Was ist die wesentliche Nachricht, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft das Wohnhaus eines Prominenten durchsucht haben? Dass einfach irgendwas beim Promi los ist und man mit dem Namen Neugierde wecken kann? Dass die vorangegangene mediale Skandalisierung medial erntebare Früchte trägt und sich die bisherige Verdachtsberichterstattung bewährt? Oder dass die Unverletzlichkeit der Wohnung stets nur so lange gilt, bis von Social- oder Nachrichtenmedien etwas beanstandet wird? Weiterlesen
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Qualitätskriterium Richtigkeit
„Richtigkeit“ haben wir bei Spiegelkritik lange Zeit für ein Basiskriterium des Journalismus gehalten, das nur ab und an mal gerissen wird. Fehler passieren eben überall (natürlich auch hier im Blog). Aber je mehr Auge und Verstand geschult sind, umso größer wird das Problem. Zwei wesentliche Erkenntnisse haben sich über die Jahre dabei herausgebildet:
- Die meisten Fehler entstehen durch freihändige Behauptungen. Sie wären allesamt vermeidbar, wenn es eine penible Belegpflicht gäbe (was der Spiegel ja stets mit seiner „Dokumentation“ zu haben behauptet). Diese Belegpflicht sollte zumindest redaktionsintern erfüllt werden, ist aber mit dem Internet auch für alle Print- und Rundfunkbeiträge möglich (denn in der Tat würde es innerhalb der Berichte oft stören). Aber so werden Meinungen zu Tatsachen, Glaube zu Wissen, und Fakten nach Belieben zu neuen komponiert. Mit ein paar Logik-Checks finden sich praktisch auf jeder Zeitungsseite Fehler, ohne dass man dazu allwissender Faktenchecker sein müsste (da dürfte dann oft noch weit mehr im Argen liegen).
- Hinweise auf Fehler interessieren Redaktionen und Autoren meist nicht die Bohne. In den Sozialen Medien kann das jeder nachverfolgen, und wir haben zahlreiche besonders krasse Fälle hier im Blog notiert; sie sind stets als Beispiele zu lesen.
Polizeijournalismus gesucht
Der Berliner Tagesspiegel wirbt in seinem heutigen Newsletter folgendermaßen für einen Artikel:
>>die Unfallmeldungen der Polizei klingen oft wie aus der Perspektive des verständnisvollen Beifahrers geschrieben: Der Autofahrer „konnte einen Zusammenstoß nicht mehr verhindern“, „nicht mehr rechtzeitig bremsen“, „nicht mehr ausweichen“. Die Radfahrerin oder der Fußgänger dagegen „wurde touchiert“, „erfasst“, „stürzte“ oder „kam unter den Wagen“. Warum das so ist, ob das so bleiben muss und weshalb es nicht einfach heißt „Autofahrer rammte Radfahrer“ oder „Raser fuhr Fußgänger über den Haufen“, darüber sprach Checkpoint-Autor Stefan Jacobs mit der Polizei. Sein Text im Tagesspiegel ist einer der meistgelesenen dieser Woche.<<
Im Artikel kommen Polizei und die Fußgängerlobby „FUSS e.V.“ zu Wort. Als Problem werden die Polizeimeldungen identifiziert, als wären die verbreitenden Medien diesen machtlos ausgeliefert. Journalismus kommt nur am Rande vor, nämlich in Form der Kontrollstelle Deutscher Presserat.
Sicherlich kann man thematisieren, in welcher Form Behörden Informationen direkt verbreiten, auf Twitter, Facebook, Instagram. Medienmagazine tun dies allerdings meist sehr eigennützig aus Sorge um ihre Rolle als Informationsvermittler. Doch das elementare Problem der „Verharmlosung“, genauer und unvoreingenommener gesagt: das Problem der Parteilichkeit entsteht nicht durch Pressemitteilungen der Polizei, sondern durch deren unreflektierte, recherchefreie Weiterverbreitung durch den Medien. Alle falschen Skandalisierungen der letzten Jahre entstanden durch die Kolportage von Behördenmeldungen: Wir erinnern an die Inszenierung von Hitzacker (für die sich bis heute kaum ein Medium entschuldigt hat); oder an die schön von Bastian Berbner (ZEIT) aufbereitete Medienerfindung vom Mädchen verfolgenden Mob in einem Kieler Einkaufszentrum (Podcast; ZAPP bei Youtube; Erstbericht Kieler Nachrichten, bis heute ohne Update darunter).
Hier im Blog haben wir deshalb schon vor einiger Zeit zur Diskussion gestellt, wie Journalisten mit Pressemitteilungen der Polizei umgehen sollten. Unstrittig sein dürfte: Ohne eigene Recherche ist die Weiterverbreitung von Behörden-Mitteilungen schlicht PR, nicht Journalismus. Weiterlesen
Ein Jahr nach Hitzacker – Das Schweigen über ein journalistisches Versagen
Zur Vollständigkeit einer Nachricht gehört, spätere Erkenntnisse, die für die Beurteilung des Sachverhalts wichtig sind, deutlich als Ergänzung, Follow up, oder Korrektur zu vermelden – und auf solche wichtigen Veränderungen in Online-Medien auch direkt vom Ursprungseintrag aus zu verlinken. Denn andernfalls bleiben unvollständige bzw. unrichtige „Nachrichten“ über Jahre verfügbar. Dies ist jedoch keine „Orientierungsleistung“, was als Grundaufgabe des Journalismus gesehen wird.
Diese wichtigen Folgeberichte gibt es zwar in vielen Fällen – schon aus ökonomischem Eigeninteresse bringen Medien gerne zahlreiche Beiträge zu einem einzigen Ereignis und den entsprechenden Reaktionen darauf. Doch das ist längst nicht immer der Fall: Häufig wird ein Verdacht, eine Beschuldigung, eine Vermutung groß vermeldet, die weitere Entwicklung und vor allem das wirklich aufklärende Ergebnis jedoch nicht mehr. Oder die Aktualisierung wird so klein als Randnotiz gebracht, dass sie nur ein Bruchteil derer zur Kenntnis nimmt, der die ursprüngliche – und inzwischen falsche oder zumindest unvollständige – Information bekommen hat.
Ein Paradebeispiel dafür, das in die Lehrbücher eingehen sollte, ist der „Fall Hitzacker“. Weiterlesen
Recherche bei Polizeimeldungen
Gerade hat der Journalistenskandal „Hitzacker“ ersten Geburtstag. Die völlig recherchefreie Übernahme einer Polizei-Pressemitteilung und deren mutige Ausschmückungen hatte zu einer bundesweiten Fehlinformation der Medienkunden geführt und teils heftige Wortreaktionen provoziert, auch aus der Politik. Dabei waren die Kernaussagen falsch, doch sie dienten zahlreichen Lobbyisten als Anknüpfungspunkt für ihre eigene PR, die wiederum dankbar und kritiklos von den Medien verbreitet wurden. (Siehe hierzu ausführlich die Dokumentation sowie den Kommentar „Journalismus im Pfingsturlaub„)
Hitzacker war aber kein Einzelfall, natürlich nicht, denn die blinde, zumindest blindgläubige Übernahme von Polizeimitteilungen ist Gang und Gäbe. Da sich viele Journalisten in Gesprächen zu ihrer „Berichterstattung“ über Hitzacker oder die „Wacken-Opas“ völlig verwundert zeigten, wie man denn die Wahrheit von behördlichen Pressemitteilungen anzweifeln könnte, soll hier einmal ausführlich auf die journalistische Bearbeitung von Polizei-PR eingegangen werden (als Prozess, weitere Anregungen werden gerne aufgenommen). Man mag sog. „priviligierten Quellen“ eher trauen als anderen, von der Sorgfaltspflicht und konkret der Prüfung von Eigeninteressen (Polizei als Partei) entbindet das Konstrukt jedoch nie (vgl. dazu auch Schultz 2019).
Was sind „Polizeimeldungen“?
Die Polizei- oder „Blaulicht“-Meldungen sind Pressemitteilungen einer staatlichen Einrichtung, z.B. einer Polizeiinspektion, eines Polizeipräsidium oder einer Kreispolizeibehörde. Sie sind wie jede Pressemitteilung Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, also PR. Entsprechend haben die Verfasser eine eigene Agenda, ein eigenes Entscheidungsmuster, welche Themen sie wie nach außen kommunizieren. Wie alle Öffentlichkeitsarbeiter hat auch die Polizei Interessen, die sie mit ihren Nachrichten und deren zunehmend aktiver Verbreitung verfolgt. Ebenso sind Eigeninteressen im Spiel, Ereignisse nicht zu thematisieren. Weiterlesen
Unfassbare Ahnungslosigkeit
Zur Berichterstattung über eine kleine spontane Demonstration im Wendland, die nachfolgende Polizeiarbeit und das große Versagen des Journalismus.
Eine inzwischen lange Sammlung, die unten weiterhin ergänzt wird.
Summary als Kommentar.
1. Einleitung
Die professionellen Nachrichtenmedien Deutschlands haben über das Pfingstwochenende mal wieder einen Skandal inszeniert, der mehr als lehrbuchmäßig ein journalismusfreies Publikationsbusiness zeigt. Das Verhalten der Nachrichtendistributoren erinnert an die Bahnmitarbeiter, die einige Zeit an Fahrkartenautomaten postiert wurden, um dem willigen Transportgut dessen Bedienung zu erläutern und damit den eigenen Arbeitsplatz oder den der Kollegen am Schalter abzubauen.
Das Presse-Äquivalent: Landauf landab übernehmen Redaktionen ohne jede eigene Recherche eine Pressemitteilung der Polizei, skandalisieren sie und kolportieren die von ihnen so geschaffene, bis aufs Komma völlig vorhersehbare Erregung. Das lässt sich bequem mit dem Smartphone vom Grill aus erledigen. Es lässt sich allerdings auch komplett ohne Journalisten erledigen.
Erst kürzlich echauffierte sich eine Journalisten-Gewerkschaft (die sinnigerweise und zukunftsweisende auch PR-ler vertritt), die Polizei mache mit ihren Pressemitteilungen im Internet den Job der freien Presse. Rauszuhören war schon damals, dass es nicht darum geht, selbst zu recherchieren (denn dann störten behördlich verbreitete Statements ja nicht), sondern die „Bullenmeldungen“, wie das in der stahlarbeiterkampferprobten Ausbildungsredaktion am Niederrhein hieß, von einem nicht-öffentlichen Kanal auf einen öffentlichen zu heben. Früher wurden dazu Faxe abgetippt (und prosaisch aufgehübscht), heute geht’s mit Copy&Paste (weshalb die Damen von der Texterfassung längst zum privaten Sicherheitsdienst oder der mobilen Altenpflege gewechselt sind). Weiterlesen
Perspektivwechsel: Polizeihetze verursacht Unfall
Mit einer waghalsigen und unverhältnismäßigen Autojagd hat die Polizei in Darmstadt das Leben zahlreicher Passanten gefährdet. Wie durch ein Wunder gab es am Ende nur zwei Verletzte.
Nach Angaben der Polizeipressestelle hatten Beamte „das Auto in der Innenstadt kontrollieren wollen, der 29-jährige Fahrer gab jedoch Gas.“ Anstatt dem Flüchtigen verdeckt zu folgen oder in Ruhe über das Autokennzeichen den Halter zu ermitteln, jagten die Polizisten ihre Beute mit Blaulicht und Martinshorn durch die Innenstadt, bis es zu einem Unfall kam. „Nach der Kollision mit einem Verkehrszeichen und einem Ampelmast war das Auto so beschädigt, dass es nicht mehr weiterfahren konnte“, teilt die Polizei mit.
„Solche Verfolgungsfahrten durch die Polizei treiben den Verfolgten in eine Angstspirale, bei der er völlig die Kontrolle über sein Handeln verliert“, erläutert Verkehrspsychologe Fred Steinhauer auf Anfrage. Aus der Angst, ohne Führerschein erwischt zu werden, entstehe so regelmäßig ein immenser Schaden, nicht selten mit Verletzten oder sogar Toten.
Die Polizeibehörde hingegen zeigte sich in einer ersten Reaktion gestern uneinsichtig. „Wer vor der Polizei abhaut, hat etwas zu verbergen und muss ohne Wenn und Aber sofort gestellt werden“, sagte Darmstadts Polizeipräsident Walter Verknackdich.
Die auf einer Pressemitteilung der Polizei beruhende Agenturversion liest sich allerdings gewohnt anders.
Siehe auch: Zirkusjournalismus
Notwehr steht jedem zu, auch dem Bösen
Ein Bericht wird nicht dadurch gut, dass er Positionen aneinanderreiht – auch wenn es die gängige und damit 0815-Bauweise im Politikjournalismus ist. Vielmehr ist es Aufgabe des Journalismus zu prüfen, ob eine in die Diskussion geworfene Position überhaupt diskussionswürdig ist – und zwar unter besonderer Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten.
Das BGH-Urteil, nachdem ein Hells-Angels-Rocker nicht dafür in den Knast muss, dass er in „Putativnotwehr“ einen Polizisten erschossen hat, lässt sich natürlich als Aufreger hochkochen. Und selbstverständlich melden sich alle möglichen Politiker und vor allem die Polizeilobbyisten zu Wort: das kann doch wohl nicht sein!
Dabei ist die Sache recht einfach und vermittelbar: Wenn jemand glaubt, dass er gerade umgebracht wird, darf er sich mit allen Mitteln wehren. Das entspricht schlicht dem, wie sich Menschen eben zwangsläufig in einer solchen Notsituation verhalten. Und in einer anderen Konstellation (kein böser Rocker als „Täter“, kein guter Polizist als „Opfer“) würde das auch jeder einsehen (Juwelier verteidigt sich gegen mutmaßlichen Raubmörder; Frau wehrt sich gegen mutmaßlichen Vergewaltiger etc.).
Wenn die vermutete Mörderbande vor der Tür jetzt aber in Wahrheit ein freundliches Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei ist, dies aber – weil es früh am Morgen ist und man möchte ja niemanden unnötig aus dem Schlaf wecken – nicht zu erkennen gibt, dann ist ein in dieser Situation abgefeuerter tödlicher Schuss einfach Pech.
Dass im Falle einer von Polizisten angenommenen Notwehrsituation, der ein völlig unschuldiger Wanderer zum Opfer fällt, die Polizeilobby gegen die Straffreiheit protestiert hätte, ist übrigens nicht bekannt:
Der tatverdächtige Täter
In Berlin brennen die Autos, das ist ein hitziges Schlagwort und somit eine Freude für den aufklärerischen Journalismus in Deutschland. Wie schön, dass die Polizei da mal wieder jemanden festnehmen konnte – einen Brandstifter natürlich, einen Zündler, einen Chaoten. Dumm nur, dass die Berliner Polizei diesen doch wieder auf freien Fuß setzen musste, weil sich der Tatverdacht bei bestem Bemühen „nicht erhärten ließ“.
Diese Nachricht ist in allerlei Variationen zu finden. Die Polizei selbst vermeldet in ihrem Ticker zwar die Festnahme, nicht aber die Freilassung. So hält es etwa auch der Focus. Die Welt berichtet vom langen Verhör und ist sich ebenfalls sicher, von einem Täter zu berichten. Die Berliner Morgenpost macht aus ihrem Bedauern keinen Hehl: Aufgespürt, festgenommen, freigelassen – ist aber auch ein Scheiß mit diesem Rechtsstaat. Sehr ausführlich lesen wir den Fall in der Märkischen Allgemeinen, dort wird auch Bezug zu einem Panorama-Beitrag genommen – aber auch dort wird ein Täter gefasst und dann freigelassen.
In der Gießener Allgemeinen ließt sich der Erfolg schließlich so:
Der Polizeieinsatz gegen die Autobrandstifter in Berlin zeigt Wirkung: Eine Woche nach ersten Festnahmen hat die Polizei erneut einen Tatverdächtigen erwischt. Am Mittwochmorgne stellte sie den 28-Jährigen im Stadtteil Kreuzberg. Er soll zuvor ein Motorrad und ein Auto angezündet haben. Er wurde wieder freigelassen, der Tatverdacht habe sich nicht erhärten lassen, hieß es. (…)
Die Überschrift dazu lautet: „Auto-Brandstifter gefasst“
Pressefreiheit und Polizei
Das Haller Tagblatt feiert das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim als klaren Sieg für die Pressefreiheit – doch man sollte das schriftliche Urteil abwarten. Denn die vom Gericht vorgeschlagene Alternative zum Presseverbot ist Pressezensur.
Einem Mitarbeiter der Lokalredaktion des Haller Tagblatts war im März 2007 von der Polizei verboten worden, einen SEK-Einsatz in der Innenstadt von Schwäbisch Hall zu fotografieren (siehe: Presse und Polizei).
Der VGH Mannheim sah in dem absoluten Fotografiergebot nun einen unverhältnismäßig schweren Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit – und zeigt einen seiner Ansicht nach maßvolleren Weg auf, der uns staunen lässt. In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es:
„Der Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff – etwa durch Angehörige der sog. russischen Mafia – auf die gefertigten Bildauf-nahmen aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der SEK-Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein können, kann im Regelfall – ohne dass es eines Fotografierverbots bedarf – dadurch wirksam begegnet werden, dass der Pressevertreter um die vorübergehende Herausgabe des Speichermediums bis zu einer gemeinsamen Sichtung der gefertigten Aufnahmen durch Presseunternehmen und Polizei aufgefordert wird. Eine solche Vorgehensweise wäre auch hier möglich gewesen. Zeigt sich der Pressevertreter insoweit nicht kooperationsbereit und verweigert die Herausgabe, kommt eine vorübergehende Beschlagnahme des Speichermediums in Betracht. Die Beschlagnahme ist in diesem Fall gegenüber einem Fotografierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel, weil sie eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglicht. Die Polizei wäre im Falle einer Beschlagnahme verpflichtet, zeitnah in Kooperation mit dem Presseunternehmen über die Speicherung, Bearbeitung, Veröffentlichung und ggf. Löschung der gefertigten Aufnahmen zu entscheiden.“
Die Beschlagnahme von journalistischem Fotomaterial aus Sorge um eine Verletzung des „Rechts am eigenen Bild“ ist nicht etwa die Ultima Ratio, sondern selbst nach Auffassung von juristischen Polizeiausbildern grundsätzlich unzulässig. Warum?
1. Das Recht am eigenen Bild bezieht sich nur auf Veröffentlichungen, nicht auf die Entstehung eines Fotos. Andernfalls wäre das Fotografieren im öffentlichen Raum praktisch gar nicht mehr möglich.
2. Aus dem, was Journalisten fotografieren, lässt sich weder vom Presselaien (Polizei) noch von einem versierten Kollegen prognostizieren, was später wie veröffentlicht wird. Zunächst sind Fotos schlicht Recherchematerial. Und das unterliegt dem Schutz der Pressefreiheit.
3. Die Polizei trifft damit eine Entscheidung, die nur den Gerichten zusteht – nach entsprechender Aufklärung des Sachverhalts.
4. Die Veröffentlichung von Fotos kann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen. Aber selbst wenn dem so ist, kann sie bei der gerichtlichen Abwägung der konkurrierenden Grundrechte hinter der Pressefreiheit zurückstehen und muss dann hingenommen werden.
5. Bei der Gefahrenabwehr im Zivilrecht wird die Polizei nur auf Antrag des Betroffenen tätig. Wenn die Presse bei Polizeieinsätzen zugegen ist, ist der Betroffene die Polizei selbst. Der Polizist, der eine Kamera beschlagnahmt, weil er befürchtet, die darin von ihm vorhandenen Bilder könnten in gesetzeswidriger Weise veröffentlicht werden, wird also für sich selbst tätig. Dass Betroffene hierbei halbwegs objektiv bleiben, ist kaum vorstellbar.
Die vom VGH vorgeschlagene Prozedur, nach der die Presse zunächst ungehindert fotografieren darf und danach verpflichtet werden kann, die Bilder von der Polizei sichten und quasi freigeben zu lassen, klingt grotesk. Zwar kommt genau dies in Einzelfällen vor – es ist aber mitnichten besser als ein absolutes Fotografierverbot. Denn wenn die Polizei selbst entscheidet, welche Bilder von ihren Aktivitäten veröffentlicht werden dürfen, manipuliert sie die Berichterstattung (siehe: Bilder nach Art des Hauses). Dann kann auch gleich die Polizeipressestelle ihr genehme Selbstinszenierungsfotos herausgeben.
Aber gut, warten wir mal die Urteilsbegründung ab.