Der Staat im Stuhlkreis

Die journalistischen W-Fragen lauten Was, Wer, Wo, Wann, Wie, Warum und Woher (stammen die Aussagen). Die demokratischen W-Fragen lauten: Wer will was von wem wozu warum.

Wenn es in einem Artikel mal wieder um 200 Milliarden Euro geht, darf man erwarten, dass diese Fragen zumindest gestellt und die Antwortsuche dokumentiert wird. Aber Pustekuchen bei der Süddeutschen Zeitung. Sie titelt:

Gaspreisbremse: Staat übernimmt Rechnung für Dezember

Während man die Chiffre “Staat” in einer Überschrift noch akzeptieren mag, ist deren fehlende Dechiffrierung im Beitrag selbst nicht hinnehmbar. So oft “der Staat” auch von Journalisten, den Protagonisten ihrer Berichte (insbesondere Politiker, Politologen, Juristen) und den Journalismus-Kunden angeführt wird, so deplatziert ist er. “Der Staat” macht gar nichts, er kann nicht reden, nicht schreiben, nicht lesen, und wenn damit in einer Demokratie letztlich  alle Bürger gemeint sein sollen, erklärt der Begriff eben auch nichts.
Aber gut, wir übersetzen: Die Mitglieder der Bundesregierung wollen, dass eine Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags einem Gesetz zustimmt, das in nicht näher bezeichneter  Form viele Milliarden Euro transferieren soll. Doch von wo nach wo, also wieder personalisiert: von wem zu wem?
Der Artikel schweigt sich darüber sattsam aus. Wir erfahren es nicht.  Wir erfahren nicht einmal, ob darüber gesprochen wurde. Ob es Ideen dazu gibt. Oder ob ernsthaft alles unter der Super-Chiffre “Der Staat übernimmt die Rechnung” verborgen wird.
Geld kommt bisher von Menschen (auch eine Hundesteuer zahlen bekanntlich nicht die Hunde), und es wird auch nur an Menschen gezahlt, Digitalisierung hin oder her. Von wem also kommt das Geld, welches “der Staat” ausgeben möchte? Und wer erhält es dann? Wer wird ärmer, wer wird reicher? Ist das nicht das entscheidende bei einer Transferzahlung in Milliardenhöhe? Sollte das nicht wenigstens Journalisten interessieren, als Ausdruck  originärer beruflicher Leistung?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.