Ein Kommentar von Richard Jecht
Dirk Kurbjuweit sitzt im Hauptstadtbüro und schreibt. Über Demokratie. Die „Gefährdung der Demokratie in Deutschland“. Er blickt auf und schaut versonnen aus dem Fenster. Vielleicht fragt er sich einen Moment lang, ob man Gedanken metaphorisch mit vorbeiziehenden Wolken vergleichen kann, – dann nimmt sein Gesicht einen entschlossenen Ausdruck an. Man meint, in diesem Moment die Last der Verantwortung zu spüren, die auf den Schultern des Journalisten liegt. Er atmet tief durch und beginnt, seine Überlegungen gewissenhaft auszuformulieren.
So ähnlich könnte einer der im typischen „SPIEGEL-Sprech“ verfassten Beiträge beginnen, die Woche für Woche zuverlässig im „Deutschen Nachrichtenmagazin“ erscheinen. Die es Woche für Woche zu dem machen, was es sein soll: zu einem rund 300 Gramm schweren Magazin, randvoll gespickt mit „Nachrichten-Geschichten“ über Deutschland und den Rest der Welt. Und mit Anzeigen. Und farbigen Abbildungen. Seit gefühlten 2000 Jahren. Seit Konstantin der Große Rudolf Augstein zum Herausgeber ernannt hat.
Um Demokratie soll es diesmal (20/2008) also gehen, oder vielmehr um die „Gefährdung der Demokratie“. Das ist einerseits lustig, weil Enzensberger und andere dem SPIEGEL schon vor Urzeiten sinngemäß was bescheinigt haben? Genau! Durch die fortwährende Manipulation der Öffentlichkeit die Demokratie zu gefährden! Andererseits enttäuschen die Autoren, weil sie sich einseitig auf das im Westen herrschende Modell der repräsentativen Demokratie kaprizieren, statt ein differenziertes Bild der „Demokratie“ zu zeichnen. Es steht für sie von vornherein fest, daß das westliche Demokratiemodell sowieso das beste oder jedenfalls das am wenigsten schlechte aller politischen Systeme ist. Daher kommt es ihnen auch nicht in den Sinn, es kritisch zu hinterfragen und beispielsweise zu prüfen, ob das neokonservative System in den USA mit einer Demokratie im eigentlichen Sinn überhaupt noch was zu tun hat. Oder – viel interessanter noch – in Erfahrung zu bringen und darzustellen, wie die westlichen Demokratien in anderen Kulturkreisen wahrgenommen werden.
Stattdessen machen sich die Autoren pauschal zu Anwälten der „Demokratie“ – was im Klartext heißt: des westlichen Regierungssystems – und tun so, als seien sie bzw. als sei der SPIEGEL irgendwie für ihr Bestes zuständig. Arme Demokratie.