Corona-Journalismus: Probleme bei der Gesundheitsberichterstattung

Mit der Qualität journalistischer Berichterstattung rund um die Covid-19-Pandemie haben wir uns hier schon häufiger beschäftigt. Heute ein Link zum Aufsatz „Qualitätsdefizite im Medizin- und Gesundheitsjournalismus – Eine explorative Fallsammlung mit Schwerpunkt Covid-19 und Corona-Pandemie“ (pdf-Version).

Abstract: Anhand von Berichterstattungsbeispielen aus dem Gesundheits- und Medizinjournalismus wird die praktische Bedeutung der Qualitätskriterien Richtigkeit, Genauigkeit, formale Vollständigkeit, Relevanz, Meinungs- und Perspektivenvielfalt, Maßstabsgerechtigkeit und Berichtigung diskutiert. Als Maßstab dient dabei das mit der Berichterstattung erbrachte Orientierungsangebot. Die vorgestellten Einzelfälle zeigen Defizite auf, die sich überwiegend ohne nennenswerten Mehraufwand mit journalistischen Arbeitsroutinen vermeiden lassen. Der Beitrag will so einen Impuls für die Selbst- und Fremdreflexion der Medienpraxis geben. Weiterlesen

Medienkritik bei TP (2)

+ Ostdeutschland in den (westdeutschen) Medien. Allein, dass es diese Bezeichnungen gibt zeigt, dass hier wohl noch Unterschiede gemacht werden. Dass diese auch erkennbar sind, zeigen drei Beiträge auf:
Von Stasi bis AfD: Die unvergänglichen Klischees über Ostdeutschland„. Alexander Teske geht einmal ‚quer durch den Gemüsegarten‘, mit persönlichen Erinnerungen.
Journalistische Voreinstellungen: Gefühlte Fakten beim Blick auf Ostdeutschland„.
311.000.000 Texte analysiert: So blickt unsere Presse auf Ostdeutschland

+ Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR):
Rundfunkbeitrag vor dem Aus? Experte sieht Spielraum für drastische Reformen“ (Essenzen aus einem Gespräch mit Prof. Hubertus Gersdorf im Podcast „FAZ-Einspruch“)
Öffentlich-rechtliche Sender: Weniger Radio, Instagram bleibt“ (zur Vereinbarung der Ministerpräsidenten zu einem neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag).

+ Qualitätskritik: 
WDR sieht kein Problem in unverpixeltem Sylt-Video“ (zu einer abgewiesenen Programmbeschwerde und dem zugrundeliegenden Maßstab für den Schutz von Persönlichkeitsrechten)
Medienskandal um Streeck: Wenn aus Analogien Antisemitismus wird„. (Viele Medien stürzen sich auf einen Interview-Ausschnitt aus dem Focus; doch was ist ein Vergleich, was eine Gleichsetzung, was eine Analogie? Bonus: 5-Minuten-Video-Statement von Streeck dazu.)

+ Selbstreflexion der Medien
Medien als Moralapostel: Wer bestimmt, wer sprechen darf?“ (ausgehend vom „Medien-Duell“ Alice Weidel gegen Sahra Wagenknecht)

+ Trusted Flagger
Digital Services Act und Trusted Flagger: Was heißt das auf Deutsch?Weiterlesen

Text des Tages

In der Rubrik „Bild des Tages“ präsentiert der Schleswig-Holsteinische-Zeitungsverlag (sh:z) am 14. Oktober 2024 das hier Abgebildete. Der Text („BU“) dazu lautet:

>Minya, Ägypten. Menschen stehen neben den Trümmern, nachdem eine Lokomotive in das Heck eines nach Kairo fahrenden Personenzugs etwa 168 Meilen südlich von Kairo gekracht ist. Foto: AP/dpa<

Eine reine Bildbeschreibung als Schrifttext wird Blinden nicht viel helfen. Und auch Sehende sollten vielleicht erfahren, was sie auf dem „Bild des Tages“ nicht sehen können. „Forbes“ berichtete unter Berufung auf die staatliche Zeitung Al-Ahram von mindestens zwei Toten und 20 (Leicht-)Verletzten, „Daily News Egypt“ spricht von einem Toten. Weiterlesen

Medienkritik bei TP

Ein paar Leseempfehlungen zu Medienkritik, die über den Tag hinaus etwas Relevanz haben mag:

+ Rügen des Presserats wegen zu detaillierter Berichte bei Sexualstraftaten
+ Landesmedienanstalten entscheiden über „journalistische Sorgfalt“
+ Elon Musk – nur Wahnsinn ohne Genie? (Stichwort: Wertungsmaßstäbe)
+ Unvollständigkeit in der Berichterstattung (Kriminalität, Populismus, X)
+ Falsche Ausgewogenheit oder notwendige Meinungsvielfalt?
+ Zur späten Diskussion über die Qualität der Correctiv-Geschichte „Geheimplan gegen Deutschland“
+ RKI-Files: Wenig Medieninteresse an Auswertung der entschwärzten Protokolle

Verantwortlicher für Corona-Risikohochstufung seit Ende Mai bekannt

In mehreren Medien wurde zu den nun von Aya Velázquez veröffentlichten Protokollen des Robert-Koch-Instituts (RKI) behauptet, damit sei endlich offenbar geworden, wer für die Hochstufung des Corona-Risikos für die Bevölkerung von „mäßig“ auf „hoch“ verantwortlich sei. Denn in der ersten, von Multipolar veröffentlichten Fassung war der zugehörige Name noch geschwärzt. In Paul Schreyers Beitrag vom 18. März 2024 hieß es:

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Tatsachen und Meinungen – Ein Differenzierungsvorschlag

Für das Orientierungsangebot des Journalismus ist es essentiell, bei Aussagen zwischen Tatsachen und Meinungen zu unterscheiden. Dies betrifft die Recherche genauso wie die Darstellung/ Vermittlung. Denn während einer Tatsache keine „alternativen Fakten“ gegenüberzustellen sind, verlangt das Angebot zur Einordnung stets die gesamte Bandbreite an Meinungen.

Während der deutsche Pressekodex diesen Grundsatz nicht enthält, sagt das österreichische Pendant:  „Für die Leserinnen und Leser muss klar sein, ob es sich bei einer journalistischen Darstellung um einen Tatsachenbericht oder die Wiedergabe von Fremdmeinung(en) oder um einen Kommentar handelt.“ (Österreichischer Presserat 2019: § 3.1)
Die Schweizer Selbstregulation formuliert: „Die Wahrheitssuche stellt den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit dar.“ (Schweizer Presserat 2022: § 1.1) Da Meinungen keine Wahrheiten darstellen, lässt sich das Diskriminierungsgebot davon ableiten. Entsprechend für Deutschland: „Die Achtung vor der Wahrheit […] und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“ (Deutscher Presserat 2021: § 1)

In der Praktikerliteratur wie den Grundlagenwerken zur Journalistik taucht die Trennung von Tatsachen und Meinungen oft nur als selbstverständliche Randnotiz auf (Bölz 2018: 164; Thomaß 2012: 395; Russ-Mohl 2010: 61; Ludwig 2007: 68; kritisch Weischenberg 1995: 165-168; empirische Befunde bei Schönbach 1977).

Die Bedeutsamkeit einer Unterscheidung von Tatsachen und Meinungen für die Kommunikation und damit auch für Journalismus und Journalistik kann kaum überschätzt werden, denn die enthaltenen Informationen unterscheiden sich grundlegend. In einer Vielzahl von Fällen journalistischer Qualitätsdefizite ist die mangelhafte Unterscheidung von Tatsachen und Meinungen ursächlich (Rieg 2024: 15ff). Zugleich erscheint das Bewusstsein für dieses Qualitätsdefizit nicht sehr ausgeprägt.

Deshalb wird in diesem Beitrag die Unterscheidung von Tatsachen und Meinungen im Journalismus erörtert und mit Beispielen (B*, Quelle hinter dem Literaturverzeichnis) zur Diskussion gestellt. Leitendes Kriterium ist dabei das (mögliche) Orientierungsangebot journalistischer Produkte für Rezipienten (vgl. Meier 2018: 14f).

Dabei gibt es sicherlich noch Lücken, vielleicht auch Widersprüche. Entsprechend willkommen sind Kommentare, um die hiesigen Überlegungen weiterzuentwickeln, ggf. auch zu revidieren.

Übersicht:

a) Tatsachen
b) Meinungen
c) Die Äußerung einer Meinung
d) Tatsachen und Werturteile im Recht
e) Fallbeispiele zur Trennung von Tatsachen und Meinungen
f) Wertung mit (implizitem) Wertmaßstab
g) Wertungen ohne (verbindlichen) Wertmaßstab
h) Meinungen ohne Meinende
i) Plausibilität ist Meinung
j) weitere Begriffe und Abgrenzungen
k) Abgrenzungsprobleme
l) Weitere Fallbeispiele zur Abgrenzung
m) Definitionen
n) Indizien bzw. Indikatoren
o) Schlussfolgerungen für die journalistische Praxis
p) Tatsachen-Meinungs-Unterscheidung (erster Entwurf)
A1) Literatur
A2) Belege
A3) Fußnoten
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Presserat nicht für Deutschen Journalisten-Verband zuständig

Zu unserer Beschwerde beim Deutschen Presserat über einen Kommentar auf der Website des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) liegt mittlerweile eine Entscheidung vor: er sieht sich nicht zuständig.

Das ist einigermaßen kurios: Denn der DJV gehört zu den vier Trägerorganisationen des Presserats und entscheidet somit über alle dort eingehende Beschwerden. Während also der DJV über die Wahrung der „ethischen Standards für den Journalismus“ wacht, unterliegt er ihnen selbst nicht.

Siehe dazu unseren Beitrag vom April mit Update zur Beschwerde und der Verweigerung des DJV, auf eine Presseanfrage dazu zu antworten.

Extremismus und Rassismus – Tatsachen und Meinungen

Beispiel gekürzte dpa-Meldung beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (shz), 11.06.2024

An einer kleinen Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) lässt sich mal wieder untersuchen, wie Tatsachen und Meinungen in Nachrichten vermischt werden.

Ausgangspunkt für eine von vielen Medien aufgegriffene Meldung ist folgender Tweet von Elon Musk:

Why is there such a negative reaction from some about AfD?
They keep saying “far right”, but the policies of AfD that I’ve read about don’t sound extremist. Maybe I’m missing something.

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Volksverpetzer phantasiert über die Wahrheit

Weil der Blog „Volksverpetzer“ gerade etwas präsenter als gewöhnlich in den Medien ist, nachdem er selbst publik gemacht hat, vom zuständigen Finanzamt die Gemeinnützigkeit entzogen bekommen zu haben, mal ein Hinweis auf aktuelle Desinformation derer, die sich „Fakten-Jünger“ und „Anti-Fake-News-Blog“ nennen.

Am 9. Mai 2024 postete Volksverpetzer auf X:

>Die Schwurbler haben jetzt „enthüllt“, was alle, die sich auch an 2021 und 2022 erinnern können, mitbekommen haben. Sie erfinden einfach nur noch einen Pseudo-Skandal nach dem anderen. Übrigens war mit 1G „getestet“ gemeint, Impfstatus egal. #Lauterbach<

Dem eingefügten Screenshot nach bezieht sich diese Darstellung auf einen Bericht der Berliner Zeitung (und andere offenbar „Schwurbler“) zu den Protokollen des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Weiterlesen

„Große Koalition“ beerdigen

„Söder präferiert nach Bundestagswahl große Koalition mit SPD“ titelt der Tagesspiegel. Angesichts der letzten realen und der prognostisch künftigen Wahlergebnisse sollte der Begriff „Große Koalition“ endlich beerdigt werden. Die Zeiten eines Drei-Parteien-Parlaments, in dem es eben zwei große und einen kleinen Player gab, sind längst vorbei.

Derzeit kommt die SPD im Bund auf 16%, ebenso wie die AfD, die Grünen stehen bei 15%. Für eine „Große Koalition“ findet die Union (derzeit: 32,5%) schlicht keinen Partner. „Groß“ wäre dann allenfalls noch eine Koalition aus besonders vielen Parteien zu nennen – bzw. eine, die deutlich (und mehr als nötig) über einer 50% Parlamentsmehrheit liegt.