Juan Moreno erhält den „Leuchtturmpreis“ des „Netzwerk Recherche“ 2019. Der Verein „würdigt damit die Aufdeckung der Relotius-Manipulationen durch den freien Spiegel-Reporter. ‚Juan Moreno hat seinen journalistischen Kompass und seine Unabhängigkeit beispielhaft bewiesen. Er hat hartnäckig und mutig gegen Widerstände im eigenen Haus recherchiert und dabei viel riskiert – um schließlich zu enthüllen, was lange niemand wahrhaben wollte‘, so Julia Stein, Vorsitzende von Netzwerk Recherche.“ (NR-Mitteilung)
Juan Moreno hat den Preis ohne Zweifel verdient. Denn während viele journalistische Klugscheißer im Nachhinein polterten, die Fehler in Claas Relotius‘ Texten hätten doch jedem Praktikanten auffallen müssen und sie hätten in ihrem Hintertupfinger Dorfanzeiger selbstverständlich ein entlarvendes Fact Checking betrieben, hat Moreno tatsächlich und auf eigene Faust recherchiert und den großen Skandal zu Tage gefördert.
Doch das Verhalten des SPIEGEL selbst war von den ersten Berichten an zu diesem Fall äußerst befremdlich. Der nun erschienene – und in der Tat vorbildlich veröffentlichte – Bericht der „Aufklärungskommission“ bestätigt das nochmal äußerst drastisch: der SPIEGEL hat Moreno keineswegs für die Aufdeckung gedankt. „Man kann das Loblied auf Juan Moreno gar nicht laut genug singen. Sonst wäre der Fall Relotius so nie aufgeklärt worden“, soll Kommissionsmitglied und Spiegel-Nachrichtenchef Stefan Weigel nun gesagt haben. Welch billiger Gesang. Die Hamburger Zeitschrift hat es nicht einmal für angemessen gehalten, ihrem langjährigen freien Mitarbeiter aufgrund dieser beispiellosen Enthüllung eine Festanstellung anzubieten (zumal ja auch noch der Posten von Relotius unverkennbar frei geworden war).
Für dieses unglaublich schäbige Verhalten und die darin angedeutete, in der Branche wohlbekannte Arroganz hätte der SPIEGEL den Negativpreis des Netzwerk Recherche verdient, die „verschlossene Auster„. Auch wenn sich die Illustrierte nach Relotius in Teilen gar nicht verschlossen zeigt (was gut auch rein strategisch zu erklären ist): gegenüber Juan Moreno hat sich das Unternehmen als Informationsblockierer gezeigt und war alles andere als loyal.
Den SPIEGEL mit einem Negativpreis auszuzeichnen hätte Größe – und würde für die Unabhängigkeit des Netzwerk Recherche sprechen, in dem SPIEGEL-Leute ein- und ausgehen, wie umgekehrt das Netzwerk eng mit dem SPIEGEL zusammenarbeitet.
„Wurde oder wird dem Enthüllungsjournalisten Juan Moreno eine Festanstellung angeboten“ fragten wir den SPIEGEL schon vor zwei Monaten.
Die Antwort von Anja zum Hingst, nach zwei Wochen: „Juan Moreno ist weiterhin freier Autor des SPIEGEL.“
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