Schlagwort-Archive: Stilistik

Handelnde Personen ausgeschlossen

Wenn Deutschland gegen Argentinien gewinnt, ist das sprachlich eine geläufige Flapsigkeit. Jeder weiß, dass die Fußballnationalmannschaft gemeint ist, die da bei einem von der Fifa organisierten Turnier mitgespielt hat. Und zumindest die Fans wissen auch, wer genau auf dem Feld stand.

Wenn Deutschland Argentinien mit Sanktionen droht, ist die Sache schon weit weniger eindeutig. Klar, es wird um Politik gehen, vermutlich, aber vielleicht sind mit „Deutschland“ auch Wirtschaftsverände gemeint? Aber wenn die Politik agiert – wer ist das genau? Ein Minister, der gerade spricht, ein Staatssekretär, der im Hintergrund gewirkt hat, Ministerialbeamte, die sich seit Jahr und Tag mit Sanktionen beschäftigen, oder das Parlament bzw. genauer einzelne Abgeordnete dort, die für oder gegen eine bestimmte Politik gestimmt haben?

Es ist – gerade für Journalisten – schön und einfach, Organisationen handeln zu lassen. Eben ein ganzes Land, gar die Europäische Union oder den ganzen afrikanischen Kontinent – das klingt gut und griffig.

Aber in Wirklichkeit verschleiern diese Kraftbegriffe sehr viel – und nicht selten in eigentlich unerträglicher Weise. Das lässt sich an Kirchenthemen besonders deutlich zeigen (gerade weil es dafür unter Journalisten wenig Fans gibt). Ein Beispiel:

Matthias Drobinski hat gerade über das neue Verfahren der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge geschrieben – und warum das zu Kirchenaustritten führt.

eigentor-der-kirchen-sueddeutsche

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Schiefes Bild: Verkehrsschlagader

Vor allem die Lokalredaktionen bezeichnen gerne jede stark befahrene Straße in ihrem Revier als „Schlagader“.

Kölner Straße ist die Schlagader des Südens (WAZ)

Schlagader des Reviers steht still (KStA)

Schlagader Alsfelds für 2,2 Millionen ausgebaut (AAZ)

Dabei ist „Schlagader“ ein politideologischer Begriff, der keineswegs nur beschreibt, was ist, sondern was man interpretiert.
Eine Schlagader führt vom Herz in die Periferie. Sie ist in der Tat lebensnotwendig, bereits eine kurzfristige Unterbrechung führt zum Tot des Organismus‘. In ihr fließt es nicht gleichmäßig vor sich hin, sondern es pulsiert eben – und natürlich nur in eine Richtung. Pulsierenden Verkehr auf einer großen „Verkehrsader“ wird man wohl nur im Trickfilm hinbekommen.

Die meisten „Verkehrsschlagadern“ dürften keineswegs lebensnotwendig sein (wie sich zeigt, wenn sie für Bauarbeiten mal komplett abgeklemmt werden), sondern lebensbedrohendes, auch Leben vernichtendes Übel – politisch für notwendig gehalten. Es sind eben Straßen, mit allen Vor- und Nachteilen, über die man – anders als bei Schlagadern – diskutieren kann.