Schlagwort-Archive: Autorisierung

Vom Unterschied des Worts in Text und Ton

Schriftliche Interview-Fassungen weichen in der Regel vom tatsächlich geführten Gespräch ab: Es werden nicht nur ein paar “Ähs” getilgt und ins Nichts mäandernde Sätze umgeleitet, oft wird sehr umfangreich zusammengefasst, gekürzt, fokussiert. Dabei wollen nicht nur die Interviewten gerne noch im Nachhinein ihre Brillanz stärker zum Leuchten bringen, auch die Interviewer hübschen ihr Wissen, ihre Fragen und ihre Schlagfertigkeit gerne etwas auf. Der in Deutschland immer wieder diskutierte Abschluss dieser Nach- und Umbearbeitungen heißt Autorisierung: der Interviewte muss die ihm zugeschriebenen Aussagen freigeben. Das ist bei einem Live-Interview weder möglich noch nötig, aber sobald Veränderungen am Original vorgenommen werden ein logisches Korrektiv. (Und eine solche Autorisieurng hat nichts mit einer Freigabe von eigenständigen Berichten zu tun!)

Wie weit Original (Audio) und veröffentlichte Form (meist Text) auseinander liegen können sehen wir gelegentlich, wenn beides veröffentlicht wurde, z.B. die Diskussion von Böhmermann, Lanz und di Lorenzo über “False Balance” und desinformierende Meinungen. Weiterlesen

Pressköppe

Pressefreiheit ist immer wieder ein Thema bei Spiegelkritik. Wenn den Medien der Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen verwehrt wird, wenn Behörden Zitate vor Veröffentlichung frei geben wollen, wenn die Polizei meint, willkürlich entscheiden zu dürfen, was (über ihre Arbeit) berichtet wird und was nicht, dann fühlen wir uns auf den publizistischen Plan gerufen.
Allerdings ist auch recht schnell alles Wesentliche dazu gesagt. Es wiederholt sich dann fortan nur. Um dies zu vermeiden, hier eine Sammlung attraktiver Pressefreiheitsfeinde (wir führen in dieser Übersicht die prominenten Akteure / Gruppen – unabhängig davon, ob letztlich ein Management oder sonstwer Gegenstand der verlinkten Probleme ist):

Starke Einschränkungen für Fotojournalisten gibt es bei:
* Bon Jovi (DJV)
* Coldplay (DJV)
* Katie Melua (DJV)
* Rammstein (Protest Hamburger Konzertfotografen)
* Robbie Williams (DJV)
* Sasha (Interview)
* Tom Jones (DJV)

Weitere Artikel auf Spiegelkritik hierzu: Druckt schwarze Kästen (Interview) – Bilder nach Art des Hauses (journalist) – Pressefreiheit und Polizei

Ferner – unter dem Stichwort “Panoramafreiheit”:
* Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (RA Marion Janke; DJV)
* Zeche Zollverein Essen (Bonner Presseblog; Schockwellenreiter)

In Textbeiträge eingreifen wollen gerne:
* Unheilig (Weser-Kurier)

Kompliziert bei der Interview-Autorisierung:
* Götz George (“Es gilt das gestrichene Wort”, Neue Osnabrücker Zeitung)
* Die Managerin von Florian Silbereisen (bewahrt ihn davor, Dinge gesagt zu haben) (Trierischer Volksfreund)
* Til Schweiger (am Beispiel neuer Tatort, meedia)

Einzelne Journalisten werden ausgesperrt bei:
* Fußballverein TSV 1860 (aufgrund vorangegangener missliebiger Berichterstattung) (BJV; Kicker); im November 2016 sperrte 1860 sogar gleich alle Journalisten aus und erteilte ihnen Hausverbot (tz)

Grundsätzliches zum Thema:
* Übersichtsartikel im Weser-Kurier (9. Dezember 2010)
* Privatzensur: Individualschutz vs. Pressefreiheit
* Einzelne Zitate sollten Journalisten nie autorisieren lassen (siehe: Informanten-Hinweise Journalistenbüro Bochum, Info”kasten” unten)
* Auf ein ganz anderes Thema sei in diesem Zusammenhang noch verwiesen: die Weigerung vieler Medien, Autoren und Fotogragfen wie nach dem Urheberrechtsgesetz vorgeschrieben mit ihrem Namen zu nennen.
* Süddeutsche Zeitung über die Entstehung eines Interviews mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mai 2015)

Info”kasten”:

* Freie Journalisten sollten schon bei der Recherche darauf verzichten, sich als Mitarbeiter oder Autor eines bestimmten (renommierten) Mediums auszugeben. Das bringt Chancengleichheit für alle und klingt nicht nach dem Versprechen, es werde auch in einem bestimmten Medium ein Beitrag erscheinen.

* Freie Journalisten sollten bei Akkreditierungen kein Medium nennen, für das sie arbeiten oder Beiträge planen. “Das geht den Veranstalter schlicht nichts an”, meint z.B. Hendrik Zörner, Pressesprecher des DJV. Außerdem wächst damit die Gefahr, dass Veranstalter bei den Redaktionen Einfluss auf die Berichterstattung nehmen.

* Verträge, die in ihr Urheberrecht eingreifen oder sie für unkalkulierbare Folgeverwertungen haftbar machen wollen, sollten Journalisten nie unterschrieben. Hier ist auch die Solidarität der Medienschaffenden untereinander gefordert, um Qualität und Unabhängigkeit zu sichern. Massenhafter Boykott sei die einzig wirksame Gegenwehr, ermutigt etwa der BJV.

* Zitatfreigaben sind eine Unsitte, die den Journalisten auch nach einem Recherchegespräch noch vom Gutdünken des Befragten abhängig macht und ihm bereits vor Veröffentlichung Einblick in den Beitrag gibt. Nachträglich geschönte, geglättete oder angereicherte Zitate sind, so sie nicht als solche kenntlich gemacht werden, eine Verzerrung der Wirklichkeit. Wer auf Zitatfreigabe pocht, sollte einfach gar nicht zitiert werden. Die erhaltenen Informationen kann man gleichwohl – so sie wahr sind – verwenden. “Zitatfreigaben bürgern sich immer mehr ein, aber man sollte da auf keinen Fall mitmachen”, sagt Zörner.

(Letzte Aktualisierungen: 28. Oktober 2012; 5. März 2017)