Der folgende Beitrag von Marc Röhlig, Spiegel-Online kann stellvertretend für tausende solcher Artikel es Corona-Journalismus stehen. Wir stellen in erster Linie Fragen zur Argumentation. Dass sich der Beitrag auf Äußerungen des Bundesgesundheitsministers im Bayerischen Rundfunk stützt, steht dem nicht im Wege. Denn den BR-Beitrag gibt es ja bereits, journalistisch neu kann daher gerade nur die Beantwortung von relevanten Fragen sein. Zudem gibt es wieder Unrichtigkeiten (mindestens drei). Weiterlesen
Autopsie: Das Ende der Maskenpflicht naht
Als Beispiel für die anhaltenden Probleme des Corona-Journalismus wird nachfolgend eine längere, ungekürzte Artikel-Passage auf Qualitätsdefizite hin untersucht. Die Passage entstammt dem Artikel “Das Ende der Maskenpflicht naht” von Deniz Aykanat, Thomas Balbierer, Johann Osel und Lisa Schnell (Print vom 23.11.2022, online seit 22.11.2022, jedoch datiert auf 23.11.). Diskussion bzw. Hinweise zu den Befunden sind wie immer willkommen. Weiterlesen
Die Suche nach der Suche
Ein zentrales Problem der Gegenwart ist die mit der Digitalisierung einhergehende Macht der Programmierer (oder Entwickler). Wir können keine Spülmaschine starten, keine Steuererklärung abgeben, keinen GKV-versicherten Arztbesuch machen, ohne von Launen, Hybris und Spieltrieb der Programmierer abhängig zu sein. Am simplen Beispiel Spülmaschine verdeutlicht: so ein Ding ist an Primitivität kaum zu überbieten. Es propellert Wasser durch den Spülraum, das dabei mehrmals gewechselt, erhitzt und mit Geschirrreiniger versehen werden kann. Am Ende können die für die Wassererwärmung vorgesehenen Heizstäbe noch für die Trocknung genutzt werden. Was also will der Spülmaschinenbesitzer steuern? Genau diese Parameter: Länge des Reinigungsvorgangs, Anzahl der Wasserwechsel und Temperatur des Spülwassers. Dafür kann man drei oder vier Schalter anbieten, und es ist jede Kombination möglich. Sobald aber ein Programmierer seine Finger anlegt, ist es damit vorbei. Nun werden Programme ersonnen, die bestimmte Einstellungen festgelegt und unabänderlich kombinieren. Darin besteht nun absolut kein Vorteil, es ist ausschließlich eine Reduktion von Möglichkeiten. Auf eine Frage nach solch speziellen Kombinationsmöglichkeiten bei der Heizung sagte der Heizungsfachmann wörtlich: “Das geht nicht, Sie sollen da auch gar nichts dran machen, das ist eine intelligente Heizungsanalge, die macht das schon alles optimal.” Wer noch einen Rest Würde besitzt verbittet sich natürlich, eine Heizung “intelligent” zu nennen. Weiterlesen
Reichelt bei Krömer bei der SZ
Titel: Schlechtes Kunststück.
Untertitel: „Chez Krömer“ und das öffentlich-rechtliche Fernsehen lehren in einer Art Schaustück: Wie man Ex-„Bild“-Boss Julian Reichelt nicht interviewen sollte
Autoren: Laura Hertreiter/ Nele Pollatschek
Medium: Süddeutsche Zeitung, 15.11.2022, S. 19
(Online-Fassung: Wie man Julian Reichelt besser nicht interviewt)
Genre: Rezension (Fernsehsendung)
Unsere Medienkritik: Erkenntnisdesinteresse
Zusammenfassung: Die Autorinnen Laura Hertreiter und Nele Pollatschek werfen der Figur Kurt Krömer vor, Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt in seiner Sendung “Chez Krömer” eine Bühne geboten zu haben, was Aufmerksamkeit generiere und so dafür sorgen könnte, dass Reichelt “bald wieder ganz gut ins Geschäft einsteigen”wird. Weiterlesen
Vom Lesen und Verstehen
“Wer lesen kann, ist klar im Vorteil” sagt der Volksmund, wenn jemand eine Frage oder Behauptung äußert, weil er eine hilfreiche Information nicht richtig oder gar nicht gelesen hat. In diesem das Verstehen einschließenden Sinne des Lesenkönnens haben gerade Journalisten manchmal erstaunliche Defizite.
Heute: Armin Wolf’s Guerot-Zitat (ORF, ZIB2) und der Medien-Nachklapp
Wolf teilt einen Auszug des Buches “Endspiel Europa” von Ulrike Guérot und Hauke Ritz, den er allerdings nicht dem Buch, sondern einem Auszug im Blog Multipolar entnimmt. Leicht wenigstens am deutschen Urheberrecht vorbeischrabbend leitet er das lange Zitat mit folgendem Kommentar ein:
Nein, das ist kein Ausschnitt einer Putin-Rede. Es ist ein Auszug aus dem neuen Buch einer Professorin für Europapolitik an der Uni Bonn und ihres Co-Autors: (@ArminWolf)
Es dürfte der erste Satz seines Auszugs sein, auf den seine Putin-Gleichstellung abzielt: Weiterlesen
Der Staat im Stuhlkreis
Die journalistischen W-Fragen lauten Was, Wer, Wo, Wann, Wie, Warum und Woher (stammen die Aussagen). Die demokratischen W-Fragen lauten: Wer will was von wem wozu warum.
Wenn es in einem Artikel mal wieder um 200 Milliarden Euro geht, darf man erwarten, dass diese Fragen zumindest gestellt und die Antwortsuche dokumentiert wird. Aber Pustekuchen bei der Süddeutschen Zeitung. Sie titelt: Weiterlesen
Eine Razzia am Morgen vertreibt …
Was ist die wesentliche Nachricht, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft das Wohnhaus eines Prominenten durchsucht haben? Dass einfach irgendwas beim Promi los ist und man mit dem Namen Neugierde wecken kann? Dass die vorangegangene mediale Skandalisierung medial erntebare Früchte trägt und sich die bisherige Verdachtsberichterstattung bewährt? Oder dass die Unverletzlichkeit der Wohnung stets nur so lange gilt, bis von Social- oder Nachrichtenmedien etwas beanstandet wird? Weiterlesen
Sozialtourismus in der journalistischen Notaufnahme
Über das journalistische Geschäftsmodell der Skandalisierung wird schon seit Jahrzehnten gesprochen. Und ja, derzeit erscheint es besonders ausgeprägt, besonders gegenwärtig und längst nicht mehr auf kommerzielle Medien begrenzt: von einer ganzen “hysterischen Gesellschaft” ist dann die Rede, was unmittelbar mit hysterischer Empörung ob des diskriminierenden Begriffs geahndet wird. Nun erscheint heute ein Buch der beiden Medienphänomene Harald Welzer und Richard Precht, das sich jedenfalls auch mit dem Skandalisierungsgeschäft des Journalismus befasst – und das seit Monaten ungelesen selbst skandalisiert wird. “Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist” heißt das Buch (S. Fischer Verlag, 22 Euro). Andreas Rosenfelder kommentiert zur Medienreaktion:
>Unendlich viel peinlicher aber ist das Reiz-Reaktions-Schema der beleidigten Medienblase, die gar nicht mehr bemerkt, dass sie auch im Falle von ‘Die vierte Gewalt’ jene routinierte Erregungs-, Verhöhnungs- und Ausschlussmaschinerie anwirft, von der das Buch handelt – und die schon an so vielen Migrations-, Corona- oder Ukraine-‘Skeptikern’ erprobt wurde.<
Dem ist fast nichts mehr hinzuzufügen – außer Praxisbeispiele (auch wenn die Hoffnung, mit Argumenten eine öffentliche Debatte beeinflussen zu können, nur noch sehr, sehr klein ist*).
Fall: “Sozialtourismus”
Friedrich Merz hat als CDU-Oppositionsführer des Bundestags in einem Gespräch mit BILD gesagt (auf die Frage, ob man in Krisen mit einer restriktiveren Flüchtlingspolitik arbeiten müsse): Weiterlesen
Faktenfinder zum Sturm auf den Reichstag vom Gesetzgeber offline genommen
Die 3-in-1-Medienkritik:
- Von der beispielhaften Auskunftsbereitschaft im NDR
- Falschbehauptung im ‘größten deutschen Online-Magazin für Juristen’
- Autopsie eines Tagesschau-Faktenfinders
Ausgerechnet diejenigen, die beruflich anderen Menschen Fragen stellen, antworten besonders ungerne auf ebensolche: Journalisten. Und die extra zur Auskunftserteilung beschäftigten Pressesprecher bei Medienunternehmen sind auch nicht kooperativer.
Wobei die Auskunftsfreudigkeit von Behörden, die im Gegensatz zu Journalisten und ihren Firmen i.d.R. zur Presseauskunft verpflichtet sind (nach den Landespressegesetzen, Bundesbehörden mangels gesetzlicher Regelungen als Ausfluss von Art. 5 GG) regelmäßig ebenfalls deutlich unter dem ist, was man als kooperatives Level verstehen könnte.
Im Zuge einer medienjournalistischen Recherche (zum konkreten Thema am Ende noch ausführlich) stieß ich beiläufig darauf, dass ein mir bereits bekannter Text aus der Reihe “Faktenfinder” von Tagesschau.de nicht mehr online stand. Der Link zu diesem Beitrag vom 31. August 2020 (13:08 Uhr) wird auf die Startseite umgeleitet, im Juni 2022 war er jedoch laut Archive.org noch verfügbar. Ungeachtet inhaltlicher Fragen war dies merkwürdig, da andere Faktenfinder-Artikel rund um dieses Datum im Archiv noch verfügbar sind, sogar zum gleichen Thema vom selben Tag.
Also fragte ich am 18. August 2022 bei der Redaktion via Kontaktformular nach. Es gab, wie so oft [1], keine Antwort. Nach zwei Wochen Geduld kontaktierte ich die NDR-Pressestelle. Schon wenige Stunden später antwortete am 2. September Iris Bents (Zitat vollständig bis auf Anrede und Grußformel): Weiterlesen
Vom Unterschied des Worts in Text und Ton
Schriftliche Interview-Fassungen weichen in der Regel vom tatsächlich geführten Gespräch ab: Es werden nicht nur ein paar “Ähs” getilgt und ins Nichts mäandernde Sätze umgeleitet, oft wird sehr umfangreich zusammengefasst, gekürzt, fokussiert. Dabei wollen nicht nur die Interviewten gerne noch im Nachhinein ihre Brillanz stärker zum Leuchten bringen, auch die Interviewer hübschen ihr Wissen, ihre Fragen und ihre Schlagfertigkeit gerne etwas auf. Der in Deutschland immer wieder diskutierte Abschluss dieser Nach- und Umbearbeitungen heißt Autorisierung: der Interviewte muss die ihm zugeschriebenen Aussagen freigeben. Das ist bei einem Live-Interview weder möglich noch nötig, aber sobald Veränderungen am Original vorgenommen werden ein logisches Korrektiv. (Und eine solche Autorisieurng hat nichts mit einer Freigabe von eigenständigen Berichten zu tun!)
Wie weit Original (Audio) und veröffentlichte Form (meist Text) auseinander liegen können sehen wir gelegentlich, wenn beides veröffentlicht wurde, z.B. die Diskussion von Böhmermann, Lanz und di Lorenzo über “False Balance” und desinformierende Meinungen. Weiterlesen