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stern.de als Steigbügelhalter für Selbstdarsteller in Verbrecher-Milieu

Dass sich Journalisten echaffieren, was sie wenige Tage zuvor doch für unreflektierten Quark Aufmerksamkeit heischend verbreitet haben – eine alte Nummer (Stichworte: Gladbecker Geisel-Drama, Amoklauf von Ganzegal). Dass sich Journalisten aber schon während ihrer Berichterstattung über eben diese ihr Haupt schütteln, ist eine interessante und eher neue Spielart. Es geht nicht um die übliche Heuchelei: “Wir haben uns in der Redaktion lange überlegt, ob wir Ihnen diese Bilder zeigen dürfen…”

stern.de attestiert sich Geschmacklosigkeit - denn ohne Publikum wäre Oliver Pochers Aktion keine Aktion gewesen. Stern.de hat nämlich – wie einige andere Medien – beim heutigen Prozessauftakt in der Causa Kachelmann in Mannheim einen falschen Kachelmann entdeckt: Oliver Pocher nutzte die hungrige Medienmeute für einen kleinen Clown-Auftritt. (Und auf diesen hat die Medienmeute auch gewarte – denn was soll es von einem ersten Prozesstag zu berichten geben, was man nicht schon wüsste, ahnte oder ohnehin nicht wissen will?)  Doch nicht nur, dass stern.de Pocher Geschmacklosigkeit vorwirft für eine Satirepraxis, die zumindest Martin Sonneborn großes und bedächtiges Kopfnicken eingetragen hätte*), – die Online-Redaktion echauffiert sich mit einer ganzen Bilderstrecke über Pochers unanständige Promotion-Aktion.

*)= Es wäre zumindest hilfreich die Bewertungskriterien offen zu legen, nach denen Pocher ein reiner Selbstdarsteller ist und kein genialer Satiriker, der mit den Beutereflexen der Medien spielt.

Süddeutsche bläst Fliegenschiss groß auf

Gestolpert sind wir über den “TV-Pfarrer”. Oh Gott. Der Begriff wird ja nur für den einen verwendet, und es ist jedesmal ärgerlich. Denn Jürgen Fliege ist kein “Fernsehpfarrer”, sondern Unternehmer, Publizist, Moderator – was auch immer (sonst wäre Stefan Raab wohl Fernsehmetzger und Merkel Pysikpolitikerin). Aber es klingt halt so lustig und ist auch so gemeint, ohne dass jemals irgendein Nährwert damit verbunden wäre.

Und diesmal geht es um etwas, das wirklich niemanden interessieren muss: Fliege hat Ärger mit einem gekauften Grundstück. Soll vorkommen. Tausendfach täglich. Sueddeutsche.de tritt den einen Fall breit:

Den Verkäufer hat er verklagt und den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten: Das Areal ist nämlich um eine Winzigkeit zu klein, um bebaut werden zu dürfen.

Die Geschichte ist, wenn auch ein wenig süffisant aufgemacht und dabei natürlich abzielend auf Häme, Bedauern, Empörung – ganz nach Gusto -, nichts für eine journalistische Berichterstattung. Sie ist dämlicher Klatsch.

Wir treten hier bei Spiegelkritik ja immer wieder für die Pressefreiheit ein, die auch gerade nicht von Privatzensur angetastet werden darf. Und für juristische Gegenwehr darf der Artikel auch keine Grundlage bieten. Nur: je mehr solcher Blödsinnstexte erscheinen, um so schwerer wird es zu behaupten, die Medien könnten schon alleine entscheiden, was relevant ist und was nicht. Dabei ist genau das ihr presserechtliches Kapital.

Sueddeutsche.de hat es mal wieder in die Gülle gekickt. Ginge es um Probleme beim Grundstückskauf allgemein und dann um ein prominentes Beispiel, damit sich die vielen anderen nicht so alleine fühlen – okay. Aber so? Ein Fernsehgesicht kauft ein Grundstück und ist damit unzufrieden. Sorry, Süddeutsche, aber das ist für die Füße.