Das tägliche Schicksal bei kostenpflichtigen Journalismus-Angeboten im Netz:
Soweit, so gut. Doch ein Angebot, diesen einen Artikel zu kaufen, gibt es nicht: Weiterlesen
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Anmerkungen zu zwei Preisen des Netzwerk Recherche
Im Rahmen seiner Jahrestagung 2016 hat der Verein “Netzwerk Recherche” (nr) wieder zwei Preise verliehen: den positiven “Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen” und den Negativpreis “verschlossene Auster“. Zu beiden kann man Medienkritisches anmerken. Weiterlesen
Journalismus kann ein netter Service sein. Wenn er etwa eine Tagung zusammenfasst, alles Blabla der Talkrunden und Panels ausblendet, mit den wichtigsten O-Tönen als Video für den realistischen (Sympathie-)Eindruck.
Warten wir also gespannt, was Journalisten von der Tagung der “Initiative Qualität im Journalismus” (IQ) berichten werden, die am 12. Oktober 2015 im Berliner Funkhaus des Deutschlandradios stattfand. Denn mit Eröffnung der Mittagspause, die eine eher karge, ob des bereits eingesparten Frühstückhappens aber dringend benötigte Verpflegung in Aussicht stellte, schritt der Autor, der nichts bloggen sondern nur eine warme Mahlzeit schnorren wollte, von dannen.
Nur recht wenige Journalisten, Wissenschaftler und um die Demokratie Besorgte waren zu diesem achten Herbstforum der “IQ” gekommen, am Vormittag konnte man etwa 70 Köpfe zählen – bei 16 Referenten und Podiumsdiskutanten. Der Veranstaltungstitel versprach auch nicht die ganz großen Knaller: “Qualität hat ihren Preis – Journalismus finanzieren”.
Das größte Manko des Forums: zu viel Geplauder, zu wenig Hard Facts. Stephan Ruß-Mohl nur 20 Minuten für den einzigen Vortrag an diesem Tag zu geben war da, weil wohl nicht Frechheit, Verkennen von Qualität. Denn der Mann, der – bis heute zu seinem Leidwesen zitiert – vor einem viertel Jahrhundert journalistische Qualitätsbestimmung für so einfach hielt, wie einen Pudding an die Wand zu nageln (was er längst revidiert hat), hatte zu den ökonomischen Aspekten des Journalismus natürlich jede Menge zu sagen, musst sich aber durch seine Folien hetzen und auf einen provokativen Ausblick verzichten, um die strenge Zeitvorgabe einzuhalten.
Dafür gab es dann zwei Stunden lang Gespräche über Finanzierungsmodelle von Blogs, Online-Zeitungen, E-Paper und Print, mit: Konny Gellenbeck (taz-Genossenschaft), Dr. Christian Humborg (Correct!v), Philipp Schwörbel (Prenzlauer Berg Nachrichten), Alexander von Streit (Krautreporter), Hermann-Josef Tenhagen (finanztip), Moritz Tschermak (Watchblog “Topf voll Gold”), Florian Kranefuß (Der Tagesspiegel), Bascha Mika (Frankfurter Rundschau), sowie nach der Pause wohl noch Talk mit Dr. Ralf Bremer (Google Digital News Initiative), Simone Jost-Westendorf (LfM-Stiftung Vielfalt und Partizipation Düsseldorf), Prof. Dr. Marlis Prinzing (Macromedia-Hochschule), Jens Rehländer VolkswagenStiftung) und Prof. Dr. Stephan Ruß-Mohl (European Journalism Observatory, Lugano).
Das war nicht völlig uninteressant, allerdings vor allem vom Boulevard aus betrachtet, wegen der Personalisierung, dem People-haften. Fast alles, was Interviewer Werner Lauff nicht zu wissen vorgab und daher, gelegentlich auch mehrfach, erfragte, war dem interessierten Mediennutzer und dreimaldrei Mal dem medienjournalistisch Fachkundigen bereits bekannt. Die Essentials lassen sich auf einem Blatt zusammenfassen – als Kondensation der kleinen Tagungsmappe.
Eine wirkliche Vertiefung hätten die Ideen zur öffentlichen Finanzierung von Journalismus vertragen – so tauchten sie immer nur am Rande auf. Schon im Grußwort zur Eröffnung hatte sich Deutschlandradio Intentant Dr. Willi Steul klar gegen staatliche Subventionen ausgesprochen – wohlwissend und bekennend, dass er als Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks da eigentlich im Glashaus sitzt. Stephan Ruß-Mohl hatte zwar ebenfalls staatliche Presseförderung als “völlig abwegig” bezeichnet, konnte sich aber gleichwohl eine “Flat-Rate” vorstellen, worunter er wohl die alte Idee verstand, das Geld der GEZ-Haushaltsabgabe nicht nur für den Rundfunk zu verwenden, sondern darüber nach bestimmten Kriterien Journalismus aller Mediengattungen zu fördern – ein konkreter potentieller Empfänger wäre wohl das “gemeinnützige Recherchezentrum” “CORRECT!V” von David Schraven und Kollegen (siehe: Kulturflatrate).
In der Logik des Subventionsberichts der Bundesregierung wäre es auch eine Staatsleistung, Online- und Printjournalismus einheitlich zu besteuern. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gilt derzeit nur für Printprodukte. So mussten die Krautreporter von der ersten Million, die sie per Crowdfunding eingesammelt hatten, den vollen Mehrwertsteuersatz von 19% abführen (siehe hierzu Hamburger Abendblatt: Finanzminister Schäuble macht das Lesen teurer).
Einige Tweets von der Veranstaltung (#IQF15):
Michael Geffken: “Hat mangelnde Zahlungsbereitschaft vielleicht auch mit Relevanz zu tun?”
BDZV: “@marlisprinzing: Community nicht als lästiges Anhängsel sehen, sondern mit einbeziehen. Dann steigt Qualität der Kommentare”
Eva Werner : “Etwas überspitzt: ‘Kein normaler Mensch draußen interessiert sich für die #Medienkrise’, meint @Jens_Rehlaender von @VolkswagenSt.”
Journalisten-Verband (DJV): “Viele können sich unter Qualitätsjournalismus gar nichts mehr vorstellen, so @marlisprinzing. Daher fehle es an Zahlungsbereitschaft.”
BDZV: “F Kranefuß [Tagesspiegel] bei #IQF15: Wir sind froh über unsere E-Paper, machen 10 bis 15 % unserer verkauften Auflage aus.”
DJV Hamburg: “Moritz Tschernak u seine Jungs von @topfvollgold können durch Bloggen wenigstens Miete bezahlen #IQF15 (mf)”
Jens Rehländer: “@vonstreit (l.) bei #iqf15: @krautreporter ist eine ‘offene Versuchsanordnung’ für die Branche.” [mit Foto]
Marlis Prinzing : “@correctiv_org #Iqf15 @chumborg Christian humborg plädiert für generell mehr gemeinnützigen Journalismus!”
Jens Rehländer: “@srussmohl sieht Ausbildung und Qualitätssicherung im Journalismus möglicherweise als Finanzierungsaufgabe für Steuerzahler”
U. Maercks-Franzen: “Ruß-Mohl: Müssen auch ‘for Profit-Journalismus’ neb. öff.- rechtlich. Journ. am Leben halten, wenn wir Qualitätsjourn. wollen”
Frederike Roser: “#Stiftungen sind für die Finanzierung von Journalismus nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt @srussmohl auf der Tagung #iqf15 beim @DLF”
matias: “DLR Intendant Steul fordert Qualitäts- statt Rudeljournalismus vom öffentlich rechtlichen Rundfunk”
Mehr Tweets beim DJV (Storify).
Ordentliche Berichte von der Tagung:
(in der am 26.10.2015 an die Teilnehmer verschickten Dokumentation finden sich einige wenige Medienbelege. Daraus kann man folgendes verlinken:)
HAZ: Wer finanziert guten Journalismus?
Bericht bei der GKP (Gesellschaft katholischer Publizisten Deutschlands)
Weiteres zum Thema:
Ad-Blocker hatte Ruß-Mohl als ein Problem der Journalismus-finanzierung genannt. Logisch irgendwie. Daher auch kein Skandal, dass Bild.de AdBlocker-Usern keinen Gratis-Content liefern will. (Bericht bei meedia)
Vor fünf Jahren wurden mit den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) die Online-Aktivitäten von ARD und ZDF deutlich begrenzt. Unzählige Angeboten wurden aus dem Netz genommen, neue oder veränderte müssen einen sogenannten Drei-Stufen-Test durchlaufen. Wie erfolgreich ist dieses deutsche Modell? Timo Rieg ist verschiedenen Links gefolgt.
Die Rundfunkgebühr als Subvention
Wer sich mit der Internetpräsenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland beschäftigt, muss sich zunächst klar werden, warum es die entsprechenden Regelungen seit 1. Juni 2009 überhaupt gibt. Auslöser waren nämlich u.a. eine Beschwerde des „Verbands Privater Rundfunk und Telemedien“ (VPRT) im Jahr 2003, dass bestimmte Web-Angebote nicht unter den öffentlichrechtlichen Auftrag fielen und damit zu Wettbewerbsverzerrungen führten. Daraufhin stufte die EU-Kommission die deutsche Rundfunkgebühr als staatliche Beihilfe (=Subvention) ein – obwohl man sich viel Mühe gegeben hatte, mit GEZ, KEF, Rundfunkräten und anderem mehr genügend Staatsferne zu schaffen. Insbesondere in den Online-Aktivitäten der Sendeanstalten sah die EU eine Benachteiligung des privaten Rundfunks und der – immer schon privatwirtschaftlich organisierten – Presse, wobei sie das duale Rundfunksystem nicht grundsätzlich infrage stellt, sondern weiterhin „ein vielfältiges und ausgewogenes Medienangebot öffentlicher und privater Rundfunkveranstalter“ wünscht.
Nach einigem Hin und Her versprach die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission Veränderungen, die mit dem 12. RÄStV eingeführt wurden. Der Drei-Stufen-Test und die damit verbundene deutliche Beschränkung der öffentlich-rechtlichen Onlineangebote steht im Zentrum dieser Änderungen.
„Es ging nicht um die Zuschauer, es ging nicht um Journalismus, sondern es ging ausschließlich um marktwirtschaftlichen Wettbewerb“, konstatiert Benno H. Pöppelmann, Justitiar beim Deutschen Journalistenverband (DJV). Weiterlesen
Einen Artikel von Josh Groeneveld und Paul Middelhoff über den Mindestlohn leitet der Spiegel (24/2014, S. 30) so ein:
“Der geplante Mindestlohn zwingt Theater, Verlage und Musiklabels, Praktikanten angemessen zu bezahlen. Viele halten das für nicht finanzierbar.”
Nur eine Korinthe? Eine sprachliche Ungenauigkeit? Oder wieder mal das Eppendorf-Syndrom?
Mit dem geplanten Gesetz wird ja gerade keine “angemessene” Vergütung festgelegt, sondern eine Vergütungspflicht mit Untergrenze. Wenn Firmen, auch im kulturellen Bereich, eine angemessene Vergütung für nicht bezahlbar hielten, dass gäbe es dort tatsächlich ein Problem. Gibt es vermutlich auch – aber nicht beim Mindestlohn für Praktikanten.
Der Artikel selbst nennt dann ja auch Argumente, die eine deutlich geringere oder auch gar keine Vergütung von Praktikanten für angemessen halten.
Was ist angemessen? Für unser Journalistenbüro, das über viele Jahr Studierenden Praktika von meist zwei Monaten Dauer angeboten hat, ergäben sich reine Lohnkosten von 2720 EUR. Hinzu kommt die meist recht aufwendige Betreuung, das Erläutern von journalistischen Abläufen, das gemeinsame Planen von Recherchen, die Textbesprechungen etc. – oder auch einfach nur der nette Plausch, der aber leider vom Erwirtschaften abhält. Den Stundensatz des Praktikumsbetreuers wird man wohl deutlich über dem Mindestlohn ansetzen dürfen, und wenn wir dafür mal nur 40 EUR pro Stunde bei durchschnittlich sicherlich einer Stunde Betreuungsaufwand täglich einsetzen, kostet ein achtwöchiges Praktikum schon 4320 EUR, ohne Abgaben, ohne Kostenbeitrag zur Infrastruktur – und ohne Krankentage.
Wir haben Praktikanten immer in Projekte eingebunden, aber bei keinem – ob Auftragsartikel, Internetprotal, Zeitschrift oder Buch – sind jemals durch Praktikanten Beiträge oder Dienstleistungen entstanden, die auch nur im Ansatz diesen Betrag eingebracht hätten – was angesichts der realen Einkommensverhältnisse freier Journalisten auch nicht verwunderlich sein dürfte. Dass wir nicht “angemessen” bezahlen wollen, ist eine böse Unterstellung.
Sie schaffen es ja jetzt wohl (doch), die “Krautreporter”. Aber eine der Fragen, die man da stellen muss: Warum ist es so knapp? Sie wollten nur 15.000 Abonnenten, und sie wurden von einer unglaublichen Medienaufmerksamkeit unterstützt. Beschallung, Bedruckung und Verbytung auf allen Kanälen quasi – und dann nur 15.000 Menschen, die es interessiert? Was sagt das über den Journalismus? Wir sammeln Beiträge dazu, einstweilen: Die Überaufklärer.
Reaktion Rainer Stadler (NZZ): “Ich befürchte allerdings, dass die Initianten den Aufwand unterschätzen, der nötig ist, um ein gut gemachtes digitales Hintergrundmagazin zu realisieren. […] Hier entsteht weiterer Journalismus im Dauerprovisorium. Das ist allerdings durchaus zeitgemäss. Denn das Internet hat ziemlich alle alten Sicherheiten zertrümmert.”
Selbstkritik Carolin Ströbele und Kai Biermann (Zeit.de): “Die Krautreporter nun haben diese Kräfteverteilung ein wenig aus dem Lot gebracht. Auf einmal steht dort eine Reihe von selbstbewussten Autorinnen und Autoren, die sagen: Meine Arbeit ist etwas wert. ”
Kommentar Roland Pimpl (Horizont): “Was würde zu diesem Getöse der Medien wohl Krautreporter Stefan Niggemeier sagen, bekanntlich der Erfinder und Linienrichter des reinen, des wahren Journalismus, wenn seine geliebten Massen- und Fachmedien dieses Bohei etwa um einen Schokoriegel in der Pre-Launch-Phase getrieben hätten? Aber, Journalisten schreiben nun mal mit am liebsten über Journalismus – und das haben die Krautreporter mit Bravour ausgenutzt. ”
Kritik Patrick Gensing (tagesschau.de): Wer sich die Mühe macht, wird weitere Geldgeber finden, die 20.000 oder 10.000 Euro in die Krautreporter investierten. Wer das ist, bleibt unklar. Daraus ergibt sich aber, dass es bislang weniger als 15.000 reale Unterstützer gibt, aber mehr als 16.000 Mitgliedschaften verkauft wurden.
Übellaunig zeigt sich Christoph Kappes (carta): “Informationswege sind unsere Informationsallmende. […] und es ist nicht weit bis zum distinguierten Vorwurf “digitaler Bettelei”. Trotzdem sollten informationsökologische Kosten eigener Handlungen der Allgemeinheit nur in Grenzen aufgelastet werden, ganz wie im Umweltschutz. Die Regel „Mehr Geld durch mehr Getöse“ halte ich jedenfalls für asozial.
Krautreporter: Der Ansatz ist überraschend wenig originell. Journalisten und Autoren wollen sich von Lesern per Abo bezahlen lassen – und deshalb auf Werbung und Verlag etc. verzichten. Dazu gab es nun schon zig Versuche, sprich vor allem: Bezahlmodelle. Im Kern unterscheidet sich das Projekt gar nicht von dem, was Verlage machen: Sie sammeln Content-Lieferanten in solcher Zahl und Qualität, dass sie sich als Paket unter einer Marke verkaufen lassen. Das ist entweder Mainstream (Publikumspresse) oder Special Interest (Fachpresse). Auch bei diesem Modell hat der einzelne kleine, feine Beitrag keine Chance, die abweichende Meinung ist natürlich nicht gefragt (weil sie die Kunden eben nicht haben wollen), und es ist nur Platz für einige wenige Medien dieser Art (weil es keine regionale Begrenzung gibt und das Internet Monopole fördert). Damit ist die Idee von Krautreporter nicht schlecht – sie ist nur einfach nicht originell. Eher elitär. Aber das braucht’s ja auch im Wischiwaschinetz.
Mehr Notizen zu Informationsflut, Lewitscharoff und Google’s Löschpflicht bei Tg.
Über den Verkauf von kostenlos erhaltenen Rezensionosexemplaren durch Redakteure: Journalismus bei der Tafel (von Timo Rieg)
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger kommt nun also doch, der Bundesrat hat es heute durchgewunken. Im “journalist” April 2013 gibt es dazu eine Schnipsel-Sammlung an Fakten, Meinungen und letzten offenen Fragen. Dabei auch ein Kurzporträt eines der wichtigsten Aktivisten für ein LSR, Christoph Keese vom Axel-Springer-Verlag. Hier das vollständige Kurzinterview, das Timo Rieg mit ihm geführt hat.
Frage: Wieso heißt Ihr Blog “Presseschauder”, Herr Keese? Wen schaudert es da vor was?
Keese: Niemanden schaudert es. Der Blog ist entstanden als eine Reaktion auf Daniel Schultz‘ Blog “Presseschauer”. Meine Seite sollte ursprünglich einen einzigen Text enthalten – ein Interview von und mit Daniel Schultz, über das wir lange diskutiert hatten. Wegen des großen Interesses an dem Text habe ich danach einfach weiter gemacht und mehr geschrieben. Daraus ist der Blog entstanden.
Den Namen “Presseschauder” mag ich eigentlich nicht. Ich suche eine besseren, habe aber noch keinen passenden gefunden, bei dem die URL frei ist.
Frage: Wer waren Ihre wichtigsten öffentlichen Diskussionspartner zum Leistungsschutzrecht?
Keese: In der Debatte gab es wenige Diskutanten, die sich auf die juristischen Details eingelassen haben und bereit waren, sich mit intellektueller Neugier in die schwierige Materie einzulesen, sofern sie selber keine Juristen sind. Kampagneros hatten die Oberhand. Inhaltlich am meisten gebracht haben mir persönlich die Debatten im Bundestag und in den Jura-Fakultäten. Am meisten aneinander gerieben habe ich mich wohl an Till Kreutzer. Ich schätze seine inhaltliche Leidenschaft, auch wenn er leider zu den falschen Schlüssen kommt.
Frage: Wieviel Zeit haben Sie wohl in den letzten Jahren mit der Debatte um das LSR verbracht? Täglich eine Stunde, in der Summe 2 Monate, ….?
Keese: Ich habe nicht mitgezählt. Aber es war sehr viel Zeit. Sie is es aber wert gewesen.
Wir stehen durch das Internet an einer epochalen Wende in der Wirtschaftsgeschichte. Da muss die Frage debattiert werden, wem was gehört. Fortschritt gibt es nur, wenn wenn Eigentumsfragen geklärt sind. So war es zu Beginn jeder neuen Technik-Epoche. Eine solche Findungsphase mitgestalten zu können, ist ein Privileg.
Frage: Wie zufrieden sind Sie mit dem Gesetz, wie es Bundestag und Bundesrat nun verabschiedet haben?
Keese: Es ist eine vernünftige, praktikable Lösung, die weltweit Maßstäbe setzen wird. Deutschland emanzipiert sich hiermit ein Stück weit von den USA und findet die Kraft, “fair use” anders zu definieren als die Amerikaner. In den USA schauen jetzt viele mit großer Anerkennung auf Deutschland. Ich erlebe das hier im Silicon Valley ganz direkt. Jeder Profi in den USA weiß, dass das amerikanische Urheberrecht den wild übertriebenen Interpretationen von “fair use” endlich etwas entgegen setzen müsste. Doch die Google-Lobby verhindert das. Deutschland setzt hier ein klares Zeichen, wie der Souverän die Gestaltungskraft zurück gewinnen kann.
Frage: Es kommt darin ja z.B. nicht mehr die gewerbliche Nutzung von Online-Inhalten am Arbeitsplatz vor (wie ursprünglich mal vorgesehen). Ist das Thema durch oder wird das in einem anderen Zusammenhang nochmal kommen können?
Keese: Lesen am Bildschirm sollte ja nie erfasst werden. Mit der jetzigen Lösung ist gewerbliche Aggregation erfasst und damit der Hauptteil der Nutzung von Journalismus in Firmen. Damit wird man weit kommen. Wir starten mit Zuversicht in die neue Phase.
Frage: Was wird das nächste größere Urheberrechtsthema sein?
Keese: Die Bundesregierung hat den größten Teil der Vorschläge zum dritten Korb nicht
umgesetzt. Sie betreffen weniger die Presse, sind aber trotzdem wichtig. Die Kollegen in den anderen Kreativbranchen kritisieren das zu Recht. In der nächsten Legislaturperiode wird man die Versäumnisse der vergangenen vier Jahre aufholen müssen.