Rechtliche Absicherung von Verdachtsberichterstattung durch Eidesstattliche Versicherungen

Zugegeben, auch wir waren lange Zeit der Ansicht, die in investigativen Pressestücken oft zu findende Aussage, es lägen Eidesstattliche Versicherungen der (anonymen) Zeugen vor, seien rechtlich wertlos. Schließlich steht im Gesetz explizit:

>Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (§ 156 StGB)<

Selbst der bekannte und vielschreibende Bundesrichter a.D. Thomas Fischer äußerte sich entsprechend zur Verdachtsberichterstattung über Regisseur Dieter Wedel 2018:

´>Der vielfach wiederholte Hinweis auf „eidesstattliche Erklärungen“ offenbart einen Versuch, die Leser zu täuschen. „Eidesstattliche Versicherung“ (EV) ist ein rechtstechnischer Begriff. Er gewinnt seine Bedeutung aus Paragraf 156 Strafgesetzbuch, der die Abgabe einer inhaltlich falschen EV unter Strafe stellt. Das gilt aber nur, wenn die Erklärung gegenüber einer Behörde abgegeben wird, die durch Gesetz zur Abnahme ermächtigt ist. Die Zeit-Redaktion ist eine solche Behörde ebenso wenig wie Rechtsanwälte. Die „eidesstattlichen Erklärungen“, über die bedeutsam berichtet wird, sind daher nicht mehr wert als das legendäre „Ehrenwort“.<

Tatsächlich hat eine Eidesstattliche Versicherung (deren gängige Abkürzung „EV“ leider auch für die „Einstweilige Verfügung“ verwendet wird) noch keine rechtliche Bedeutung, solange sie bei den Journalisten liegt. Doch wenn sie bei Gericht eingereicht wird, entfaltet sie ihre Kraft zur sog. Glaubhaftmachung, die z.B. in Verfahren zur Erlangung einer Einstweiligen Verfügung gegen eine Veröffentlichung als Abwehrversuch in Betracht kommt.

Dabei muss diese Eidesstattliche Versicherung drei formale Kriterien enthalten:
1. Es muss aus ihr hervorgehen, dass sie zur Vorlage bei Gericht bestimmt ist, also eine Glaubhaftmachung gegenüber dieser Behörde sein soll.
2. Es muss erklärt werden, über die Strafbarkeit einer falschen Erklärung im Bilde zu sein.
3. Die Eidesstattliche Versichung muss von dem Erklärenden (der eindeutig identifizierbar sein muss) unterschrieben sein.

Die Eidesstattliche Versicherung muss also nicht physisch in einem Gericht unterzeichnet werden, eine Prozesspartei kann sie im schriftlichen Verfahren einreichen. Dies ist gängige Praxis.
Eine falsche Eidesstattliche Versicherung ist tatsächlich nicht gewichtiger als jede andere Lüge, solange sie in der Redaktionsstube liegt. Aber bei Gericht eingereicht und explizit für diesen Zweck bestimmt, hat sie das volle Gewicht, das ihr vom Gesetz zugeschrieben ist.

Siehe hierzu etwas ausführlicher:Journalisten können sich auf Eidesstattliche Versicherung berufen“ (Telepolis)

2 Gedanken zu „Rechtliche Absicherung von Verdachtsberichterstattung durch Eidesstattliche Versicherungen

  1. Norbert

    Aber das löst doch nicht das Problem, dass Journalisten ihre eidesstattlichen Erklärungen aus Gründen des Informantenschutzes niemals in einem Gericht einreichen werden, weil sie Anonymität zugesichert haben und in diesem Fall der Name der anderen Partei bekannt würde. Ist die vor Journalisten gemachte eidesstattliche Erklärung dann nicht nur ein Dokument, das rechtlich theoretisch wertvoll sein könnte, es aber praktisch nie werden wird? Wo ist da der Unterschied zu einem großen Ehrenwort?
    Oder haben Journalisten diese Erklärungen auch mal vor Gericht verwendet (bspw. im Rammstein-Fall), wenn sie von einer Unterlassungserklärung bedroht waren und die berichteten Vorwürfe weiterhin verbreiten wollten?

  2. SpKr

    Deshalb sollte in der Berichterstattung deutlich gemacht werden, dass mit dem Begriff „Eidesstattliche Versicherung“ ein gerichtsfestes Dokument gemeint ist (das natürlich auch tatsächlich vorliegen muss). Andernfalls sollte der Begriff wg. Irreführung nicht verwendet werden, da er dann juristisch unzutreffend wäre. Eine abgegebene Eidesstattliche Versicherung kann man auch nicht mehr zurückziehen (aber natürlich könnten Journalisten darauf verzichten, sie zu verwenden, wenn es darauf ankommt, aber damit wäre eben die entsprechende Behauptung im Artikel/ Beitrag falsch). Gelegentlich finden sich nämlich Formulierungen der Art „hat gegenüber einem Notar eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben“. Das dürften dann Nebelkerzen sein, die wir nicht brauchen. Es muss klar sein, dass es sich um ein Dokument handelt, welches die Anforderungen von BGB § 156 erfüllt. Alles andere sollte nicht so genannt werden, weil der Begriff dann zumindest juristisch falsch wäre.
    Der Sinn liegt ausschließlich in einer Glaubhaftmachung. Die ist eben kein Beweis, aber wer entsprechendes behauptet, muss wissen, dass im Falle einer Lüge (bzw. Nicht-Beweisbarkeit der Behauptung) eine Strafe droht. Das können die Journalismus-Kunden dann entsprechend einordnen und entsprechendes Gewicht beimessen. (Dass Falschbeschuldigungen auch außerhalb einer Eidesstattlichen Versicherung strafbar sein können (u.a. üble Nachrede und Verleumdung), soll hier nicht weiter erörtert werden.)

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