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Medienkritik zum Corona-Journalismus (Sammlung)

Die journalistische Berichterstattung zur Corona-Pandemie und deren politischer Handhabung wird die Medienforschung (hoffentlich) noch lange Zeit beschäftigen. Die nachfolgende Sammlung mit Literatur, Links und Ergänzungen zur Diskussion wurde von Herbst 2020 bis Ende 2022 kontinuierlich fortgeführt. Nun soll der Themenkomplex abgeschlossen werden. Eine Zusammenfassung der medienkritischen Aspekte findet sich seit April 2023 in einem Paper bei Researchgate: “Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus. Eine kommentierte Fallsammlung”  Wenn es doch noch zu einer nennenswerten Aufarbeitung kommen sollte, könnte dies in einem neuen Beitrag gesammelt werden. Für die bessere Orientierung und ggf. Bezugnahme in Kommentaren unter dem Beitrag werden die Einträge bzw. Abschnitte nummeriert.  [Letztes Update: 02.07.2023] . Weiterlesen

Satire ist kein Fake

Es war ja klar, dass seit dem 19. Dezember 2018 alles mögliche “Fake” und “Relotius”  ist. Dass der Skandal zu diversen Grundsatzdiskussionen führt, ist ein schöner Nebeneffekt. Was dabei aber alles durcheinander gerät, ist unschön.

So haben diverse Professoren die Gelegenheit genutzt, ihr Credo zu beten, es gebe keine Objektivität im Journalismus, keine Wahrheit, keine Richtigkeit, weil ja alle Wahrnehmung nur Konstruktion von Wirklichkeit sei. Michael Meyen: schreibt:

Objektivität, Trennung von Nachricht und Meinung, Neutralität, Unabhängigkeit, Vielfalt, Ausgewogenheit: Solche Kriterienkataloge sind verräterisch, weil sie etwas versprechen, was niemals einzulösen ist, und so die Selektivität verdecken, die jede Berichterstattung ausmacht (vgl. Lippmann 2018: 293).

All diese Kriterien bestreiten keineswegs Selektivität der Berichterstattung, sie sollen sie viel mehr begründen helfen. So wie “Transparenz”, die Meyen (mit vielen anderen) als Ersatz für den Objektivitätsmythos empfiehlt. Aber das wird ein anderes Mal genauer zu verhandeln sein, das Thema läuft uns bestimmt nicht weg, zu viele universitäre Jobs hängen davon ab, dass diese Debatte nicht endet.

Problematischer, weil ohnehin selten betrachtet, ist die Ausdehnung des Fake-Begriffs auf die Satire. Oder eben: das Verkennen von Satire als Fake. Weiterlesen

Deutsche Presseagentur meinungsschwanger? (Autopsie)

Wieviel Nachricht und wieviel Meinung steckt in der deutschen Berichterstattung über die US-Präsidentenwahl? Damit werden sich bestimmt im Nachhinein einige Arbeiten beschäftigen, heute nur mal ein “Schlaglicht”: Schauen wir uns einen Agenturtext an, hier von dpa (der wohl auf als Vorlage für einen Beitrag der Berliner Zeitung hergehalten hat – oder beide stützen sich auf dieselbe Quelle, jedenfalls könnte man den Berliner Text nochmal separat sezieren…)
Die nachfolgenden Anmerkungen und Fragen sind nur ein Angebot für die Diskussion – es erfolgt absichtlich keine abschließende Bewertung. Weiterlesen

IQ schwer verkäuflich

Journalismus kann ein netter Service sein. Wenn er etwa eine Tagung zusammenfasst, alles Blabla der Talkrunden und Panels ausblendet, mit den wichtigsten O-Tönen als Video für den realistischen (Sympathie-)Eindruck.
Warten wir also gespannt, was Journalisten von der Tagung der “Initiative Qualität im Journalismus” (IQ) berichten werden, die am 12. Oktober 2015 im Berliner Funkhaus des Deutschlandradios stattfand. Denn mit Eröffnung der Mittagspause, die eine eher karge, ob des bereits eingesparten Frühstückhappens aber dringend benötigte Verpflegung in Aussicht stellte, schritt der Autor, der nichts bloggen sondern nur eine warme Mahlzeit schnorren wollte, von dannen.

Nur recht wenige Journalisten, Wissenschaftler und um die Demokratie Besorgte waren zu diesem achten Herbstforum der “IQ” gekommen, am Vormittag konnte man etwa 70 Köpfe zählen – bei 16 Referenten und Podiumsdiskutanten. Der Veranstaltungstitel versprach auch nicht die ganz großen Knaller: “Qualität  hat ihren Preis – Journalismus finanzieren”.

Das größte Manko des Forums: zu viel Geplauder, zu wenig Hard Facts. Stephan Ruß-Mohl nur 20 Minuten für den einzigen Vortrag an diesem Tag zu geben war da, weil wohl nicht Frechheit, Verkennen von Qualität. Denn der Mann, der – bis heute zu seinem Leidwesen zitiert – vor einem viertel Jahrhundert journalistische Qualitätsbestimmung für so einfach hielt, wie einen Pudding an die Wand zu nageln (was er längst revidiert hat), hatte zu den ökonomischen Aspekten des Journalismus natürlich jede Menge zu sagen, musst sich aber durch seine Folien hetzen und auf einen provokativen Ausblick verzichten, um die strenge Zeitvorgabe einzuhalten.

Dafür gab es dann zwei Stunden lang Gespräche über Finanzierungsmodelle von Blogs, Online-Zeitungen, E-Paper und Print, mit: Konny Gellenbeck (taz-Genossenschaft), Dr. Christian Humborg (Correct!v), Philipp Schwörbel (Prenzlauer Berg Nachrichten), Alexander von Streit (Krautreporter), Hermann-Josef Tenhagen (finanztip), Moritz Tschermak (Watchblog “Topf voll Gold”), Florian Kranefuß (Der Tagesspiegel), Bascha Mika (Frankfurter Rundschau), sowie nach der Pause wohl noch Talk mit Dr. Ralf Bremer (Google Digital News Initiative), Simone Jost-Westendorf (LfM-Stiftung Vielfalt und Partizipation Düsseldorf), Prof. Dr. Marlis Prinzing (Macromedia-Hochschule), Jens Rehländer VolkswagenStiftung) und Prof. Dr. Stephan Ruß-Mohl (European Journalism Observatory, Lugano).

Das war nicht völlig uninteressant, allerdings vor allem vom Boulevard aus betrachtet, wegen der Personalisierung, dem People-haften. Fast alles, was Interviewer Werner Lauff nicht zu wissen vorgab und daher, gelegentlich auch mehrfach, erfragte, war dem interessierten Mediennutzer und dreimaldrei Mal dem medienjournalistisch Fachkundigen bereits bekannt. Die Essentials lassen sich auf einem Blatt zusammenfassen – als Kondensation der kleinen Tagungsmappe.

Eine wirkliche Vertiefung hätten die Ideen zur öffentlichen Finanzierung von Journalismus vertragen – so tauchten sie immer nur am Rande auf. Schon im Grußwort zur Eröffnung hatte sich Deutschlandradio Intentant Dr. Willi Steul klar gegen staatliche Subventionen ausgesprochen – wohlwissend und bekennend, dass er als Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks da eigentlich im Glashaus sitzt. Stephan Ruß-Mohl hatte zwar ebenfalls staatliche Presseförderung als “völlig abwegig” bezeichnet, konnte sich aber gleichwohl eine “Flat-Rate” vorstellen, worunter er wohl die alte Idee verstand, das Geld der GEZ-Haushaltsabgabe nicht nur für den Rundfunk zu verwenden, sondern darüber nach bestimmten Kriterien Journalismus aller Mediengattungen zu fördern – ein konkreter potentieller Empfänger wäre wohl das “gemeinnützige Recherchezentrum” “CORRECT!V” von David Schraven und Kollegen (siehe: Kulturflatrate).

In der Logik des Subventionsberichts der Bundesregierung wäre es auch eine Staatsleistung, Online- und Printjournalismus einheitlich zu besteuern. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gilt derzeit nur für Printprodukte. So mussten die Krautreporter von der ersten Million, die sie per Crowdfunding eingesammelt hatten, den vollen Mehrwertsteuersatz von 19% abführen (siehe hierzu Hamburger Abendblatt: Finanzminister Schäuble macht das Lesen teurer).

Einige Tweets von der Veranstaltung (#IQF15):

Michael Geffken: “Hat mangelnde Zahlungsbereitschaft vielleicht auch mit Relevanz zu tun?”

BDZV: “@marlisprinzing: Community nicht als lästiges Anhängsel sehen, sondern mit einbeziehen. Dann steigt Qualität der Kommentare”

Eva Werner : “Etwas überspitzt: ‘Kein normaler Mensch draußen interessiert sich für die #Medienkrise’, meint @Jens_Rehlaender von @VolkswagenSt.”

Journalisten-Verband (DJV): “Viele können sich unter Qualitätsjournalismus gar nichts mehr vorstellen, so @marlisprinzing. Daher fehle es an Zahlungsbereitschaft.”

BDZV: “F Kranefuß [Tagesspiegel] bei #IQF15: Wir sind froh über unsere E-Paper, machen 10 bis 15 % unserer verkauften Auflage aus.”

DJV Hamburg: “Moritz Tschernak u seine Jungs von @topfvollgold können durch Bloggen wenigstens Miete bezahlen #IQF15 (mf)”

Jens Rehländer: “@vonstreit (l.) bei #iqf15: @krautreporter ist eine ‘offene Versuchsanordnung’ für die Branche.” [mit Foto]

Marlis Prinzing : “@correctiv_org #Iqf15 @chumborg Christian humborg plädiert für generell mehr gemeinnützigen Journalismus!”

Jens Rehländer: “@srussmohl sieht Ausbildung und Qualitätssicherung im Journalismus möglicherweise als Finanzierungsaufgabe für Steuerzahler”

U. Maercks-Franzen: “Ruß-Mohl: Müssen auch ‘for Profit-Journalismus’ neb. öff.- rechtlich. Journ. am Leben halten, wenn wir Qualitätsjourn.  wollen”

Frederike Roser: “#Stiftungen sind für die Finanzierung von Journalismus nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt @srussmohl auf der Tagung #iqf15 beim @DLF”

matias: “DLR Intendant Steul fordert Qualitäts- statt Rudeljournalismus vom öffentlich rechtlichen Rundfunk”

Mehr Tweets beim DJV (Storify).

Ordentliche Berichte von der Tagung:
(in der am 26.10.2015 an die Teilnehmer verschickten Dokumentation finden sich einige wenige Medienbelege. Daraus kann man folgendes verlinken:)

HAZ: Wer finanziert guten Journalismus?

Bericht bei der GKP (Gesellschaft katholischer Publizisten Deutschlands)

Weiteres zum Thema:

Ad-Blocker hatte Ruß-Mohl als ein Problem der Journalismus-finanzierung genannt. Logisch irgendwie. Daher auch kein Skandal, dass Bild.de AdBlocker-Usern keinen Gratis-Content liefern will. (Bericht bei meedia)

Spiegel-Online ignoriert Ekelvideo nach Kräften

Die Wertmaßstäbe deutscher Journalisten bleiben rätselhaft. Ein Interesse, sie offenzulegen, gibt es meist nicht. Entsprechend wenig nachvollziehbar sind dann ihre Kommentare.

Stefan Kuzmany findet das Musikvideo “Gloria” von  Joachim Witt ekig, hält es für Schund. Schön. Nur was interessiert uns das? Genauso gut könnte er in einem Spiegel-Online-Artikel offenbaren, dass er Erdbeereis mag und Spinat schon immer doof fand – oder wie auch immer seine Geschmackgefühlslage da sein mag.

Hilfreich wäre daher zu erfahren, wie Kuzmany zu seinem Urteil kommt.

“Das Video zum neuen Song “Gloria” von Joachim Witt wäre eigentlich keiner Erwähnung wert, würde es nicht neben schwarz beflügelten Engeln, einem seltsamen Fantasy-Typen mit drei Augen und einer katholischen Prozession in einer Berglandschaft auch Bundeswehrsoldaten zeigen.”

Musik und Filmästhetik sind also nicht Gegenstand seiner journalistischen Betrachtung. Relevant wird das Video, weil es in zwei Szenen Soldatenschauspieler zeigt, – die, und das ist wohl das alleinige Thema, deutsche “Hohheitszeichens auf den Uniformen” tragen, wie Witt selbst sagt. Diese Soldaten vergewaltigen eine Frau und filmen das ganze.

Nun wäre es gut zu erfahren, warum dies nicht nur einer Erwähnung, sondern großer Aufregung wert ist. Vergewaltigung wird in jedem zweiten Krimi gespielt,  sie gehört zu jedem Krieg, sie ist Standardrepertoire gewalttätiger Dominanz – in jedem Knast, in jedem Lager, potenziel überall, wo Männer für längere Zeit zusammengefercht werden.

Warum soll das nicht in einem Musikvideo vorkommen dürfen – zumal die Vergewaltigungszene ohne jeden Voyeurismus gedreht ist, sie sich vielmehr auf gut funktionierenden Andeutungen beschränkt?

Wo die Grenzverletzung liegen soll, legt Kuzmany selbst dann nicht dar, wenn es um eine anstehende Zensur geht. Dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) das Video nun auf Antrag des Bundesfamilienministeriums auf den Index setzen soll, sieht der Journalist nur als mögliche weitere Werbung. Was an diesem Video verbotswürdig sein soll – kein Wort. Eine Nachfrage beim Deutschen Journalistenverband, ob er schon die Alarmglocken läuten lässt gegen einen solchen Eingriff in die Kunstfreiheit – für das wohl zweifelsohne weit anspruchslosere Titanic-Cover hatte er sich ja gerade stark gemacht – Fehlanzeige.

Stattdessen die Prognose, eine Indizierung (bedeutet u.a.: Zugang nur für Erwachsene, keine öffentliche Werbung, Mehrwertsteuer 19 statt 7 Prozent) würde Witt freuen:

“Sein Schund würde damit auch noch ein amtliches Gütesiegel bekommen.”

Update zur Geschichte: BILD besser als SPIEGEL. Das video wurde – selbstverständlich – nicht indiziert.

Was will das “Internet-Manifest”?

Es wird so viel behauptet den lieben langen Tag – allein die Lehrerbehauptungen vom Vormittag bekommen wir beim Mittagessen gar nicht alle durchgekaut – dass es auf 17 weitere Behauptungen auch nicht ankommt. Und doch werden diese 17 Behauptungen Thema in einer bestimmten Kulturnische sein, es wird sich ein kleines Heer von”Jawohl!”-Rufern einfinden, es werden einige meckernd am Rand stehen, und am Ort des Geschehens wird man den Eindruck haben dürfen, dass gerade gesellschaftspolitisch Relevantes geschieht, was nicht zuletzt der mediale Niederschlag belegen wird.

Denn die 17 Behauptungen stammen von Angehörigen einer Internetdebatten-Elite. Sie können sicher sein, die Fachdebatte weiter mitzubestimmen, trotzdem sich “jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter” einrichtet.

Das ist auch das Grundproblem bei den als “Internet-Manifest” titulierten Behauptungen: es ist kein Manifest von Hungernden und Dürstenden, von Menschen, die für sich Veränderung wollen, wie das bei allen wirkmächtigen Manifesten der Fall war, sondern es sind die Klugheiten von Satten, von Wissenden. Wem soll damit warum etwas gesagt werden?

“Wie Journalismus heute funktioniert” will das Internet-Manifests umreißen. Es ist ein legitimes Unterfangen, dazu nicht den ungezählten Dissertationen der letzten Jahre eine weitere hinzuzufügen, sondern einfach 17 Behauptungen in die Welt zu setzen. Nur:  Mit welcher Intention?

Einige Forderungen aus den Internetdebatten der letzten Monate sind wiederzuerkennen: man ist gegen Seitensperrungen, gegen ein Leistungsschutzrecht der Verlage. Die alte, schon immer langweilende Debatte um die journalistischen Leistungen von Bloggern scheint durch. Und den Menschen von Papiermedien muss man noch ganz viel Nachhilfe erteilen.

Alle 17 Behauptungen sind ohne Zweifel diskussionswürdig. Aber wer soll sie mit wem warum diskutieren? Medienunternehmer, Journalisten, Blogger, Community-User etc. stellen ihre Ansprüche ans Web, haben Erwartungen, Absichten. Einem gemeinsamen Manifest müsste der Dialog vorausgehen, nicht folgen. Dazu drei Beispiele.

Die Autoren – Markus Beckedahl, Mercedes Bunz, Julius Endert, Johnny Haeusler, Thomas Knüwer, Sascha Lobo, Robin Meyer-Lucht, Wolfgang Michal, Stefan Niggemeier, Kathrin Passig, Janko Röttgers, Peter Schink, Mario Sixtus, Peter Stawowy, Fiete Stegers – schreiben:

5. Das Internet ist der Sieg der Information.
Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.

Das ist sicherlich alles richtig – sagt aber zum Journalismus noch nicht viel. Journalismus beschäftigt sich per definitionem mit den Dingen, die noch nicht im Netz sind oder noch nicht so verknüpft sind, wie sie der Journalismus dann verknüpft. Dazu und wie das alles weitergehen soll (auch außerhalb des Webs), gibt es sehr viel zu sagen – im Manifest steht dazu nichts.

10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.
Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.

Bisher ist die Presse- und Rundfunkfreiheit sehr wohl ein Berufsprivileg. Der Auskunftsanspruch der Presse ist etwas anderes als eine Auskunft nach dem  Informationsfreiheitsgesetz (wo es dies überhaupt gibt). Dass es neben bezahlten Journalisten auch unbezahlte gibt, ist keine Innovation des Internets, und es gab schon immer Bereiche, wo überhaupt nur “Amateure” agieren konnten, etwa bei Schülerzeitungen.
Es besteht ganz erheblicher medienrechtlicher Entwicklungsbedarf – aber die Abschaffung der bisherigen Pressefreiheit (die etwas ganz anderes als die Meinungsäußerungsfreiheit ist!) gehört sicherlich nicht dazu. Und sollte mit dem letzten Satz so etwa wie ein Journalismus-TÜV intendiert sein, bei dem sich jeder seine Plakette für geprüften Gutjournalismus abholen kann, fehlt mir ein Link zur entsprechenden Debatte, um es nicht einfach für ganz großen Blödsinn zu halten, zumal die Autoren ausgerechnet zur Qualität gar nichts zu sagen haben:

16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.

Wer die Fachliteratur zur journalistischen Qualität der letzten 20 Jahre kennt, weiß, dass es kaum Einigkeit gibt. Das Manifest macht nun im bekannten Zirkelschluss den Erfolg selbst zum Qualitätskriterium.  Für den Journalismus ist die Frage, was seine Qualität ausmacht und wie man sie misst, von größter Bedeutung. Diese Behauptung Nr. 16 trägt dazu leider gar nichts bei.

Update 09.09.09 / 11.09.09:
* Es gibt neben einer braven englischen Übersetzung auch eine englische Kurzfassung (Beispiel zu Nr. 11: “Quantity is an excellent thing. Make lots of things and put them on the internet.”)
* Klassische Redaktionsarbeit wäre jetzt bei der Gestaltung der Diskussion gefragt. Denn diese verläuft an verschiedenen Orten je recht selbständig. Die offizielle Manifest-Seite zählt im Moment 245 Kommentare, bei Stefan Niggemeier stehen 377,  bei Sascha Lobo 41 usw.
* Lesenswerte Rezension: Julia Seeliger (taz.de)
* Überblick beim Altpapier
* Die FR-Online über Blog-Eliten

Update 11.09.09
Stefan Niggemeier erklärt ausführlich seine Intention für das Manifest.