Pressefotografen sehen sich bei ihrer Arbeit oft massiven Beschränkungen ausgesetzt. Von den meisten Veranstaltungen und Geländen dürfen sie nicht ohne Erlaubnis eines Veranstalters oder Besitzers berichten. Bei der Auswahl zugelassener Fotografen wie auch bei der Formulierung von Bedingungen walten gerade Konzert- und Messeveranstalter dabei nach Gutdünken (siehe: Bilder nach Art des Hauses ).
Aktueller Fall in Hamburg: Am Freitagmorgen teilte die örtlich zuständige Konzertdirektion Karsten Jahnke den bereits für das Sasha-Konzert am Montagabend gemeldeten Fotojournalisten mit, dass der Veranstalter Marek Lieberberg schriftliche Redaktionsaufträge bis Freitagnachmittag sehen will und ausdrücklich keine Agenturen zulässt.
Spiegelkritik sprach darüber mit Hamburger Konzertfotografen.
Spiegelkritik: Binnen weniger Stunden sollten Sie einen schriftlichen Redaktionsauftrag besorgen, um am Montag beim Sasha-Konzert fotografieren zu dürfen. Hat das noch geklappt?
Bei einigen ja, bei anderen nein. Freitag mittags erteilt doch kein Redakteur mehr einen festen Fotoauftrag auf die Schnelle. Und nicht jeder von uns hat so gute Redaktionskontakte, dass er überhaupt jemand um so einen Auftrag bitten könnte. Viele arbeiten nur mit freien Foto-Angeboten. Und darin liegt ja schon das Problem. Die Pressefreiheit wird eingeschränkt, wenn nur einzelne Journalisten zugelassen werden und diese nur, wenn sie einen klaren Auftrag haben. Dann gibt es keine alternativen Bildsprachen, keine Entscheidungsfreiheit, keinen Wettbewerb, keinen Markt. Freier Journalismus sieht anders aus.
SpKr: Die Veranstalter argumentieren, es sei alleine ihnen überlassen, wen sie in den Fotograben lassen. Sie berufen sich auf ihr Hausrecht.
Ich finde die Idee absurd, dass es sich bei einem solchen Konzert nicht um Öffentlichkeit, sondern um eine Privatveranstaltung handeln soll. Jeder kann ein Ticket kaufen und hat dann Zutritt, es gibt da keine Auswahl durch den Künstler – das ist für mich ganz klar Öffentlichkeit. Es kann doch nicht sein, dass es da Großevents gibt wie das Hurricane-Festival und ein Veranstalter sagt, das ist meine private Gartenparty, Wer hiervon berichtet, bestimme ich.
SpKr: Aber bisher setzen sich die Veranstalter mit ihrer Sicht durch.
Weil es niemand drauf ankommen lässt. Wer geht denn schon das Risiko ein, vor Gericht zu klagen – außerdem dauert das doch im Alltag viel zu lange.
SpKr: Könnten sich nicht die Fotografen untereinander solidarisieren?
Wir Fotografen in Hamburg und auch in anderen Orten haben schon manchmal einen Boykott organisiert, da haben auch wirklich alle mitgemacht. Beeindruckt hat das die betroffenen Konzertveranstalter leider nicht immer. Wenn die Redaktionen dann nicht mitspielen, bringt das meist nicht viel. Es ist vielen Konzerveranstaltern völlig egal, ob über ein Konzert mit Foto berichtet wird oder ohne oder mit Promo-Foto. Und die Leser, die etwas vermissen, quengeln ja nicht beim Künstler-Management.
SpKr: Wie soll sich etwas bewegen?
Manager, Tourveranstalter und so weiter müssen die Vorstellung aufgeben, dass sie kontrollieren dürfen, wie über öffentliche Ereignisse berichtet wird. Das sind doch feudalistische Machtgebilde.
SpKr: Braucht es Seminare für Konzertveranstalter – mit Meditationsphase und Gruppengesprächen?
Der Druck muss von den Redaktionen kommen. Die müssen verstehen, dass die Pressefreiheit verliert – mit jeder Bevormundung, mit jeder Unterwerfung unter absurde Zugangs- und Verwertungsbeschränkungen für Redakteure und freie Journalisten, die die Redaktionen akzeptieren.
SpKr: Wie sollten Redaktionen Ihrer Ansicht nach reagieren?
Wo immer Veranstalter in die Freiheit der Bildberichterstattung eingreifen, sollten die Redaktionen anstelle einer Rezension nur einen großen schwarzen Kasten drucken mit der BU „Hier hätte ein Foto von XY stehen sollen, aber da die Bedingungen der Berichterstattung so waren …“. Man muss das permanent öffentlich machen.
SpKr: Wie wäre es, stattdessen mit Bildern zu illustrieren, die nicht verboten werden können, etwa von außen?
Das wird wenig bringen. Any news is good news. Künstler und Veranstalter haben ja dann immer noch eine Rezension. Auch die Warteschlange vor der Konzerthalle ist ja ein Foto des Events. Und beim Leser wird das auch nicht negativ ankommen. Das wäre der falsche Weg. Es muss wehtun.
SpKr: Und wenn Sie sich einfach unters Publikum mischen, ohne lange um Erlaubnis zu fragen?
Fotos aus dem Publikum heraus sind ja generell verboten – auch wenn sich da keiner dran hält und alle mit ihren Handys rumknipsen und die Bilder und Videos später im Netz stehen. Für gute Bilder kommt man aber auch nicht dicht genug an die Bühne. Und als letztes bezahlt ja keine Redaktion so viel für ein Foto, dass man davon auch noch eine Eintrittskarte finanzieren könnte. Solche Spesen sind überhaupt nicht vorgesehen – es zahlt ja schon lange keine Redaktion mehr nur die Reisekosten.
SpKr: Ist das ein Fall für die Journalisten-Gewerkschaften?
Bei den Spesen wird sich wohl nicht mehr viel bewegen. Aber den aktiven Boykott, den müssen die Verbände laut unterstützen und ihren Mitgliedern in den Redaktionen sagen: Bringt keine Berichte und Bilder, die nicht auf der Grundlage von freier Presse entstanden sind. Bringt stattdessen schwarze Kästen, macht so die Zensurversuche der Künstler öffentlich.
Was einem da manchmal an Verträgen auferlegt wird kenne ich nur zu gut und ünterstütze die Vorschläge des/der Fotografen daher voll.
Und für die, die drüber gestolpert sind, BU steht für Bildunterschrift.
Beste Grüße!
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Nicht nur Sasha ist ein Problemfall. Herbert Grönemeyer lässt keine freien Fotografen zu, sondern nur DPA, Reuters und je einen Fotografen pro ansässige Zeitung. AC/DC selbes Spiel. Selbst bei Theateraufführungen (bei der Komödie „Acht Frauen“ mit Maria Sebaldt, einem Gastspiel des Bayerischen Hof München, musste ich gehen, wenn ich die Vorstellung fotografieren würde – was man ja nicht macht – würden die Damen sofort die Vorführung abbrechenen, außerdem gibt es ja Pressematerial für eine ordentliche Berichtserstattung) geht das Diskutieren los. Die Liste ist lang und es ist traurig, dass die Verlage und Zeitungen ihre Fotografen nicht den Rücken stärken. Schließlich machen die die Vorberichtserstattung und, solange die redaktionell ist, ist diese ja auch kostenlos und füllt dem Veranstalter das Haus. Aber auch die Schreiber müssten sich solidarisch mit den Fotografen erklären und sagen, wenn der nicht fotografieren darf, kann ich auch nicht schreiben und ich gehe. Aber leider klappt das auch nicht.
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