Frank Jansen ist ein mehrfach ausgezeichneter Journalist, Reporter beim Tagesspiegel. Leider hat er uns bisher trotz Anfrage nicht geholfen, seinen Artikel „Nahkampf und linke Agitation im Zeltlager“ auch als Wächterleistung zu sehen.
Der Beitrag vom 1. Dezember 2009 berichtet über ein Jugendzeltlager in Homberg (Ohm), das in den letzten fünf Tagen der hessischen Sommerferien vom „Bündnis antifaschistischer Gruppen Hessen“ ausgerichtet worden war. Nach Jansens Darstellung kam auf dem Zeltplatz des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) „ein Viertel der gewaltbereiten Linksextremisten in Hessen“ zusammen. Vor den Augen der Öffentlichkeit mit Planen und einem Zirkuszelt abgeschirmt soll mit Tonfas und Schlagstöcken der Nahkampf geübt worden sein. „Die Autonomen wandten Angriffs- und Verteidigungstechniken an, gegen die Judo nahezu kindlich wirkt.“ Laut Jansen sehen Sicherheitsexperten nun die Gefahr, „dass hessische Autonome noch härter zulangen, gegen Rechtsextremisten und die Polizei.“
Das klingt alles ziemlich abenteuerlich – allerdings vollständig ohne belastbare Quellen. Es gibt lauten Widerspruch – und auch offensichtliche Fehler in der Darstellung.
Frank Jansen schreibt: „Nach den fünf Tagen endete das konspirative Camp, als sei nichts geschehen. […] Das Treffen sollte geheim bleiben.“
Dem widerspricht das Bündnis in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung: „Denn das Jugendantifa-Camp wurde bereits ein halbes Jahr im Voraus offen beworben. Dies lässt sich bereits mittels einer kurzen Google-Recherche nachprüfen, welche über den ersten Sucheintrag zur offiziellen Internetseite des Jugendantifa-Camps (www.jugendantifa-camp09.tk) führt. Zusätzlich wurde das Camp öffentlich durch Plakate, Flugblätter und Anzeigen in bundesweit vertriebenen Zeitschriften beworben.“
Die Seite ist mit Programm noch heute verfügbar, und es finden sich Monate alte Verweise auf diese. Heimlich war nur der genaue Ort des Camps: „Aus Sicherheitsgründen geben wir den genauen Ort, an dem das Camp stattfinden wird, erst nach Anmeldeschluss und nur für alle erfolgreich angemeldeten TeilnehmerInnen bekannt.“ Dies ist im Hinblick auf vorangegangene Begegnungen von Rechten und Linken in Hessen und insbesondere den Überfall auf ein solid-Camp im Schwalm-Eder-Kreis am 20. Juli 2008 nicht allzu verwunderlich.
Auch in einem anderen zentralen Punkt widerspricht das Bündnis der Darstellung im Tagesspiegel. Jansen schreibt: „Doch das, was sich im Sommer in Hessen abgespielt hat, war selbst für lang gediente Fachleute eine Überraschung.“ Das Bündnis antifaschistischer Gruppen in Hessen entgegnet: „Auch dies entspricht nicht der Wahrheit. So sind im Vorhinein und auch während des Camps sowohl die Polizeidirektion Homberg/Ohm als auch das LKA Hessen an uns herangetreten. Ein Anruf bei den Dienststellen sollte ausreichen um dies zu überprüfen. Grund für diese Absprachen waren die Sicherheitsbedenken der Polizei. So befürchtete diese eine Gefährdung der Teilnehmer_innen durch die Neonaziszene im Vogelsbergkreis.“
Der für die Vermietung des Zeltplatzes zuständige Bildungsreferent des BdP Hans-Joachim Böhm sagt, er habe vor der Belegung sowohl beim Landeskriminalamt als auch beim Hessischen Jugendring nachgefragt, ob es Bedenken gegen eine Vermietung an den Camp-Veranstalter gebe, was verneint worden sei.
Irritierend ist in diesem Zusammenhang auch, dass sowohl das Bündnis als auch der BdP auf Anfrage sagen, Jansen sei mit ihnen nicht in Kontakt getreten. Dass Jansen weder dem Veranstalter noch dem Zeltplatz-Betreiber die Möglichkeit gegeben hat, sich zu den Vorwürfen zu äußern und gleichzeitig keine einzige Quelle für seine Informationen nennt, hebt nicht gerade die Glaubwürdigkeit seiner Darstellung. Die Wirkung blieb gleichwohl nicht aus.
Der Gießener Anzeiger hatte zunächst die Darstellungen aus dem Tagesspiegel in weiten Teilen übernommen und mit seiner eigenen Recherche nicht gerade an den kritischen Punkten angesetzt: „Trainingslager von Autonomen im August – Experten befürchten Auftakt zu mehr Gewalt“ hieß es dort am 5. Dezember.
Gleich meldete sich die Junge Union Vogelsberg zu Wort: „Das mittlerweile bekannt gewordene Lager ca. 100 linksextremer Autonomer in Homberg zeigt deutlich, wie sich linke Gruppen in Deutschland auf gewalttätige Auseinandersetzungen vorbereiten“, so Kreisvorsitzender Michael Ruhl in einer Pressemitteilung.
Einen anderen Blickwinkel zeigte dann die Gießener Allgemeine am 10. Dezember und schildert, dass auch die Stadt Homberg in die Planung des Camps eingebunden war.
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