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Rechtliche Absicherung von Verdachtsberichterstattung durch Eidesstattliche Versicherungen

Zugegeben, auch wir waren lange Zeit der Ansicht, die in investigativen Pressestücken oft zu findende Aussage, es lägen Eidesstattliche Versicherungen der (anonymen) Zeugen vor, seien rechtlich wertlos. Schließlich steht im Gesetz explizit:

>Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (§ 156 StGB)<

Selbst der bekannte und vielschreibende Bundesrichter a.D. Thomas Fischer äußerte sich entsprechend zur Verdachtsberichterstattung über Regisseur Dieter Wedel 2018: Weiterlesen

Wenn es sein muss sind wir immer schneller

Dürfen Politiker ihnen von Journalisten zugesandte Fragen veröffentlichen (die sie in diesem Zuge natürlich gleich auch beantworten)? Meist schon – lautet die Antwort bei Cicero zu zwei Fällen, in denen Hans-Martin Tillack (stern) und Uwe Ritzer (Süddeutsche Zeitung) mit ihren Fragen den Anstoß für eigene Veröffentlichungen der Befragten geliefert hatten – womit ihre Geschichten der Exklusivität beraubt waren.

Das Urheberrecht hier nicht vorzuschieben erscheint logisch – und auch im Interesse von uns Journalisten, die wir ja gerne Geschriebenes Veröffentlichen, etwa Anwaltsbriefe.

Sollte es Mode werden, Anfragen von Journalisten nicht ihnen gegenüber, sondern gleich öffentlich zu beantworten, bliebe nur die Möglichkeit, als Journalist bereits alle Anfragen zu veröffentlichen. (Das ist natürlich aus anderen, auch schon intensiv diskutierten Gründen nicht optimal, – aber es würde ganz nebenbei die weit verbreitete Ignoranz Presseanfragen gegenüber senken.)

Infoblocker Verlage

Liebe Verlage,

mit eurer ewigen Verschwiegenheit bei Rechtsstreitigkeiten nervt ihr ein wenig. “Dazu sagen wir grundsätzlich nichts”, “Dazu dürfen wir nichts sagen” – dieser Schmarrn wird über die Jahre wirklich ärgerlich. Wenn euch jemand, über den wir Journalisten geschrieben haben, mit einer Einstweiligen Verfügung an der weiteren Verbreitung des Beitrags hindert, dann ist das per se ein öffentliches Thema, weil ein Eingriff in die Kommunikationsfreiheit und ein Indiz für möglicherweise (!) fehlerhaften Journalismus. Und auch wenn die EV im zivilrechtlichen Verfahren ergeht, handelt es sich nicht um eine Geheimjustiz. Aber da wir Freien ja nicht ausgelastet sind, telefonieren wir natürlich die Gerichte ab, erst die üblichen verdächtigen, dann die räumlich passenden, oder wir klopfen mit mieser Tour so lange bei verschiedenen Mitarbeitern eurer Häuser an, bis jemand plappert, oder wir machen eben sonstwas Hoch- Investigatives, weil wir das ja schließlich den ganzen Tag machen. Aber es ist halt überflüssig wie ein Kropf Leistungsschutzrecht.

Bei keiner anderen Wirtschaftbranche wird mir regelmäßig so deutlich, dass es einen journalistischen Auskunftsanspruch nicht nur gegenüber Behörden braucht, sondern bei allen “juristischen Personen”. Verlage und Sender sind die “Informationsblocker” nicht des Jahres, sondern der Nation.

So, schon fertig mit Aufregen.

Freund und Helfer LPG & IFG (1)

Die Landespressegesetze (LPG) wie auch die Informationsfreiheitsgesetze (IFG) auf Bundesebene und in den meisten Ländern*) sind – theoretisch – Freund und Helferin der Journalisten. Spiegelkritik verweist in loser Folge auf Höhen und Tiefen der Recherchepraxis mit diesen gesetzlichen Mitteln.

taz-Redakteur Sebastian Heiser wollte im Mai 2009 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sehr dezidiert wissen, was sich hinter einer Ausschreibung zu Stromlieferungen für Liegenschaften in Berlin verbirgt. Es ging ihm vor allem darum, welche Behörden Strom aus regenerativen Quellen einkaufen, welche auf dieses Merkmal verzichten und um wie viel teurer der Ökostrom ist.

Die Bundesanstalt antwortete binnen fünf Tagen umfangreich, aber nicht vollständig. Auf erneute Nachfrage beharrte die Behörde darauf, dass “der Inhalt abgegebener Angebote und insbesondere die jeweilige Preisgestaltung dem Gebot der vertraulichen Behandlung” unterliegen. Als Sebastian Heiser erneut für seinen Informationsanspruch argumentierte, teilte das Amt mit: “Vertragsinhalte [sind] grundsätzlich als Geschäftsgeheimnis der hiesigen Vertragspartner zu werten. Diese Geschäftsgeheimnisse sind jedenfalls als ‘schutzwürdiges privates Interesse’ im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3, 2. Alt. Landespressegesetz NRW anzusehen.”

Daraufhin reichte Heiser Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht in Köln ein und beantragte, ihm die Frage zu beantworten: “Wie viel Cent pro Kilowattstunde kostet der Strom, den die Beklagte mit einer am 28. Februar 2009 veröffentlichten europaweiten Ausschreibung eingekauft hatte.” Dieser einfachen Frage folgen fünf Seiten juristische Begründung, die Heiser selbst geschrieben hatte. Die Gegenseite hingegen beauftragt eine große Kanzlei, deren Briefkopf zwei Drittel der Seite füllt, so viele Rechtsanwälte listet sie auf – was durchaus Eindruck schinden kann.
Doch die Kanzlei geht nicht auf die Klageschrift ein, sondern bittet um einen Monat Fristverlängerung für eine Stellungnahme. Einen Tag vor Ablauf der vom Gericht gewährten neuen Frist beantragt die Kanzlei weitere vier Wochen Aufschub, da weitere Rücksprachen mit Beteiligten notwendig seien.

Kurz vor Ablauf dieser neuen Frist meldet sich die Kanzlei direkt bei Sebastian Heiser – und liefert die gewünschte Information. Die beteiligten Unternehmen hätten inzwischen zugestimmt, die Klage habe sich damit wohl erübrigt. Allerdings lagen zwischen der ersten Anfrage und der letzten Information nicht nur fünf Monate, sondern auch eine Bundestagswahl am 27. September 2009.
Heiser hätte die Informationen gerne vor der Wahl gehabt.

Mehr zum Fall Heiser: “die Bundesstromklage” (pdf)

(Mehr zum Auskunftsrecht für Journalisten im Medienmagazin “journalist” November 2010)

*)= Informationsfreiheitsgesetze gibt es bisher in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie auf Bundesebene.

Pressefreiheit und Polizei

Das Haller Tagblatt feiert das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim als klaren Sieg für die Pressefreiheit – doch man sollte das schriftliche Urteil abwarten. Denn die vom Gericht vorgeschlagene Alternative zum Presseverbot ist Pressezensur.

Einem Mitarbeiter der Lokalredaktion des Haller Tagblatts war im März 2007 von der Polizei verboten worden, einen SEK-Einsatz in der Innenstadt von Schwäbisch Hall zu fotografieren  (siehe: Presse und Polizei).

Der VGH Mannheim sah in dem absoluten Fotografiergebot nun einen unverhältnismäßig schweren Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit – und zeigt einen seiner Ansicht nach maßvolleren Weg auf, der uns staunen lässt. In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

“Der Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff – etwa durch Angehörige der sog. russischen Mafia – auf die gefertigten Bildauf-nahmen aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der SEK-Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein können, kann im Regelfall – ohne dass es eines Fotografierverbots bedarf – dadurch wirksam begegnet werden, dass der Pressevertreter um die vorübergehende Herausgabe des Speichermediums bis zu einer gemeinsamen Sichtung der gefertigten Aufnahmen durch Presseunternehmen und Polizei aufgefordert wird. Eine solche Vorgehensweise wäre auch hier möglich gewesen. Zeigt sich der Pressevertreter insoweit nicht kooperationsbereit und verweigert die Herausgabe, kommt eine vorübergehende Beschlagnahme des Speichermediums in Betracht. Die Beschlagnahme ist in diesem Fall gegenüber einem Fotografierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel, weil sie eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglicht. Die Polizei wäre im Falle einer Beschlagnahme verpflichtet, zeitnah in Kooperation mit dem Presseunternehmen über die Speicherung, Bearbeitung, Veröffentlichung und ggf. Löschung der gefertigten Aufnahmen zu entscheiden.”

Die Beschlagnahme von journalistischem Fotomaterial aus Sorge um eine Verletzung des “Rechts am eigenen Bild” ist nicht etwa die Ultima Ratio, sondern selbst nach Auffassung von juristischen Polizeiausbildern grundsätzlich unzulässig.  Warum?

1. Das Recht am eigenen Bild bezieht sich nur auf Veröffentlichungen, nicht auf die Entstehung eines Fotos. Andernfalls wäre das Fotografieren im öffentlichen Raum praktisch gar nicht mehr möglich.

2. Aus dem, was Journalisten fotografieren, lässt sich weder vom Presselaien (Polizei) noch von einem versierten Kollegen prognostizieren, was später wie veröffentlicht wird. Zunächst sind Fotos schlicht Recherchematerial. Und das unterliegt dem Schutz der Pressefreiheit.

3. Die Polizei trifft damit eine Entscheidung, die nur den Gerichten zusteht – nach entsprechender Aufklärung des Sachverhalts.

4. Die Veröffentlichung von Fotos kann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen. Aber selbst wenn dem so ist, kann sie bei der gerichtlichen Abwägung der konkurrierenden Grundrechte hinter der Pressefreiheit zurückstehen und muss dann hingenommen werden.

5. Bei der Gefahrenabwehr im Zivilrecht wird die Polizei nur auf Antrag des Betroffenen tätig. Wenn die Presse bei Polizeieinsätzen zugegen ist, ist der Betroffene die Polizei selbst. Der Polizist, der eine Kamera beschlagnahmt, weil er befürchtet, die darin von ihm vorhandenen Bilder könnten in gesetzeswidriger Weise veröffentlicht werden, wird also für sich selbst tätig. Dass Betroffene hierbei halbwegs objektiv bleiben, ist kaum vorstellbar.

Die vom VGH vorgeschlagene Prozedur, nach der die Presse zunächst ungehindert fotografieren darf und danach verpflichtet werden kann, die Bilder von der Polizei sichten und quasi freigeben zu lassen, klingt grotesk. Zwar kommt genau dies in Einzelfällen vor – es ist aber mitnichten besser als ein absolutes Fotografierverbot. Denn wenn die Polizei selbst entscheidet, welche Bilder von ihren Aktivitäten veröffentlicht werden dürfen, manipuliert sie die Berichterstattung (siehe: Bilder nach Art des Hauses). Dann kann auch gleich die Polizeipressestelle ihr genehme Selbstinszenierungsfotos herausgeben.
Aber gut, warten wir mal die Urteilsbegründung ab.

Der bundesweite Buske

Rechtsanwälte schreiben gerne mal Dinge in ihre Pressemitteilungen, mit denen sich gut der nächste Prozess führen lässt. Aber auch nicht gerichtsfesten Schmonses jubeln sie den Redaktionen so gerne unter. So lernten wir heute, dass “die Pressekammer des Hamburger Landgerichts” “bundesweit anerkannt für Ihre Rechtsprechung im Presserecht” ist. Dieses Enzyklopädie-Wissen verdanken wir Rechtsanwalt Theo Paeffgen, der nur
anderes an seiner Mitteilung zu korrigieren hatte.