Schlagwort-Archive: Meinungsfreiheit

Meinungen sind nichts für Faktenchecker

Immer wieder haben Journalisten Probleme damit, Tatsachen und deren Bewertungen auseinanderzuhalten. Im derzeitigen Corona-Mainstream fallen da die Bemühungen auf, Aussagen von Wolfgang Wodarg zu widerlegen. Mit “Faktenchecks” wird dann bewiesen, dass Wodargs Skepsis gegenüber dem Corona-Pandemie-Betrieb wenig mit Wissenschaft zu tun hat oder gefährliche Falschinformation ist.

Der vielfach in Artikeln zitierte Faktencheck von Correctiv schafft es nicht, die Fakten in Wodargs Videos herauszuarbeiten. Stattdessen geht der Faktencheck so: Wolfang Wodarg sagt, die in Berlin entwickelten Corona-Tests seien nicht hinreichend getestet worden – Christian Drosten weist die Vorwürfe zurück.
“Wodarg unterstellt den Wissenschaftlern […] finanzielle Interessen”, Drosten widerspricht, “man verdiene mit dem Test unter dem Strich ‘keinen Cent’“.

Anstatt Meinungen als falsche Fakten entlarven zu wollen wäre es journalistisch gewinnbringender, der Kritik nachzugehen, andere Stimmen einzuholen und so etwas mehr Vielfalt in die Berichterstattung zu bringen. Das meiste, was Christian Drosten z.B. in seinem werktäglichen Podcast sagt, sind auch nur Meinungen – Bewertungen der Lage, wie sie sich ihm jeweils darstellt. Das ist ohne Zweifel spannend und hilfreich. Aber Meinungen verlangen per se Widerspruch, Kritik, andere Sichtweisen – sonst sind sie eben keine Meinungen mehr, sondern wahlweise Wissen oder Glauben. Weiterlesen

Nachrichtenagentur “Idea” löscht Beitrag, Kommentare und Anfragen

Leserkritik-ueber-Loeschungen-bei-Idea

Auch dieser Leser-Kommentar wurde von “Idea” gelöscht. Aus der Welt ist er dennoch nicht.

Vermutlich ist das alles Absicht, damit eine kleine, pietistische Botschaftenverbreiterin namens “Idea” im hippen Web etwas Aufmerksamkeit bekommt – dabei soll sie die gerade gar nicht mehr bekommen. Was ist los? Weiterlesen

Aufregung im Herzen – Ein Pfarrer, Ehe für alle und journalistische Relevanz

sz-pfarrer-homoehe

„Pfarrer vergleicht Homosexuelle mit Sodomiten“ betitelt die Süddeutsche ein Stück aus Oberfranken – und der Medienkritiker geht in Habachtstellung: schließlich hatten wir gerade erst die Behauptung, Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer vergleiche „Homo-Ehe mit Inzest und Polygamie“, was man leider guten oder schlechten Gewissens als journalistische Fehlleistung bezeichnen musste.

Im Lead fasst Olaf Przybilla, Leiter des SZ-Büros Franken in Nürnberg und Wächterpreisträger, den Eklat so zusammen:

>>In einem Schreiben hat ein evangelischer Pfarrer in Oberfranken gleichgeschlechtliche Ehen mit Beziehungen zwischen Mensch und Tier in Verbindung gebracht.<<

Bei dem Schreiben handelt es sich um den „Kirchenboten“ der Evangelischen Kirchengemeinde Nemmersdorf (Goldkronach), in der Ortspfarrer Günter Weigel einleitend ein „geistliches Wort“ geschrieben hat, wie es in fast allen Gemeindebriefen üblich ist – hier „Andacht“ genannt. Die Zusammenfassung in der Süddeutschen Zeitung:

Weiterlesen

Mythos Ausgewogenheit

Wie schwer das mit der Meinungsäußerungsfreiheit ist, machen erfreulich viele Kommentatoren deutlich: mit ein bisschen “Je suis Charlie” ist es eben nicht getan. Eine Meinung ist nur dann frei, wenn auch jede denkbare Gegenposition geäußert werden kann. Und das ist, wie u.a. Bettina Gaus in der taz schreibt, alles andere als selbstverständlich, sondern “ein Recht, das ständig neu erkämpft werden muss”.

Wenn etwa Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, erklärt: “Diese Pegida-Demonstration ist widerlich. Aber natürlich haben unsere Behörden dafür zu sorgen, dass auch diese widerlichen Meinungsäußerungen möglich sind“ – dann sollte man ihn fragen, wie er auf PEGIDA-Plakate mit der Aufschrift “Grüne sind widerlich” reagieren würde. Ob da vielleicht schon wieder ein Angriff auf die Demokratie vorläge? Weiterlesen

Der dito-Spam

Facebook-Beiträge deutschsprachiger Medien werden seit einigen Stunden mit einem standardisierten Protesttext konfrontiert:

Ich spreche mich hiermit gegen die Pro-israelische Berichterstattung deutscher Medien aus. Ich spreche mich hiermit gegen die Verharmlosung des Genozids an den Palästinensern aus… (Forts. unten *)

Die Redaktion von Süddeutsche.de hält diese Copy&Paste Kommentare schlicht für Spam:

sz-spammingMan mag es in der Tat etwas nervig finden, wenn sich plötzlich unter allen möglichen, thematisch weit entfernten Artikeln der immer gleiche Kommentartext findet**? Aber: ist das nicht die typische Form von Massenprotest (und nach Spam-Bots sieht es nicht aus)? Auch wenn dieser Protest “gesteuert” ist (Campaigner würden wohl von “initiiert” sprechen) und die meisten Poster die deutschsprachige Berichterstattung wohl gar nicht kennen. (Kampagnenbild;

Es ist die digitale Form der “Protestpostkarte”, die sonst sackweise im Kanzleramt und bei anderen Macht- oder Konzernzentralen eingeht.

Die Süddeutsche Zeitung vermisst die “inhaltliche Auseinandersetzung”. Nun, die will man bei solchen Protestaktionen doch nun tatsächlich nicht individuell führen. Ob Breife zur Freilassung politischer Gefangener (mit vorgegebenem Text von amnesty international) oder ein Protestklick bei einer campact-Aktion: wer da mitmacht, zeigt auf einfache, schnelle Art und Weise seine Meinung.
Verbannen (verbergen) kann man die Kommentare gerechtfertigter Weise überall dort, wo sie gar nicht zum Thema passen (der Aufruf taucht auch bei Coca Cola und vielen anderen auf), – weil es genügend passende Anknüpfungsartikel gibt. Aber neben sicherlich vielen Fake-Accounts, die da augenblicklich “kommentieren” schließen sich ganz offensichtlich auch reale Menschen dem Protest an. Das sollte man nicht einfach gedanklich blocken.

Über die Einseitigkeit der deutschen Berichterstattung zum neuen Krieg in Gaza mag man streiten. Was aber unstreitig sein dürfte: dass es den kommerziellen = professionellen Medien in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen ist, über den Grundkonflikt so zu informieren, dass man nicht bei jeder Gelegenheit wieder alles neu durchkauen müsste, als gäbe es den Israelisch-Palästinensichen-Konflikt erst seit drei Tagen. Dass man in jeder Debatte die gesamte Bandbreite von Meinungen dazu antrifft zeugt wenig von der ewig beschworenen “Orientierungsleistung” der Medien. Und manches, was sie publizieren, wirkt auch eher orientierungslos. So wie der (augenblickliche) Ärger der SZ-Leute.

*=Der vollständige Protesttext:

“Ich spreche mich hiermit gegen die Pro-israelische Berichterstattung deutscher Medien aus.
Ich spreche mich hiermit gegen die Verharmlosung des Genozids an den Palästinensern aus.
Fakten und Beiweise hierzu, werden von den Medien bewusst unter den Tisch gekehrt. Ohne Erfolg.
Israel hat erneut Phosphorbomben eingesetzt.
Der Einsatz von Brandwaffen gegen Zivilpersonen bzw. in einer Art und Weise, in der es leicht zu sogenannten “Kollateralschäden“ kommen kann, ist entsprechend den Zusatzprotokollen von 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949 verboten.
Diese Protokolle hat Israel NICHT unterzeichnet. Warum nicht?!
Israel verstößt somit auch gegen die Chemiewaffenkonvention.
Ich fordere die Medien und die deutsche Regierung auf, nicht länger in MEINEM NAMEN zu sprechen.
Ich teile nicht die Ansicht der Bundesregierung, dass Israel sich bloß “verteidige”.
Ich spreche mich ganz klar gegen diese Lüge aus.
Ich lasse mich nicht länger manipulieren und zum Narren halten.
Ich bin aufgewacht und euer Plan fruchtet nun nicht mehr.”

**= Man nennt es wohl auch Flashmob
spam-oder-flashmob

Updates:

tagesschau.de sieht es wie sueddeutsche.de auf Facebook (Sonntag, 23 Uhr):
spam-nahost-tagesschau

Beleidigungsfreiheit ist ein Grundrecht

Ungerührt und in den Schlaf geschüttelt wie üblich hat der Medienbetrieb ein Urteil des Berliner Landgerichts kolportiert, wonach die Bezeichnung eines Menschen als “Arschloch” nie von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und dieses Wort zu führen auf der Bühne höchstens Ausnahmekünstlern zugestanden sein könnte. Berichterstattungsgrund ist stringenterweise auch nicht das Urteil an sich, sondern der Name des Klägers: Jörg Kachelmann.

Bei mehreren Konzerten soll der Rapper Kool Savas im Jahr 2010 in kurzen Texten zwischen Musikstücken Kachelmann als “Arschloch” bezeichnet haben.  “Zudem äußerte [Savas] in Bezug auf den Kläger unter anderem ‘verfickter … ‘, ‘Bastard’, ‘Idiot’, ‘Ich ficke ihn’.” Weiterlesen