelmäßig unterbleibt. Aber schon die tägliche Polizeimeldung in der Lokalzeitung vom Verkehrsunfall braucht diesen Kontext: War der vermeldete der einzige Unfall am Vortag oder einer von vielen? War der Unfall ein statistisches Unikat oder ein erwartbares, nur nicht genau zu terminierendes Ereignis?

In Kommentaren gehört zur Einordnung die eigene faktische Position, von der aus Vorgänge bewertet werden.

In der Spiegel-Kolumne „Die Lage am Morgen“ fragt Philipp Wittrock am 12. April 2024, wer dem AfD-Politiker Björn Höcke abnehmen wolle, „dass er, der Geschichtslehrer, nicht gewusst haben will, dass »Alles für Deutschland« eine SA-Parole ist?“ Weiterlesen

Updates zu „Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus“

Das Working-Paper „Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus – Eine kommentierte Fallsammlung“ (DOI: 10.13140/RG.2.2.13364.01927) wurde am 8. Februar 2023 veröffentlicht und anschließend drei Mal aktualisiert, zuletzt am 26. Juli 2024. Weitere Updates sind nicht geplant. Hinweise auf Neuerungen zum Thema gibt es dann ggf. hier.

Eine Sammlung von medienkritischen Zitaten und Literatur zum Corona-Journalismus gib es in einem eigenen Blog-Post, der nicht mehr erweitert wird. Weiterlesen

Framing statt Berichterstattung

DJV-Blog korrigiert intransparent

Die journalistische, also kollegiale Reaktion auf einen Reformaufruf für den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), „Meinungsvielfalt jetzt“  fiel vor allem kommentierend auf – und wenig berichtend. Dass ausgerechnet bei einem solchen Medienthema Journalisten selbst wieder meinen, den Diskussionston angeben zu müssen, anstatt zunächst einmal nach sachlicher Berichterstattung die Reaktionen des (also: ihres) Publikums abzuwarten, zeigt wohl schon einen wesentlichen Teil des Problems. Weiterlesen

Bauern-Protest und demokratische Kultur in der Tagesschau

Die Tagesschau präsentiert zum heutigen Beginn der „Bauernproteste“ online als erste Meldung:

>Forscher, Verfassungsschützer und Politiker warnen: Extremisten unterwandern zunehmend Demos. Von den Landwirten fordern sie eine klare Abgrenzung. Wenn an Traktoren Galgen hängen, sei eine Grenze überschritten, so Minister Habeck.<

Entgegen der Ankündigung im Teaser kommen jedoch nur ein Forscher und ein Verfassungsschützer im Beitrag zu Wort. Nach welchem Kriterium die beiden ausgewählt wurden, wird nicht dargelegt. Damit ist u.a. völig unklar, ob ihre Positionen als repräsentativ für ihr Metier gelten können – was bei dem Allgemeinbegriff „Forscher“ schon an sich unmöglich wäre. Eine Vielfalt an Perspektiven kann so keinesfalls aufgezeigt werden, womit das Qualitätskriterium der Vollständigkeit tangiert ist.

Denn was der zitierte Forscher Matthias Quent (Institut für demokratische Kultur, Hochschule Magdeburg-Stendal) vorträgt, sind vor allem Bewertungen, ja konkrete Handlungsempfehlungen: Weiterlesen

„Fall Gil Ofarim“ ist mal wieder ein „Fall Skandalisierungsjournalismus“

BILD, 6. Oktober 2021, Seite 3, mit Tatsachenbehauptung im Titel

Nach einem Geständnis hat das Landgericht Leipzig das Strafverfahren gegen Gil Ofarim vorläufig eingestellt. Der Sänger hatte vor zwei Jahren einen Hotelmitarbeiter öffentlich via Instagram beschuldigt, ihn antisemitisch diskriminiert zu haben. Nun räumte er ein, damals die Unwahrheit gesagt zu haben, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorgeworfen hatte. Die Lügengeschichte des Sängers Gil Ofarim war keine Bagatelle, doch zu einem Skandal wurde sie nur durch das Interesse von Journalisten an eben einem solchen. Siehe ausführlich: Gil Ofarims Geständnis führt den Vorverurteilungs-Journalismus vor Weiterlesen

Lesebeute: „Gefälligkeitsjournalismus“ beim Spiegel

Übermedien hatte im September 2023 über Nähe des freien Spiegel-Autors Andreas Haslauer zu seinen journalistischen Gesprächspartnern berichtet. Nun hat Autorin Lisa Kräher nochmal beim Hamburger Blatt nachgefragt, Demnach habe der Spiegel nachträglich „bei sechs Reiseberichten von Haslauer einen fehlenden Transparenzhinweis ergänzt“ (alle Beiträge sind kostenpflichtig). Die Übernahme von Übernachtungskosten des Reporters durch einem Tourismus-Verband in einem Fall sei dem Spiegel nicht bekannt gewesen. Ferner schreibt der Spiegel zur Frage nach einem reaktionslos gebliebenen Leserhinweis laut Kräher: „Dass wir dem Hinweis auf Gefälligkeitsjournalismus nicht sofort nachgegangen sind, bedauern wir sehr.“

Die frei zugängliche Geschichte bei Übermedien: „Nach Interessenkonflikten: ‚Spiegel‘ plant nicht mehr mit seinem Autor“ (8. November 2023)

Personalpolitik des Bayerischen Rundfunks per Twitter

Die öffentlich-rechtlichen Sender Bayerischer Rundfunk und Arte haben am Wochenende öffentlich verkündet, mit dem Journalisten und Moderator Malcolm Ohanwe nicht mehr zusammenzuarbeiten. Anlass waren wohl Äußerungen auf X/ Twitter zu den Angriffen der Hamas auf Israel.

Beide Sender machten die Personalentscheidung zwar öffentlich, lieferten aber keine für eine Beurteilung notwendigen Fakten. Stattdessen präsentierten sie ein Dauerproblem des Journalismus: Meinungen und Tatsachenannahmen statt Fakten.

So schrieb Arte am Samstagabend auf Twitter/X: Weiterlesen