Theaterkritik: Michael Naumann und der Enthüllungs-SPIEGEL

Ein Gastbeitrag vom Politik-Echo

Michael Naumann neigt nicht zu drastischen Worten: Seinen Ärger über Kurt Beck kleidete er nach der Hamburg-Wahl zunächst in vorsichtige Worte: “Hilfreich war es sicher nicht”, kommentierte er die nach außen gesickerten Pläne des SPD-Chefs, mit den Stimmen der Linken Frau Ypsilanti zur Hessischen Ministerpräsidentin wählen zu lassen.

Doch dann legte der ZEIT-Herausgeber in den SPD-Gremien nach: “Wir waren auf der Überholspur, doch dann kam ein LKW aus Mainz und hat alles platt gemacht.” Wie von Naumann gewünscht, wurde dieser Satz nach außen kolportiert – und von SPIEGEL-Online dankbar aufgegriffen. Auch jede andere Form der Kritik hätte die vertrauliche Runde verlassen, deshalb wählte Naumann lieber gleich ein schönes Bild, um seinem Ärger Luft zu verschaffen.

In einem persönlichen Brief an Beck erläuterte Naumann seinen Unmut: Statt mit jener Geduld weiter zu arbeiten, die unser – und doch auch Dein! – Hamburger Programm charakterisiert, hast Du aus riskantem Kalkül und vor allem zum falschen Zeitpunkt das Tor für die Linkspartei in Westdeutschland zum Einzug in die scheinbare Respektabilität geöffnet.”

Welch Wunder: Dem SPIEGEL liegt der Brief vor. Und Naumann, der den Hunger seiner Zunft nach solchen Informationen kennt, gibt sich naiv, wie auf SPIEGEL-Online nachzulesen ist:

Der Hamburger SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann ist erschüttert darüber, dass Inhalte seines Beschwerdebriefes an Beck bekannt geworden sind.

“Ich bin fassungslos”, sagte Naumann dem Sender NDR 90,3. Er sei entsetzt, dass richtige Zitate aus dem absolut vertraulichen Brief erschienen. “Ich habe das nicht veröffentlicht”, beklagte sich Naumann. An weiteren Spekulationen wolle er sich jedoch nicht beteiligen.

So revanchiert sich SPIEGEL-Online für den zugespielten Brief: Naumann wird brav zitiert, er sei “fassungslos” über seine – natürlich gezielte – Indiskretion. Dabei hätte der Griff zum Telefonhörer die Vertraulichkeit gesichert.

So führt Naumann mit Hilfe von SPIEGEL(-Online) ein Schauspiel auf, das der normale Leser kaum durchschauen kann.

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