Journalismus soll seinen Kunden durch Informationsangebote bei der Orientierung helfen – eine Binsenweisheit. Dass dies unterschiedlich gut gelingt, ist auch selbstverständlich.
Leider gibt es immer wieder auch flächendeckendes Versagen beim journalistischen Auftrag – und die Medienkritik hat u.a. auf solches über den Einzelfall hinausgehende Misslingen zu fokussieren.Nicht selten kann man die Desinformationsgeschwader schon lange Zeit ihres Anflugs vernehmen, weit bevor sie ihre Nebelbomben werfen. Vielleicht sollte die Medienkritik stärker vorwarnend tätig werden – und wenn sie den Medienkurs nicht beeinflussen kann wenigstens die Rezipienten in die Bunker schicken.
Eine solche Vorwarnung muss man in Punkto Bundesinnenminister Horst Seehofer spätestens heute aussprechen. Was immer in den nächsten Wochen und Monaten, die er noch Chef einer riesigen und sehr bedeutsamen Behörde ist, an Forderungen erhebt, an Vorschlägen verlautbart, eben Politik-PR veranstaltet: es ist es nicht wert, darüber auch nur ein Wort zu verlieren. Jede Meldung, jeder Kommentar zu Äußerungen Horst Seehofers sind eine intellektuelle Beleidigung, eine zeitraubende Desinformation.
Denn ein Bundespolitiker, der 100 schiffbrüchige Flüchtlinge zu einem europäischen Problem erhebt, für das es eine “europäisch-solidarische Lösung” brauche, der dieses Kaspertheater nicht exklusiv für den erlauchten Kreis seiner Berufsgenossen aufführt, sondern damit in die Medienöffentlichkeit drängt, wer also nicht in der Lage ist, eine Banalität zu regeln, von dem kann, soll und darf man keine öffentliche Debatten sinnvoll bereichernde Geistesblitze erwarten. Es entspricht dem journalistischen Auftrag der Orientierung, künftig nur noch relevante Tätigkeiten des Bundesinnenministeriums zu vermelden, dessen austauschbaren Chef jedoch komplett zu ignorieren.
Man muss nicht in den Chor der sich moralisch überlegen gebenden “Refugees welcome”-Sänger einsteigen, um Seehofers Verhalten gegenüber den Menschen auf zwei kleinen Rettungsschiffen im Mittelmeer erbärmlich zu finden. Es ist katastrophal genug, dass die EU überhaupt vor einem “Problem” stehen kann, wenn 100 Schiffbrüchige irgendwo aufgenommen werden müssen. In jedem Fall aber ist es die Aufgabe von Politikern bzw. Beamten und Angestellten der Exekutive, solche “Probleme” schnell und souverän zu lösen, ohne damit den Souverän zu behelligen. Wenn diese gigantische Ministerialbürokratie schon überfordert ist, weil 100 Migranten nicht planmäßig entweder von Küstenwachen zurückgeholt worden oder im Mittelmeer abgesoffen sind, um nicht an den Außengrenzen der EU zum Problem zu werden, dann möchte man als Bürger den ganzen Popanz auflösen, in die Wüste schicken oder auf den Mond schießen. Als Journalist jedenfalls hat man zu erkennen, dass Horst Seehofer nicht ernsthaft eine Person sein kann, deren politische Ideen dem Rest der Bevölkerung mitzuteilen sind. Jede weitere Meldung, was Seehofer will oder nicht will, fordert, oder anbietet, ist eine gewaltige Despektierlichkeit gegenüber den Rezipienten.
Wenn Seehofer sich dennoch weiter mitteilen möchte, gibt es dafür reichlich Wege. Journalistische Medien dürfen dafür nicht mehr zur Verfügung stehen.