SPIEGEL und Windenergie

„Robben unter Strom“ betitelt der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe eine seiner regelmäßigen Anti-Windkraft-Meldungen. Dabei geht es um die Verlegung von Stromkabeln zu geplanten Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee. Ein Teil der Kabeltrasse soll u.a. durch den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer führen. Die dazu notwendigen Arbeiten, schreibt der Spiegel, „bedrohen nach WWF-Angaben den Bestand der empfindlichen Tierpopulationen“; gemeint sind Seehunde und verschiedene Vogelarten. Insgesamt seien „14 unterschiedliche Kabelsysteme mit einer Gesamtlänge von rund 800 Kilometern vorgesehen“.
Abgesehen von der reißerischen Überschrift – die vermeintliche „Meldung“ ist ein Lehrstück für versteckten Tendenzjournalismus: die Umweltorganisation WWF wird gegen die Befürworter der Windkraft ausgespielt.

So wird in der „Meldung“ zwar kräftig die Kritik des WWF an den geplanten Stromkabeln in Anschlag gebracht – nicht einmal aber darauf hingewiesen, dass der WWF nach eigener Aussage „grundsätzlich die Ausbaupläne der Bundesregierung für die Offshore-Windkraft“ unterstützt. Der WWF begrüßt auch prinzipiell den Test von Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee, nur nicht in der vorgesehenen Weise und im geplanten Umfang.

Die „Meldung“ im Spiegel stützt sich auf eine Studie des WWF (pdf); diese Studie wird jedoch weder genannt, noch wird erwähnt, dass sie bereits im Februar veröffentlicht wurde. Der Leser gewinnt vielmehr den Eindruck, der WWF habe sich aktuell zu Wort gemeldet.
Seehunde und andere Tierarten sind zudem nicht in ihrer Existenz gefährdet, wie man aus der Spiegel-„Meldung“ schließen könnte. Die zuständige WWF-Expertin Beatrice Claus stellt auf Nachfrage klar: Sollte man die Kabel wie vorgesehen verlegen, werden „die Tierpopulationen beeinträchtigt und gestört. Sie sterben nicht aus.“

Auch werden die erwähnten „rund 800 Kilometer“ Stromkabel nicht allein im Wattenmeer verlegt, wie man der „Meldung“ irrtümlich entnehmen könnte. Der weitaus größte Teil der geplanten Stromtrassen verläuft nicht durch das Wattenmeer. Tatsächlich wendet sich der WWF insbesondere gegen einen rund 9 Kilometer langen Korridor durch das Wattenmeer, in welchem die Stromkabel verlegt werden sollen. Dieser Korridor sei nicht notwendig; zumindest könne er schmaler als geplant ausfallen.

5 Gedanken zu „SPIEGEL und Windenergie

  1. Christian

    Typisch für den “neuen” Gabor-Steingart-Spiegel!
    Was war das früher mal für ein schönes, aufklärerisches Blatt mit Hirn. Und was ist das heute für eine Propagandaschleuider für Privilegierten-Vorutreile geworden, erbärmlich!

  2. maloXP

    Nun in erster Linie ist es Stefan Aust persönlich, der die Linie vorgibt. Zitat:

    Redakteuren, die recherchieren und zu bestimmten Ergebnissen kommen, werde ich nicht meine private Position vorschreiben. Ich gehe davon aus, wenn intelligente Menschen recherchieren und logisch denken, kommen sie zu ähnlichen Ergebnissen.

    Siehe hier.

  3. Hans

    Ich bin erstaunt: ich finde diese Meldung hier interessant!
    Und wenn das so stimmt, wäre endlich mal der Name “Spiegelkritik” angemessen.
    Aber ich hätte zwei Fragen mit ernstgemeinter Bitte um Antwort:
    “…in seiner aktuellen Ausgabe eine seiner regelmäßigen Anti-Windkraft-Meldungen.” Welche? Ich habe noch keine gelesen. Gibt es da entsprechende Links? Warum sind sie nicht im Artikel?
    Und die wichtigere Frage: warum sollte der Spiegel Anti-Windkraft-Propaganda fahren? Was hat er dagegen? Ist das nicht zu recherchieren? Nur diese Behauptung scheint mir relativ wertlos zu sein. Wenn jedoch ein Grund und Belege dazu existieren, wäre ich glatt bereit, meine Meinung über diesen Blog zu revidieren.
    Ich weiß dass das für Euch nicht unbedingt ein Ansporn ist, aber ich persönlich fände es toll.

  4. Hans

    «Nicht wenige vermuten, der Windjammer im Spiegel gehe lediglich darauf zurück, dass sein Chefredateur die im Blickfeld seines Reitstalls im hamburgischen Umland stehenden Windkraftanlagen persönlich für unerträglich hält und sein Magazin für einen neofeudalen Privatkrieg instrumentalisiert.» («taz», 13.4.04).

    Okay. Der Link wirkt überzeugend. Ich wünschte mir nur, dass dieser Artikel in der Meldung verlinkt gewesen wäre. Ansonsten: jawoll. es scheint ein Punkt zu sein, der des Namens “Spiegelkritik” würdig ist. In diesem Sinne: bitte mehr von Meldungen dieser Art.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.