Die journalistische Berichterstattung zur Corona-Pandemie und deren politischer Handhabung wird die Medienforschung (hoffentlich) noch lange Zeit beschäftigen. Die nachfolgende Sammlung mit Literatur, Links und Ergänzungen zur Diskussion wurde von Herbst 2020 bis Ende 2022 kontinuierlich fortgeführt. Nun soll der Themenkomplex abgeschlossen werden. Eine Zusammenfassung der medienkritischen Aspekte findet sich seit April 2023 in einem Paper bei Researchgate: “Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus. Eine kommentierte Fallsammlung“. Wenn es doch noch zu einer nennenswerten Aufarbeitung kommen sollte, könnte dies in einem neuen Beitrag gesammelt werden. Für die bessere Orientierung und ggf. Bezugnahme in Kommentaren unter dem Beitrag werden die Einträge bzw. Abschnitte nummeriert.
[Diese Sammlung hier wird nicht mehr erweitert, letztes rein formales Update: 30.07.2024] .Übersicht:
01. Fallsammlung zu Qualitätsmängeln im Corona-Journalismus
02. Studien zur journalistischen Leistung in der Corona-Pandemie
03. Journalistische Medienkritik
04. Medienkritik aus der Journalistik/ Kommunikationswissenschaft
05. Kritik aus anderen Wissenschaftsgebieten
06. Sonstige Kritik, die der Journalismus auf sich beziehen kann
07. (entfallen)
08. Reaktionen auf Medienkritik zur Corona-Berichterstattung/ Dialoge
09. Sonstige Hinweise
10. zu #allesdichtmachen (als Beispiel für eine Mediendebatte zu Corona-Aspekten)
11. Updates zum journalistik-Beitrag
01. Fallsammlung zu Qualitätsmängeln im Corona-Journalismus
Bereits im Sommer 2020 sind in der Fachzeitschrift “journalistik” drei Debattenbeiträge zum “Corona-Journalismus” erschienen (verlinkt ist jeweils die Blog-Seite, in der rechten Spalte dort gibt es einen Link zur ggf. besser lesbaren pdf-Version):
+”Desinfektionsjournalismus” – Debattenbeitrag von Timo Rieg
Englische Version: Disinfection journalism. Reporting on coronavirus has not been a beacon of orientation. DOI: 10.1453/2569-152X-22020-10686-en
+ “Ungerechte Medienkritik” – Replik von Prof. Tanjev Schultz
+ “Vernachlässigte Medienkritik” – Kurze Antwort von Timo Rieg
An den Essay “Desinfektionsjournalismus” schloss sich eine Artikelserie an, die ausführlich einzelne Qualitätskriterien anhand der Corona-Berichterstattung diskutierte (Punkt 01.01). Das darin verarbeitete Material und einiges weitere aus dem im Laufe von drei Jahren stark gewachsenen Fundus sind nun gebündelt im Working-Paper “Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus” (Punkt 01.02).
01.01 Serie Medienkritik auf Telepolis
Da es als Grundlage für den Beitrag “Desinfektionsjournalismus” eine umfangreiche Sammlung journalistischer Beiträge gab, von denen nur wenige referenziert oder gar diskutiert werden konnten, erschien eine achtteilige Serie zum “Corona-Journalismus” auf Telepolis, mit ca. 400 Fällen aus der Berichterstattung. Diese medienjournalistischen Artikel richten sich nicht speziell an ein Fachpublikum:
+Teil 1: “Elementare Defizite der Berichterstattung” (11.10.2020)
Ergebnisse der Schweizer Studie “Qualität der Medienberichterstattung zur Corona-Pandemie”
+Teil 2: Zum Qualitätskriterium Richtigkeit: Wenn schon die Fakten nicht stimmen (20.10.2020)
+Teil 3: Zum Qualitätskriterium Vollständigkeit (“Halbe Wahrheiten sind keine”; 01.11.2020)
+ Teil 4: Zum Qualitätskriterium der Meinungsvielfalt (Teil von Vollständigkeit; 22.11.2020)
+ Teil 5: Zum Qualitätskriterium Repräsentativität (“Verzerrte Proportionen”, 22.12.2020)
+ Teil 6: Zum Qualitätskriterium Objektivität (inkl. Medienjournalismus; 14.02.2021)
+ Teil 7: Zu den Qualitätskriterien Relevanz und Recherche (13.06.2021)
+ Teil 8: Resümee: “Orientierungsleistung mangelhaft” (15.11.2021)
+ Zusammenfassung in einfacher Sprache: “Was man am Corona-Journalismus kritisieren kann” (15.11.2021)
01.02 Working Paper Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus
Auf Grundlage der achtteiligen TP-Serie gibt es nun ein überarbeitetes, aktualisiertes Working-Paper zum Thema: “Qualitatsdefizite im Corona-Journalismus – Eine kommentierte Fallsammlung” bei Researchgate, Stand Juli 2024 ca. 190 Seiten pdf). Da dieses Paper nicht mehr aktualisiert wird, finden sich ggf. notwendige Anmerkungen in einem eigenen Blog-Post.
Rückmeldungen und mediale Resonanz dazu:
+ Berliner Zeitung: “Corona-Berichterstattung: Das Interesse der Medien an Aufarbeitung ist gering” (Dirk Engelhardt, 06.04.2023)
+ RTL West: Gespräch Programmgeschäftsführer Jörg Zajonc mit Medienjournalist Timo Rieg im Sendungsformat “Klartext” (04.05.2023)
+ NDS: “Corona-Demonstrationen: Journalismus ‘fern aller Qualitätsstandards’“, Interview (05.05.2023)
+ Video-Interview mit Bastian Barucker (2h, 20.05.2023), Podcast-Version (Audio)
02. Studien zur journalistischen Leistung in der Corona-Pandemie
Da erwartungsgemäß inzwischen eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen erschienen ist, wird hier nur aufgeführt, was unmittelbar zur Diskussion über die Qualität der deutschen Corona-Berichterstattung beiträgt. (Die fög-Studie fällt darunter, weil sie die erste ihrer Art war mit entsprechender Leitwirkung und weil die verwendete Methodik als lange Jahre erprobte Referenz gilt.)
02.01 Schweizer Qualitätsstudie (fög)
Eisenegger, Mark/ Franziska Oehmer/ Linards Udris/ Daniel Vogler (2020): Die Qualität der Medienberichterstattung zur Corona-Pandemie [Analyse zur Corona-Berichterstattung in den Schweizer Medien], Qualität der Medien Studie 1/2020, hrsg. vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich, pdf
+Zusammenfassung und Einordnung der eigenen formulierten Medienkritik:
Klaus Meier: “Halb voll ist eben auch halb leer: Studie zur Corona-Berichterstattung“, Medienwoche, 31.07.2020,
+In Schweizer Medien ist eine ganze Reihe (kurzer) Nachrichten zu dieser Studie erschienen, z.B.:
Studie beurteilt Covid-19-Berichterstattung “tendenziell positiv” (msn.com von Keystone-SDA, 29.07.2020)
“Coronaberichterstattung in Medien sachlich und vielfältig” (Aargauer Zeitung)
“Die Medien haben vielfältig berichtet“, SRF, 29.07.2020, Gespräch mit Mark Eisenegger (6 min)
“Die Bedrohung in der Altersvorsorge ist schwieriger zu vermitteln“, Interview mit Mark Eisenegger, 18.08.2020
Eisenegger, Mark; Franziska Oehmer/ Linards Udris/ Daniel Vogler (2021). Lessons Learned? Die Qualität der Medienberichterstattung in der ersten und zweiten Welle der Corona-Pandemie. Zürich: Universität Zürich.
02.02 ARD- und ZDF-Sondersendungen
Gräf, Dennis/ Martin Hennig: Die Verengung der Welt. Zur medialen Konstruktion Deutschlands unter Covid-19 anhand der Formate ARD Extra -Die Coronalage und ZDF Spezial (Preprint via Researchgate). Veröffentlicht im Magazin des DFG Graduiertenkollegs Privatheit und Digitalisierung, Sonderausgabe #COV-19, September 2020, S. 13-20 (nicht 14-22, wie im Preprint angegeben und seitdem vielfach zitiert).
+Einige Reaktionen sowie seine eigene Einschätzung hat Ralf Heimann im MDR-Altpapier notiert, Titel: “Akademischer Tunnelblick” (24.08.2020)
+ Kritik von ARD- und ZDF-Vertretern bei Kress
+ Kurzes Statement zu den Reaktionen bei Uni Passau (26.08.2020)
02.03 Mainstream-Media auf Facebook
Quandt, Thorsten/ Svenja Boberg/ Tim Schatto-Eckrodt/ Lena Frischlich: Pandemic News: Facebook Pages of Mainstream News Media and the Coronavirus Crisis. A Computational Content Analysis.in: Münster Online Research (MOR) Working Paper, 2, [Pre-Print] [29.05.2020; abg. 07.07.2020]
+ Steinert, Jonathan: Forscher stellen Medien gutes Corona-Zeugnis aus (Pro – Christliches Medienmagazin, 05.06.2020)
+ Westfälische Nachrichten: Journalismus versagt in der Corona-Krise nicht (02.06.2020)
+ PM der Uni-Münster zur vorangegangenen Studie Boberg/ Quandt/ Schatto-Eckrodt/ Frischlich (2020): Pandemic Populism. Facebook Pages of Alternative News Media and the Corona Crisis – A Computational Content Analysis. (Mit Link zum Pre-Print) (07.04.2020)
02.04 Fallanalysen
Kramp, Leif/ Stephan Weichert (2021): Konstruktiv durch Krisen? Fallanalysen zum Corona-Journalismus. Frankfurt am Main: Otto Brenner Stiftung [OBS-Arbeitsheft 107] [Mit Zusammenfassung der Medienkritik am Corona-Journalismus] [Online: 26.10.2021]
02.05 Corona-Talkshows
Faas, Thorsten/ Mona Krewel (2021): Corona-Sprechstunde mit Maybrit Illner, Anne Will & Frank Plasberg. Parteilich & oberflächlich oder ausgewogen & informativ?
Erste Ergebnisse einer Analyse der Qualität der Diskussion über die Covid-19-Pandemie in
ausgewählten deutschen Polit-Talkshows. Hamburg: Rudolf-Augstein-Stiftung.
+ “Bei Anne Will kein Thema.” Kurze Vorstellung der Studie von Michael Angele im Freitag 45/2021 (Hrsg. Jakob Augeinst)
+ Eine erweiterte Fassung erschien unter dem Titel “Politische Talkshows in der Pandemie – Eine Untersuchung zur Vielfalt von Gesprächssendungen im deutschen Fernsehen” in Media Perspektiven 11/2022 (pdf). Auch darin wird allerdings mit keinem Wort erwähnt, dass die AfD als in der 19. Legislaturperiode größte Oppositionspartei im Bundestag kein einziges Mal in einer der ausgezählten Talkshows vertreten war. (Vgl. hierzu Abschnitt “Die typischen Protagonisten” in Kapitel 5 des Papers “Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus“.)
+ Siehe zum Thema auch Jakob Buhre: Analyse von Talkshows zu Corona in Das Erste und ZDF mit Auswertung von 59 Sendungen Markus Lanz, Maybrit Illner, Hart aber Fair, Anne Will und Sandra Maischberger in der Zeit vom 26.02. bis 04.05.2020.
02.06 Qualitätsstudie über 11 Leitmedien (1. Januar 2020 bis 30. April 2021)
Maurer, Marcus/ Carsten Reinemann/ Simon Kruschinski (2021): Einseitig, unkritisch, regierungsnah? Eine empirische Studie zur Qualität der journalistischen Berichterstattung über die Corona-Pandemie. Hamburg: Rudolf-Augstein-Stiftung
Das Sampel umfasst elf sog. Leitmedien, nämlich die sieben Online-Nachrichtenangebote bild.de, faz.net, focus.de, spiegel.de, sueddeutsche.de, t-online.de, welt.de und die vier Fernsehnachrichten-Formate heute (ZDF), RTL aktuell, Tagesschau (ARD), und ARD Extra zur Corona-Pandemi). Die Qualität der Medienberichterstattung wird dabei an frühere Studien anknüpfend in sechs Dimensionen gemessen: 1) Relevanz, 2) Vielfalt, 3) Sachlichkeit/ Neutralität, 4) Richtigkeit/ Sachgerechtigkeit, 5) Ausgewogenheit und 6) Einordnung/ Kontextualisierung. Die Studie wird im Working Paper Qualitätsdefizite des Corona-Journalismus diskutiert.
+ “Unsicherheiten wurden nicht ausreichend transparent gemacht” von Christian Meier, in: Welt, 8.11.2021
+ “Auf Regierungslinie, aber nicht unkritisch“, Kurt Sagatz in: Tagesspiegel, 9.11.2021 (von der Präsentationsveranstaltung der Rudolf-Augstein-Stiftung am 8.11. und daher auch über die Studie “Corona-Sprechstunde”, Punkt 02.05)
02.08 Weitere Literaturhinweise
Themenausgabe Digital Journalism: Covering Covid 19 – The Coronavirus Pandemic as a Critical Moment for Digital Journalism.
>Die Themenausgabe mit dem Titel „Covering Covid-19: The Coronavirus Pandemic as a Critical Moment for Digital Journalism” ist Teil von insgesamt drei thematischen Sonderausgaben der welweit führenden Fachzeitschriften Digital Journalism und Journalism Studies. Auf den Aufruf zur Einreichung von Forschungsarbeiten im Jahr 2020 erreichten das Herausgeberteam fast 200 Einreichungen, so dass die ursprüngliche geplante Special Issue auf drei Ausgaben erweitert wurde. Eine weiteres Themenheft von Digital Journalism sowie eines von Journalism Studies werden im Frühjahr 2022 erscheinen.< (Thorsten Quandt, 11/2021)
03. Journalistische Medienkritik
Augstein, Franziska: Fortgeworfen vom Staat. (Grundrechte außer Kraft, Alte isoliert, Kinder ohne Bildung: Wie Covid-19 die Werte beschädigt, die das deutsche Gemeinwesen ausmachen.) in: spiegel.de (09.01.2021)
Angstmache war und ist Programm. Jene Fachmediziner, die nach Auffassung von Journalisten Covid-19 nicht ernst genug nahmen, bekamen gelegentlich ein wenig Raum, ihre Ansichten darzulegen. Aber prominent wurden jene vorgestellt, die über Covid-19 reden, als befänden wir uns im 14. Jahrhundert und es handele sich um die Pest. So musste beim Publikum der Eindruck entstehen, jedes Opfer sei zu bringen, um dieser tödlichen Krankheit zu entgehen. (Augstein)
Baur, Alex: Dynamik der Panik, in: Weltwoche, 15.04.2020
Giacobbo, Viktor (Schweizer Komiker): “Wir Satiriker waren noch nie so regierungstreu wie jetzt” (Tagesanzeiger, 04.04.2020)
Jacobs, Dirk: “Corona und die Medien: Wir müssen sprechen” (Berliner Zeitung, 01.07.2023), mit Verweis auf einen Beitrag von Dirk Engelhardt (06.04.2023)
Jende, Robert/ Timo Rieg: Demokratischer Meinungsstreit am Beispiel #allesdichtmachen, Podcast ?Macht:Los! Folge 14 vom 22.05.2021
Linß, Vera: Berichten die Medien zu unkritisch? Journalismus in der Coronakrise. In: Deutschlandfunk Kultur, Sendung “Breitband”, 21.03.2020
Lübberding, Frank: In der Sackgasse (TV-Kritik zu Maischberger), FAZ, 06.08.2020. Auszug:
>Aber wie ist es eigentlich zu dieser desaströsen Fehlentwicklung gekommen, die Pandemie-Bekämpfung mittlerweile mit einem ideologischen Bekenntnis verwechselt?< (Lübberding)
Lübberding, Frank: Was die Medien aus Corona machten, Welt (Plus), 22.03.2022 (Eine Zitatesammlung aus zwei Jahren Berichterstattung). Aus der Einleitung:
Diese Zitatensammlung ist der Versuch einer Rekonstruktion dieser Konflikte. Die Auswahl ist subjektiv, vieles fehlt, darunter fremde und eigene Irrtümer. Niemand erwartete im Januar 2020, was uns in den kommenden beiden Jahren bevorstehen würde. […] Die Sammlung soll vielmehr den kritischen Sinn für einen Diskurs schärfen, der sich in einem atemberaubenden Tempo in den Kategorien des Freund-Feind-Denkens verselbständigte.
Neubacher, Alexander: Wir Corona-Versager (Spiegel 11/2023, 11.03.2023)
Reisin, Andrej: Staatsräson als erste Medienpflicht? In: Übermedien, 17.03.2020
Reisin, Andrej: Von der fehlenden journalistischen Distanz zu Christian Drosten. In: Übermedien, 30.05.2020
Rieg, Timo: Journalismus im Krankenstand. In: Telepolis, 26.03.2020
Rieg, Timo: Coronapolitikkritikleugner (Blogbeitrag zur Berichterstattung über die Demonstrationen gegen die Pandemiepolitik, 30.08.2020)
>Es gibt theoretisch zwei Möglichkeiten, was behördliches Verbot und gerichtliche Aufhebung bedeuten können. In beiden Fällen müsste dringend geklärt werden, wie es dazu kommen konnte. Denn entweder lag die Polizei mit ihrem Verbot völlig daneben. Dann ist es nicht Zeit für lustige Späßchen der Art “feine Diktatur in der wir da leben, wo Gerichte noch frei entscheiden” (natürlich war sich die Heute-Show genau dafür nicht zu doof), sondern für Vorkehrungen, künftig solche rechtswidrigen Entscheidungen zu verhindern. Oder aber die beiden Gerichte lagen völlig daneben. Dann sollten die Bürger dringend große Zweifel am Rechtsstaat haben, und die Medien müssten recherchieren, wie mit einer nicht funktionierenden Gerichtsbarkeit umzugehen ist.
Doch die Medien ließen die von ihnen mitverursachte Unsicherheit einfach stehen, mit dem Ergebnis, dass sich weiterhin jeder seine eigene Wahrheit daraus basteln kann.< (Rieg)
Rieg, Timo: Eine Ehrenrettung des Querdenkens. In: Deutschlandfunk Kultur, 07.02.2023
Röhn, Tim: Ich bleibe skeptisch, das ist mein Job. In: Welt (Plus), 30.11.2021
>In der Corona-Krise hat der Journalismus seine zentrale Aufgabe vergessen. Schleichend ist er dazu übergegangen, Skepsis und Kritik als schädlich zu stigmatisieren. Wie konnte das passieren? Bekenntnisse eines Journalisten.< (Tim Röhn, Teaser)
Röhrlich, Dagmar : Journalismus zwischen Verharmlosung und Alarmismus, Ärztezeitung (30.12.2020)
[ein Plädoyer für mehr Wissenschaftsjournalismus, der Geld kostet]
Rosenfelder, Andreas: Die Regierungssprecher (Medien in der Corona-Krise). In: Welt, 05.01.2021:
>Da gibt es Journalisten, die durch eine Recherche [Spiegel zum “Impf-Skandal”] aufdecken, dass in einem für jeden Bürger dieses Landes folgenreichen Ablauf schwere Fehler gemacht wurden – und dann kommen andere Journalisten, die ihre Aufgabe darin sehen, diese Fehler herunterzuspielen, die Alternativlosigkeit einer Strategie, bei der “nicht alles optimal” war, nachzuweisen (“die Alternativen waren schlechter”) und sich gegenseitig mit kindischen Klatsch-Emojis und digitalen Bitte-bitte-Appellen noch in ihrer PR-Kampagne für die Bundesregierung zu unterstützen. Die einen decken etwas auf, die anderen schütten es wieder zu. Wissen sie nicht, dass das selbst dann nicht ihre journalistische Aufgabe wäre, wenn die Bundesregierung in der Krisenpolitik – und es gibt wenig Anlass, das anzunehmen – wirklich alles richtig gemacht hätte? Merken sie nicht, wie sie beim verzweifelten Versuch, das aus Gründen beschädigte Vertrauen in die Politik zu retten, das Vertrauen in den Journalismus nachhaltig beschädigen? Ist ihnen nicht bewusst, dass sie dabei ein Meinungskonglomerat aus Politik und Medien erzeugen, das jeden Kritiker der “Systemmedien” in seinen krudesten Fantasien bestätigt?< (Rosenfelder)
Ruoff, Robert: Zu große Themen für eine geschlossene Gesellschaft [Rezension des SRF1-Talks “Medienclub” zum Thema “Tatsachen und Meinungen – Wie objektiv berichten die Medien” vom 16. Juni, 22.25 Uhr], in: Medienwoche, 19.06.2020.
Mit Franz Fischlin diskutieren im «Medienclub»: Nathalie Wappler, Direktorin SRF; Regula Stämpfli, Politikwissenschaftlerin; Alex Baur, Journalist «Weltwoche»; Mark Eisenegger, Medienwissenschaftler; und Patrik Müller, Chefredaktor Zentralredaktion CH Media.
Scheben, Helmut: Das Denken von Panik verkümmert, Infosperber, 26.03.2021
>Wenn Menschen nicht mehr wagen, öffentlich ihre Meinung zu äussern, weil sie Angst haben, von der ‘Öffentlichen Meinung’ abzuweichen, dann ist etwas faul an unserer Demokratie. Wenn das Denken «von Panik verkümmert» sei, so formulierte Walter Lippmann, dann hätten die Menschen auch Angst vor Ideen […]<< (Helmut Scheben)
Seeßlen, Georg: Das (Un-)Bild von Corona, Zeit.de (27.12.2020)
https://www.zeit.de/kultur/2020-12/pandemie-coronavirus-bilder-erzaehlung-krise/komplettansicht?
>Zeitungsartikel und Fernsehbeiträge, die sich mit der Hoffnung auf einen Impfstoff beschäftigen, machen mit dem Bild einer Spritze auf. Auf den ersten Blick erscheint das als übliche Gefühlsmanipulation, es muss eben Drastik sein. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Spritzen “indexikalisch” für Schmerz, Angst und “Eindringen” stehen (wer assoziierte nicht sogleich das weinende Kind?), könnte man vom Verschmelzen des Katastrophen- mit dem Trost-Bild sprechen. Die Heilung von der allgemeinen Katastrophe liegt in einer individuellen Schmerzkrise, so suggeriert dieses Indexbild, das verstanden wird, insofern es gleichsam beim Betrachten wehtut. Endlich ist die “Waffe” gefunden, und was wäre eine Waffe, die nicht drohen kann? Die Kavallerie, die unter die Haut geht.< (Seeßlen)
Siggelkow, Pascal: “Sagt mal, spinnt ihr?” Drei, die saufen, sind keine Party. [Sprachkritik zu “Corona-Partys”] In: Übermedien, 09.04.2020.
Skambraks, Ole: Ich kann nicht mehr. [Offener Brief zum Corona-Journalismus im SWR, der zur Kündigung des Mitarbeiters führte]. In: Multipolar, 05.10.2021
SpiegelKritik: Beiträge dieses Blogs zum Thema finden sich unter dem Schlagwort Corona-Journalismus.
Spork, Peter: Die eigentlichen Corona-Opfer kommen in den Medien viel zu kurz. In: Übermedien, 19.11.2020. [“Er begleitet mich schon fast seit Beginn der Coronakrise: Dieser Ärger, dass die Medien mehr über die Einschränkungen der Gesunden berichten als über das Leid der Kranken. Dank einer neuen Kooperation der RiffReporter mit Übermedien, dem unabhängigen Magazin für Medienkritik, durfte ich meinem Ärger nun Luft machen.”]
Steingart, Gabor: Anmerkungen zur Corona-Demo. In: Morningbriefing, 31.08.2020. Zitat:
>Viele Journalisten wollen die Komplexität und Widersprüchlichkeit dieser neuen Protestbewegung nicht verstehen. Sie haben Neugier durch Haltung ersetzt. Der Maßstab ihrer Berichterstattung ist nicht das, was sie sehen und hören, sondern ist der Abstand der Demonstranten zu den eigenen Positionen. Wir erleben diese Verschiebung der Koordinaten jetzt schon seit einiger Zeit: Wer sich im geistigen Ideenraum eines Journalisten befindet, darf mit öffentlicher Belobigung rechnen. Wer sich außerhalb dieser selbst gezimmerten Kathedrale aufhält, dem versucht man mit den Methoden des Exorzismus beizukommen. Der Teufel ist immer der andere.< (Steingart)
Sterz, Christoph: Bitte keine Appelle! (Deutschlandfunk, 23.03.2020). Zitat:
Trotzdem macht mich als Journalist fassungslos, wie manche Kolleginnen und Kollegen aus der Rolle fallen. Wie sie sich darauf beschränken, einfach nur die Statements der führenden Politikerinnen und Politiker eins zu eins wiederzugeben – ohne Einordnung, ohne kritische Fragen, ohne ihr journalistisches Handwerk einzusetzen.< (Sterz)
Stollorz, Volker: Herausforderungen für den Journalismus über Wissenschaft in der Coronapandemie – erste Beobachtungen zu einem Weltereignis. In: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 2021; 64 (1): 70–76.
Übermedien: Einige selbstkritische Stimmen aus dem Journalismus hat Übermedien eingefangen: “Wer hat hier versagt? Wie Medienleute auf zwei Jahre Corona-Journalismus zurückblicken” (09.03.2022). Mit dabei Peter Kloeppel, Korinna Hennig, Jan Fleischhauer, Giovanni di Lorenzo
ZEIT: Unsere Corona-Feler (26.01.2023). Neben Wissenschaftlern und Politikern sind dabei der Journalisten Ranga Yogeshwar und die ZEIT-Redakteure Martin Machowecz, Elisabeth Raether, Andreas Sentker und Jakob Simmank. Besprechung bei TP.
04. Medienkritik aus der Journalistik/ KoWi
Eurich, Claus (em.): Journalismus desaströs – ein Zwischenruf, in: Interbeing (Blog), 06.04.2020
Gordeeva, Daria: Wenn Watchdogs schlafen, in: Medienrealität (Blog), 03.04.2020. Zitat:
>Dieser Beitrag zeigt, wie das Virus medial und politisch zu einem regelrechten Feind gemacht wird – und warum die vehemente Kriegsrhetorik den Journalismus gefährdet. […] Eine „Quick’n’Dirty“-Analyse der Berichterstattung von vier deutschen Leitmedien zur Corona-Krise zeigt: Der SPIEGEL, die BILD-Zeitung, die FAZ und die SZ greifen das Kriegsnarrativ auf und konstruieren das Virus als gnadenlosen Feind, gegen den mit allen Mitteln gekämpft werden muss, ganz im Sinne der Mächtigen.< (Gordeeva)
Haarkötter, Hektor: Geht’s auch mal wieder kritisch? In: Menschen Machen Medien, 01.04.2020
Haller, Michael (em.): Corona-Krise und die Medien. Lost in Transition – Warum die Medienberichterstattung so viel Verwirrung stiftet. Und wie wir dennoch mehr Übersicht gewinnen können. In: Europäisches Institut für Journalismus- und Kommunikationsforschung (EIJC), 04.04.2020. Zitat:
>Der publikumswirksame Kern dieser Desinformationen steckt meines Erachtens in der Aussage, Covid-19 sei in Wahrheit ähnlich harmlos wie sonstige Influenza-Erkrankungen und die Risikogruppe (Raucher, Immunschwache, Vorerkrankte sowie Alte) umfasse „höchstens 5 Millionen Menschen“.< (Haller)
Haller, Michael: Die Kaffeesatzleser sind unterwegs (Telepolis, 13.01.2023)
Jarren, Otfried (em.): Im Krisenmodus. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Zeiten von Corona. In: epd Medien Nr. 13, 27. März 2020 (nicht mehr online)
Krewani, Angela/ Peter Zimmermann (Hrsg.) (2022): Das Virus im Netz medialer Diskurse – Zur Rolle der Medien in der Corona-Krise. Wiesbaden: Springer Vieweg. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36312-3
Die 19 Beiträge kamen nach einem im Juli 2020 in der Gesellschaft für Medienwissenschaft
veröffentlichtem Call for Papers zusammen. Für die journalismuswissenschaftliche Perspektive bietet der Band leider wenig Empirie. Auch Gräf/ Hennig bringen in ihrem Auftaktbeitrag “Corona und Medien: Analyse- und Reflexionslinien von Krisenjournalismus”, der ihre frühere Studie (s.o. 02.02) zeitlich auf das gesamte Jahr 2020 ausdehnt, weder irgendwelche quantiativen Ergebnisse noch systematisch qualitative.
Die Literatur- und erst recht die Datenlage vieler Beiträge ist dünn. Wie bei vielen anderen Beiträgen zum Corona-Journalismus wird oft nicht zwischen Meinung und Tatsache getrennt, persönliche Interpretationen des Weltgeschehens werden wie empirische Befunde behandelt.
Krüger, Uwe: Corona und die Medien (Plädoyer für Haltung und einen “Transformativen Journalismus). In: Sächsische Zeitung, 26.07.2020
Meier, Klaus/ Vinzens Wyss: Journalismus in der Krise. Die fünf Defizite der Corona-Berichterstattung. In: Meedia, 09.04.2020
Meyen, Michael: “Kritik an Corona-Maßnahmen muss möglich sein”. In: Bayerische Staatszeitung, 6.11.2020, https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/politik/detailansicht-politik/artikel/kritik-an-corona-massnahmen-muss-moeglich-sein.html
[Medienwissenschaftler Michael Meyen über einseitige Berichterstattung, ausgedünnte Redaktionen und andere Probleme in Pandemiezeiten]
Pätzold, Ulrich (em.): Corona Journalismus (Mai 2020). (Nach Umbau des Blogs nicht mehr online) Zitat:
>Für sich selber sollten [Journalisten] aber noch mehr beherzigen, was sie von den Wissenschaftlern erfahren: So lange kein gesichertes Wissen vorfügbar ist, gehört zur Vermittlung des Gewussten, auf die Lücken hinzuweisen, um vor falschen Spekulationen zu warnen. Qualitätsjournalismus erweist sich auch im Aufspüren von Wissenslücken. Das ist professionelle Aufklärung von Ungewissheiten.< (Pätzold)
Rieg, Timo: Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus Eine kommentierte Fallsammlung, Researchgate 02/2023
Ruhrmann, Georg: Einführung zur Qualität von Medizinjournalismus und erste Einschätzungen zur COVID-19-Berichterstattung, in: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2021, 64 (1): 3–11.
Russ-Mohl, Stephan: Das Corona-Panikorchester, in: Süddeutsche Zeitung, 16.10.2020. [Teaser: Ein Overkill an Berichterstattung über die Pandemie verzerrt die Maßstäbe dafür, was alles relevant ist. So verbreitet sich eine gefährliche Angst.] Replik: 08 Lorenz-Meyer. [Eigentliche Schreibweise “Ruß-Mohl”, von ihm selbst aber seit langem wg. der internationalen Rezeption auf Doppel-S geändert. – Persönliche Mitteilung.]
Russ-Mohl, Stephan (Hrsg.) (2020): Streitlust und Streitkunst – Diskurs als Essenz der Demokratie, Köln: von Halem
Schatz, Roland: 7 Tipps für einen besseren Corona-Journalismus, in: Kress, 20.03.2020
Wormer, Holger (2020): German Media and Coronavirus: Exceptional Communication—Or Just a Catalyst for Existing Tendencies? In: Media and Communication, Volume 8, Issue 2, Pages 467–470.
In einem Interview mit Joachim Retzbach auf Wissenschaftskommunikation.de (“Mehr Einordnung und kritische Nachfragen – was der Journalismus in der Coronakrise besser machen könnte“) sagt er:
Aber dass mittlerweile jede seiner [Christian Drosten] Äußerungen , nicht selten ohne weitere Einordnung, mit so großer Reichweite in die Öffentlichkeit transportiert wird, ist aus journalistischer – und übrigens auch aus wissenschaftlicher – Sicht problematisch. < (Wormer)
05. Kritik aus anderen Wissenschaftsgebieten
Deutscher Ethikrat: Vulnerabilität und Resilienz in der Krise – Ethische Kriterien für Entscheidungen in einer Pandemie, pdf 04.04.2022. Dazu Welt:
>Der Ethikrat meldet sich mit […] scharfer Kritik am Corona-Journalismus: Zu Beginn hätten Medien die Aufgabe kritischer Berichterstattung nicht immer erfüllt. Und im Verlauf der Krise seien Missstände nicht klar thematisiert worden.<
Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.: Risikokommunikation zu COVID-19 in den Medien, pdf, 20.08.2020
Deutsches Netzwerk evidenzbasierte Medizin e.V.: COVID-19: Wo ist die Evidenz? (Version vom 08.09.2020). Zitat:
>Die mediale Berichterstattung sollte unbedingt die von uns geforderten Kriterien einer evidenzbasierten Risikokommunikation beherzigen und die irreführenden Meldungen von Absolutzahlen ohne Bezugsgröße beenden.< (Netzwerk evidenzbasierte Medizin)
Frey, Bruno: Die Macht der «Virokraten», in Schweizer Monat, Mai 2020 [Frey ist Ökonom]
Guérot, Ulrike: Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit. Und darüber, wie wir leben wollen. Frankfurt: Westend. [Wesentliches aus diesem Essay sagt Guérot in mehreren Interviews, sehr pointiert z.B. im Podcast von Niko Härting PinG Corona im Rechtsstaat, Folge 61 – wobei PinG für die Zeitschrift “Privacy in Germany” steht]
Wißmann, Hinnerk: Verfassungsbruch? Schlimmer: Ein Fehler. Die Aufkündigung der Moderne durch die Pandemiepolitik 2.0, in: Welt, 09.02.2021; frei zugänäglich im Verfassungsblog, 06.02.2021
>Es gibt einen naheliegenden Erklärungsansatz für diese surreale Lage: Art und Umfang der Pandemiemaßnahmen liegen so weit jenseits aller bisherigen Erfahrungswerte des Fachs [Verfassungsrechtslehre], dass der eingeübte professionelle Maßstab nicht greift. Niemand würde ja zunächst ernstlich bestreiten, dass seit März 2020 die schärfsten Grundrechtseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik zu verzeichnen sind, […]. Dennoch ist scheinbar zu all dem für viele Vertreter des Fachs im Grunde nichts zu sagen. Man verweist bestenfalls auf das Schutzgut Leben, auf die besondere Konstellation des Eilrechtsschutzes, auf das dynamische Geschehen, die „Stunde der Exekutive“, und überwintert in einer ziemlich privilegierten Stellung.<< (Wissmann)
06. Sonstige Kritik, die der Journalismus auf sich beziehen kann
Berliner Zeitung: Debattenserie seit Dezember 2022, Übersichtsseite. Einstieg: Kommentar des Verlegers Holger Friedrich. Für die Reflexion im Journalismus u.a. besonders relevant: Wolfgang Kubicki (u.a. über den Umgang der Medien mit ihm als Gegner einer Impfpflicht); Jonas Schmidt-Chanasit: Wie der Journalismus die Virologen in zwei Lager aufteilte;
Ehs, Tamara: Krisendemokratie. Sieben Lektionen aus der Coronakrise. Wien: Mandelbaum Verlag, 2020
Grüneklee, Gerald/ Clemens Heni/ Peter Nowak (2020): Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik. Berlin: Edition Critic(Bereits im Mai 2020 erschienen, werfen die Autoren relevante Fragen auf, die im Wesentlichen auch später von den Medien nicht bearbeitet wurden.)
Guérot, Ulrike/ Jürgen Overhoff/ Markus Gabriel/ Hedwig Richter/ René Schlott u.a.: Manifest der offenen Gesellschaft. Kurzer Text in Welt und Freitag mit zahlreichen Statements von “Promis”. (25.03.2021). Interview mit René Schlott in 3sat Kulturzeit, 29. März, ab ca. Minute 16:20. Schlott gibt beispielhaft zwei Aussagen von angefragten Intellektuellen wieder, die das Manifest nicht unterstützen wollten:
>-Im Moment sei nicht der Zeitpunkt, angesichts steigender Zahlen, über die Meinungsfreiheit zu sprechen;
-Die Diskursfreiheit sollte im Moment nur den Virologen vorbehalten sein.< (René Schlott)
Prantl, Heribert: Not und Gebot – Grundrechte in Quarantäne. München: C.H. Beck 2021
Sammlung seiner Kolumnen aus dem vergangenen Jahr.
Rieg, Timo: Die Risiken und Kosten der Coronamaßnahmen werden ignoriert, in: Deutschlandfunk Kultur, 25.03.2021, Text und Audio.
Schreyer, Paul: Chronik einer angekündigten Krise. Wie ein Virus die Welt verändern konnte. Frankfurt: Westend Verlag, 03.08.2020
Obwohl auf der Bestsellerliste, gibt es auch zu diesem Buch so gut wie keine Besprechung (getestet 07.01.2021 in den Print-Archiven von Bild, BamS, FAZ, FR, SZ, Focus, Spiegel, Stern, Zeit; in Bild taucht es eben in der regelmäßig veröffentlichten Bestsellerliste auf, vgl. “Trotzdem ein Erfolg“). Matthias Holland-Letz bilanziert in seiner ND-Rezension (24.10.2020):
Schreyers Buch ist in meinen Augen eine Mogelpackung. Getarnt als journalistisches, gar investigatives Werk konstruiert es höchst abenteuerliche Zusammenhänge. Aufklärungswert? Nahe Null.
Zuckerberg, Marc/ Lex Fridman: Future of AI at Meta, Facebook, Instagram, and WhatsApp (Fridman-Podcast, Youtube, 09.06.2023; Link zum Zeitstempel beim Thema “Censorship”)
08. (Journalistische) Reaktionen auf Medienkritik zur Corona-Berichterstattung
In dieser Rubrik wird wie in den übirgen nur aufgenommen, was relevant erscheint. So fand im April 2020 etwa eine Replik von Werner D’Inka hier Erwähnung [D’Inka, Werner: Sind alle Journalisten Versager? In: FAZ, 18.04.2020, Reaktionen zu diesem Kommentar u.a. in “Kritik an der Medienkritik – und neue Kritik“, in: European Journalism Observatory (EJO), 21.04.2020]. Schon er bot keine Fakten an, die zur vorangegangenen Kritik passten (so empfahl er etwa Artikel, die bei Publikation der Medienkritik noch gar nicht erschienen waren, wie bereits in “Desinfektionsjournalismus” dargelegt). Es folgten über das Jahr zahlreiche weitere pauschale Verteidigungsreden, die jeweils nicht mehr boten als eine andere Meinung, ohne sich mit Befunden und fundierten Forderungen auseinanderzusetzen (z.B. Michael Hanfeld, Klaus Raab, Malte Lehming, und die Response zu Lehming von Michael Haller). Da es hier um Orientierung geht, werden solche Beiträge nicht (mehr) nachfolgend aufgeführt, sofern sie nicht in einer öffentlichen Debatte (neue) Relevanz erhalten.
Brost, Marc/ Ileana Grabitz/ Bernhard Pörksen: Wir Medien in der Weltviruskrise. Im Podcast: Das Politikteil. Thema: Journalismus über das Coronavirus (09.04.2020)
Fromm, Anne: Apokalypse und Schulterzucken, in: taz, 24.08.2020. Zitat:
>>Sollte eine zweite Welle kommen, werden die Fragen und die politischen Maßnahmen ganz andere sein als zu Beginn der Pandemie. Schon allein deswegen wird auch die Berichterstattung eine andere sein. Den journalistischen Weg zwischen Apokalypse und Schulterzucken zu finden, bleibt trotzdem eine Herausforderung.<<
Gniffke, Kai/ Klaus Meier/ Bernhard Pörksen/ Matthias Heger: Wie gut ist der „Corona-Journalismus“? Gespräch, SWR2, 06.05.2020
Gordeeva, Daria: Ein Hoch auf das Geburtstagskind! In: Medienrealität (Blog), (09.10.2020)
“Die Gesellschaft ist zweigeteilt, wenn man durch die Brille der SZ schaut. Auf der einen – ‘richtigen’ – Seite steht das verantwortliche „Wir“, das die Pandemie sehr gut im Griff behält und auf unsere gemeinsame Leistung richtig stolz sein kann. ‘Wir’ tragen fleißig Masken, halten Abstand, schützen Alte und Kranke und stützen uns auf Daten und Fakten, seriöse wissenschaftliche Studien und ernstzunehmende Fachexperten. ‘Wir’ stimmen mehrheitlich (85 Prozent) dem Kurs zu, den die Bundesregierung fährt.
Auf der anderen Seite stehen Corona-Skeptiker oder gar Corona-Leugner, ‘die alles hinterfragen und die man mit bestimmten sachlichen Informationen gar nicht mehr erreichen kann’ (Christina Kunkel). Die Gegen-den-Strom-Schwimmer werden pauschal als arrogante Spinner und schräge Typen abqualifiziert, die ‘in ihrer eigenen Welt gefangen’ seien (Christina Kunkel), auf YouTube-Videos als Wahrheitsbeleg schwören und inkompetenten ‘Virologen’ glauben (Namen wie Wolfgang Wodarg, Sucharit Bhakdi oder Karin Mölling kommen den Diskutant*innen dabei nicht über die Lippen). Diese Skeptiker strecken einem die Hand entgegen und ziehen die Maske im Zug nur dann hoch, wenn der Schaffner kommt. Sie reden von einer ‘Gesundheitsdiktatur’ und von Menschen, die ‘mit dem Virus und nicht an dem Virus’ sterben. Und sie schließen sich den Corona-Demos an.”
Grimm, Rico/ Ben Hadamowsky: “Ihr seid für mich zum Mainstream-Medium geworden“ [Eine Diskussion per E-Mail über die Corona-Berichterstattung bei Krautreporter] (12.01.2021)
Kramp, Jochen/ Ranga Yogeshwar/ Bettina Schmieding: Corona-Berichterstattung – Folgen die Medien der Regierung? Nach Redaktionsschluss – der Medienpodcast, 23.10.2020
Kreutzfeldt, Malte/ Ulrich Schulte: Mutiert die taz zum Regierungsblatt? In: taz, 25.04.2020
Lehming, Malte: Wider die Mär von einer Kumpanei in der Corona-Bekämpfung. In: Tagesspiegel, 17.01.2021
Lorenz-Meyer, Lorenz: Die Kränkung der Medienexperten. In: Bruchstücke (Blog für konstruktive Radikalität), 29.10.2020, https://bruchstuecke.info/2020/10/29/die-kraenkung-der-medienexperten/
[…] wenn der Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl […] behauptet, die Medien würden zurzeit einen Handlungsdruck in Richtung Lockdown erzeugen, dann zeugt das von einer massiven Fehlwahrnehmung. Denn die Alternative ist ja nicht, wie er vorgibt, dass die Politik die Medien vor sich her treibt. Es ist vielmehr das Virus, das der Politik und den Medien Vorschriften macht. Vorschriften, die sich nicht durch irgendwelche medialen Wahrnehmungen beeinflussen lassen. (Lorenz-Meyer)
Auf diesen Beitrag Lorenz-Meyer’s hat Russ-Mohl nochmal reagiert: “Die zweite Welle” (31.10.2020, in Bruchstücke). Über die Kontroverse diskutierten auch die beiden Bruchstücke-Mitherausgeber Horand Knaup und Wolfgang Storz in ihrer Sendung “Overkill der Medienberichterstattung über die Coronapandemie?“.
Schröder, Michael: Corona- Auch ein Stresstest für den Journalismus, Akademie für publizistische Bildung Tutzingen, Akademie-Report 2/2021
Tagesspiegel Chefredaktion zur Kritik an ihrer Allesdichtmachen-Berichterstattung: siehe unten Punkt 10.
Tröger, Mandy: Journalismus in Corona-Zeiten. Eine Kritik der Kritik
in: Medienrealitäten (Blog), 01.04.2020. Die User-Kommentare unter dem Beitrag sind ebenfalls lesenswert.
“Die Kritik an der Medienberichterstattung ist an Schärfe kaum zu überbieten […] Kritik ist eine Grundfeste der demokratischen Ordnung. Ohne Kritik keine Debatte, und ohne Debatte keine Wissenschaft. Allerdings macht sich an der Differenziertheit der Argumente die Intention des Kritikers fest.” (Tröger)
09. Sonstige Hinweise, Links, Materialien
Hier landet, was oben (so gar) nicht passt, aber doch irgendwie aufgehoben werden sollte. Quasi der Grabbeltisch (derzeit allerdings noch und nicht schon recht leer).
09.01 COSMO — COVID-19 Snapshot Monitoring
Ergebnisse aus dem wiederholten querschnittlichen Monitoring von Wissen, Risikowahrnehmung, Schutzverhalten und Vertrauen während des aktuellen COVID-19 Ausbruchsgeschehens. Uni Erfurt
09.02 Corona-Archiv (Fachbereich Geschichte der Uni Hamburg)
Eine in jedem Fall bunte Sammlung: Fotos, Kurzgeschichten, Gedichte… bereits 3500 Einträge verzeichnet das Archiv, und jeder darf etwas ergänzen: zum Corona-Archiv.
09.03 Sozialforschung zum Thema
Der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten sammelt “Initiativen, die die Auswirkungen der Corona-Pandemie und ihrer Bekämpfung auf die Gesellschaft empirisch erfassen.” RatSWD
09.04 Meinungsvielfalt
Rieg, Timo: Meinungsfreiheit verlangt journalistisches Gehör. In: Telepolis, 28.12.2019
09.05 Desinformation ‘alternativer Medien’
Boberg, Svenja / Thorsten Quandt/ Tim Schatto-Eckrodt/ Lena Frischlich: Pandemic Populism: Facebook Pages of Alternative News Media and the Corona Crisis – A Computational Content Analysis (Preprint; 06.04.2020). Pressemitteilung der Universität Münster dazu.
09.06 Medien-Output zu Corona
Pressemonitor.de zeigt, wie präsent das Thema in den Medien ist.
09.07 Datenjournalismus
Immer wieder Hinweise auf Qualitätsmängel in der Aufbereitung von Corona-Daten gibt es im Blog “Datenjournalist.de” von Lorenz Matzat.
09.08 Desinteresse des Medienjournalismus
Mit Abschluss der Reihe “Corona-Journalismus” bei Telepolis stellt sich nochmal die (wissenschaftlich-empirische) Frage nach der Arbeits- und Funktionsweise des deutschen Medienjournalismus. Für eine Reflexion der Berichterstattungsleistung zur Pandemie ist er jedenfalls wahrlich ebenfalls “kein Leuchtturm der Orientierung“.
Beispielhaft, was das MDR-Altpapier am 8.11.2021 zur gerade erschienen Studie “Einseitig, unkritisch, regierungsnah?” (siehe oben Punkt 2.6) schrieb:
+++ Über eine Studie zur Corona-Berichterstattung schreibt Christian Meier in der Welt.
Fertig. Mehr nicht. Das ist an diesem Tag alles zu einer der wenigen qualitativen Untersuchungen der Corona-Berichterstattung. Am nächsten Tag folgte noch ein etwas längerer Nachklapp mit Bezug auf die Präsentations-Veranstaltung der Rudolf-Augstein-Stiftung. Aber Auseinandersetzung mit dem Inhalt, Analyse der Medienrezeption – nullo.
09.09 Birgit van Eimeren/ Bernhard Kessler/ Thomas Kupferschmitt (2020): Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Mediennutzung, Motive und Bewertungen. Media Perspektiven, 10–11, 526–555.
09.10 Desinteresse an der Fallsammlung “Qualitätsdefizite im Corona-Journalismus”
Den Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) gibt ein Artikel in der Berliner Zeitung wie folgt wieder (6. April 2023):
>Der Deutsche Journalistenverband (DJV), auf Qualitätsdefizite zur Corona-Berichterstattung befragt, hält Arbeiten wie die von Timo Rieg für irrelevant. „Dass es Mängel in der Berichterstattung über die Corona-Pandemie gab, liegt nur schon deshalb auf der Hand, weil noch nie in der jüngeren Geschichte eine Pandemie mit so verheerenden Auswirkungen über die Gesellschaften hereingebrochen ist“, gibt Sprecher Hendrik Zörner bekannt.
Er gibt zu bedenken, wie hilflos und fachfremd Journalisten waren: „Da mussten sich Journalisten und Redaktionen erst einmal sortieren und auf die für sie völlig neue Situation einstellen. Anders als der Verfasser der Studie, Timo Rieg, bin ich jedoch der Meinung, dass sich die deutschen Journalisten in ihrer überwältigenden Mehrheit die größte Mühe gegeben haben, die Menschen gut und umfassend zu informieren.“<
09.11Kritische Beobachtung fehlte. Michael Haller schrieb in einem Thesenpapier 2021 (pdf):
>In dieses Modell sollte noch der Umstand einbezogen werden, dass es bei der Corona-Pandemie nicht etwa um die Evaluation verschiedener politischer Handlungsoptionen ging (wie damals 2015 bei der Flüchtlingsfrage), sondern um ein alltagspraktisches, als katastrophisch erlebtes Ereignis, das möglichst wirksame Maßnahmen möglichst zeitnah erforderlich zu machen schien. Von daher schuf das politische System tagtäglich neue Wirklichkeiten, die beschreibbar, aber keiner Wahrheitsüberprüfung zu unterziehen waren. Genau deshalb hätten die Informationsmedien über die Begründungen der politischen Maßnahmen aus der Distanz des kritischen Beobachters berichten und die darauf gestützten Maßnahmen mit analytischem Blick diskutieren sollen, so, wie es das Bundesverfassungsgericht schon vor einem halben Jahrhundert als Aufgabe der Presse bezeichnet hat.<
10 zu #allesdichtmachen
Weil der Journalismus angesichts dieser Video-Aktion von 53 Künstlern Kopf stand, sei auf einige ausgewählte Beiträge dazu verwiesen.
Um was ging es? Das ist mit Verweis auf einen journalistischen Bericht gar nicht einfach darzustellen. Denn schon die ersten Beiträge waren Kommentare, Wertungen und Erzählungen eines Unglücks. Zum Beispiel erster Text der Süddeutschen: “Alle nicht ganz dicht?” Oder der erste von Spiegel.
Kritik an einseitiger Berichterstattung des Berliner Tagesspiegel und sein Umgang mit Reaktionen: “Wenn Medien kritisiert werden…” von Rüdiger Suchsland, Telepolis 6. Juni 2021
Dietrich Brüggemann, Mitinitiator der Aktion #allesdichtmachen, konnte sich am 10. Juni 2021 selbst im Tagesspiegel zu dessen Berichterstattung äußern.
Der Tagesspiegel hatte bereits im Mai eine Diskussion über die Aktion und seine eigene Berichterstattung geführt (Video, 90 Minuten).
Übersicht beim Medienblog Altpapier von Christian Bartels: Die Überzeugtheit der Überzeugten (27. April 2021)
Der Tagesspiegel hat seine Berichterstattung zu #Allesdichtmachen mehrfach korrigiert und Fehler eingeräumt. U.a. hatte die Zeitung bei einem Stück das “Recherchenetzwerk Antischwurbler” als Mitautor benannt, ohne zu offenbaren (und selbst zu wissen) wer genau dahintersteckt.
Zur “Diskussionskultur”: Podcastgespräch bei ?Macht:Los! mit Robert Jende (22. Mai 2021)
Zum “Nachfolgeprojekt” #allesaufdentisch siehe die Autopsie eines dpa-Beitrags, der zahlreiche Schwächen des Corona-Journalismus enthält. (30.09.2021)
11. Alte Hinweise zum Beitrag in der journalistik
Zwei Aktualisierungshinweise zum Essay “Desinfektionsjournalismus” gab es kurz nach Erscheinen, die hier aus Archivgründen stehen:
11.01 zur darin erwähnten fög Studie “Die Qualität der Medienberichterstattung zur Corona-Pandemie”: Kurz nach Freigabe der Korrekturfahne und damit Redaktionsschluss der “journalistik” ist ein erster Bericht in einem deutschen Medienmagazin erschienen, nämlich bei B5 am 23.08.2020.
Zur Einschätzung der deutschen Medienleistung wird dann allerdings Bernhard Pörksen befragt, der dabei offenbar nicht auf eigene Forschung, sondern nur sein Gefühl als Medienkonsument zurückgreifen kann. (Audio)
11.02 Inzwischen hat Facebook die Holocaust-Leugnung auf seiner Plattform grundsätzlich verboten. (12.10.2020)
Bitte beachten: Diese Sammlung hier wird seit 3. Juli 2023 nicht mehr erweitert und hatte ihren Schwerpunkt auf den Jahren 2020 und 2021.
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