Die Landespressegesetze (LPG) wie auch die Informationsfreiheitsgesetze (IFG) auf Bundesebene und in den meisten Ländern*) sind – theoretisch – Freund und Helferin der Journalisten. Spiegelkritik verweist in loser Folge auf Höhen und Tiefen der Recherchepraxis mit diesen gesetzlichen Mitteln.
taz-Redakteur Sebastian Heiser wollte im Mai 2009 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sehr dezidiert wissen, was sich hinter einer Ausschreibung zu Stromlieferungen für Liegenschaften in Berlin verbirgt. Es ging ihm vor allem darum, welche Behörden Strom aus regenerativen Quellen einkaufen, welche auf dieses Merkmal verzichten und um wie viel teurer der Ökostrom ist.
Die Bundesanstalt antwortete binnen fünf Tagen umfangreich, aber nicht vollständig. Auf erneute Nachfrage beharrte die Behörde darauf, dass “der Inhalt abgegebener Angebote und insbesondere die jeweilige Preisgestaltung dem Gebot der vertraulichen Behandlung” unterliegen. Als Sebastian Heiser erneut für seinen Informationsanspruch argumentierte, teilte das Amt mit: “Vertragsinhalte [sind] grundsätzlich als Geschäftsgeheimnis der hiesigen Vertragspartner zu werten. Diese Geschäftsgeheimnisse sind jedenfalls als ‘schutzwürdiges privates Interesse’ im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3, 2. Alt. Landespressegesetz NRW anzusehen.”
Daraufhin reichte Heiser Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht in Köln ein und beantragte, ihm die Frage zu beantworten: “Wie viel Cent pro Kilowattstunde kostet der Strom, den die Beklagte mit einer am 28. Februar 2009 veröffentlichten europaweiten Ausschreibung eingekauft hatte.” Dieser einfachen Frage folgen fünf Seiten juristische Begründung, die Heiser selbst geschrieben hatte. Die Gegenseite hingegen beauftragt eine große Kanzlei, deren Briefkopf zwei Drittel der Seite füllt, so viele Rechtsanwälte listet sie auf – was durchaus Eindruck schinden kann.
Doch die Kanzlei geht nicht auf die Klageschrift ein, sondern bittet um einen Monat Fristverlängerung für eine Stellungnahme. Einen Tag vor Ablauf der vom Gericht gewährten neuen Frist beantragt die Kanzlei weitere vier Wochen Aufschub, da weitere Rücksprachen mit Beteiligten notwendig seien.
Kurz vor Ablauf dieser neuen Frist meldet sich die Kanzlei direkt bei Sebastian Heiser – und liefert die gewünschte Information. Die beteiligten Unternehmen hätten inzwischen zugestimmt, die Klage habe sich damit wohl erübrigt. Allerdings lagen zwischen der ersten Anfrage und der letzten Information nicht nur fünf Monate, sondern auch eine Bundestagswahl am 27. September 2009.
Heiser hätte die Informationen gerne vor der Wahl gehabt.
Mehr zum Fall Heiser: “die Bundesstromklage” (pdf)
(Mehr zum Auskunftsrecht für Journalisten im Medienmagazin “journalist” November 2010)
*)= Informationsfreiheitsgesetze gibt es bisher in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie auf Bundesebene.