Fundierte Analyse braucht Zeit. Manchmal auch viel Zeit. Der Politik-Chef von Spiegel-Online ließ sich gut sechs Wochen Zeit. Und dann gebar er die Erkenntnis:
Vielleicht kann er [Christian Klar] die Bundesrepublik Deutschland hinter Gittern eh besser ertragen als draußen. Denn in Freiheit könnte das Denken seine Richtung wechseln, weil man da Lechts und Rinks ziemlich häufig velwechsern kann, wie schon Ernst Jandl wusste. Die Geschichte der Roten Armee Fraktion: Werch ein Illtum.
Claus Christian Malzahn (CC) analysiert, was der RAF-Terrorist Christian Klar zur Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13. Januar schrieb. Denn Klar hat ganz komplizierte Dinge geschrieben, zum Beispiel:
Aber wie sieht das in Europa aus? Von hier aus rollt weiter dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln. Die propagandistische Vorarbeit leisten dabei Regierungen und große professionelle PR-Agenturen, die Ideologien verbreiten, mit denen alles verherrlicht wird, was den Menschen darauf reduziert, benutzt zu werden.
Man bräuchte wirklich sehr viel Zeit, um das, was jemand schreibt, der vermutlich nicht so viel Bildungs-SpOn schauen darf wie unsereiner, herunterzubrechen. CC hatte Zeit und schafft es:
Das ist aber kein Bekennerschreiben oder ein Drohbrief, der Satz ist ein politisches Statement.
Und zwar, um es deutlich zu sagen, ein Statement “aus den düsteren siebziger Jahren”, in “schwarze Prosa” gekleideter RAF-“Ghetto-Sound”, “kalter Dialekt”, eine “Schlagwortsammlung aus dem linksextremen Poesiealbum” mit “vulgärmarxistischen Phrasen”, es ist
jenes reaktionäre, antiamerikanische Dummdeutsch, das längst nicht nur auf ominösen Konferenzen von linken Sektierern Beifall findet.
Jetzt verstanden, um was es geht? Ne, bitte nicht denken “Rosa-Luxemburg-Kongress, klingt nach Kapitalismus-Kritik und Kommunismus, könnte damit was zu tun haben” – der Ansatz ist grundverkehrt, und das hat offenbar auch Klar völlig nicht kapiert. Am Thema vorbeigeschrieben hat er, analysiert CC:
Christian Klar aber schweigt zu den blutigen Details der RAF-Geschichte, stattdessen verkündet er die quasi religiöse Botschaft, dass die kommunistische Gesellschaftsanalyse von vorgestern auch noch die gültige Kritik von morgen sein soll.
Der Klar sollte nämlich den Luxemburg-Spinnern “endlich sagen, was er weiß – oder die Bedingungen erklären, unter denen er zur historischen Wahrheitsfindung beitragen könnte” und dabei gleich die “Stammheim-Lüge” beerdigen.
Da wäre man eben selbst nicht drauf gekommen, das zeichnet große Politik-Analysten aus, und wenn sich dann noch ein Größenwahn dazugesellt, der es mit Franz Josef Wagner aufnehmen kann, gehts von der Theorie sogar kurz in die Praxis:
Hallo Ex-RAF – hier ist der Deal: Sagt uns endlich, wer geschossen hat, dann reden wir über Gnade.
Wer schlägt hier als “wir” einen Deal vor und verhandelt über Gnade? Tja, da guckste und staunste, aber so gehts, wenn man ein richtiger Checker ist. Dann kann man auch anderen Schwülstigkeit vorwerfen und selbst von “zu lebenslänglicher Trauer verurteilten Angehörigen” salbadern.
Aber was war noch mal das Thema? Ah, stand ja im ersten Satz:
Christian Klar hat sich mit seinem düsteren Grußwort [zur Rosa-Luxemburg-Konferenz] um Kopf und Kragen geredet.
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