Framing statt Berichterstattung

DJV-Blog korrigiert intransparent

Die journalistische, also kollegiale Reaktion auf einen Reformaufruf für den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), “Meinungsvielfalt jetzt“,  fiel vor allem kommentierend auf – und wenig berichtend. Dass ausgerechnet bei einem solchen Medienthema Journalisten selbst wieder meinen, den Diskussionston angeben zu müssen, anstatt zunächst einmal nach sachlicher Berichterstattung die Reaktionen des (also: ihres) Publikums abzuwarten, zeigt wohl schon einen wesentlichen Teil des Problems.

Unter dem medienjournalistischen Blickwinkel sei dabei vor allem auf einen Kommentar von Hendrik Zörner verwiesen, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Denn Zörner übte sich reichlich im Framing, indem er nicht auf die Inhalte des “Manifests” einging, sondern den Initiator und den Unterstützerkreis thematisierte. Obwohl wir doch Sprecher und Argument streng zu trennen haben (jedenfalls im Sinne eines Orientierungsangebots für das Publikum trennen sollten).

Dabei ist es an sich schon befremdlich (aber keineswegs einmalig), wenn sich ein Journalismus-PR-ler auf die die Kollegen stürzt, anstatt deren Anliegen zunächst einmal gewerkschaftlich loyal zu betrachten. (Womit natürlich nicht dafür geworben werden soll, Berufskollegen pauschal in Schutz zu nehmen, wie wir dies oft bei Gewerkschaften erleben, insbesondere bei den Polizeivertretern, sobald es um Vorwürfe unverhältnismäßiger Gewalt geht.)

Zörner “raunte” (um ein fürchterliches, aber leider inzwischen im Journalismus weit verbreitetes Verb zu nutzen) in seinem Kommentar (Archiv-Version):

Eigentümlich ist auch, dass nach DJV-Informationen noch vor Kurzem im Impressum der Seite ein Verein Zivile Allianz genannt war, der von Sven von Storch, dem Ehemann der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch, geführt wird.

Da der DJV maßgeblich zur “Initiative Qualität” (IQ) gehört (der DJV ist weiterhin die Geschäftsadresse der Vereinigung, der auch Verleger, Medienanstalten und die DGPuK angehören, und die langjährige Chefredakteurin des DJV-Mitgliedermagazins “journalist”, Ulrike Kaiser, war bis vor kurzem Sprecherin der IQ), interessiert uns hier vor allem der Umgang von Zörner bzw. DJV mit dem Kommentar.

Denn der ohne jeden Beleg aufgestellten Behauptung fügte Zörner bald den Satz an (Archiv-Version):

Dem widerspricht Ole Skambraks, Verantwortlicher im Impressum der Seite meinungsvielfalt.jetzt, vehement.<

Die Änderung wurde nicht als solche ausgewiesen, was in zweierlei Hinsicht problematisch ist:

a) Die früheren Leser erfahren nichts von der Ergänzung.
b) Der Einschub wirkt, als habe Zörner den Manifest-Initiator vor Veröffentlichung seines Beitrags befragt.

Später änderte Zörner (oder sonst wer) den Kommentar erneut. Nun folg der gesamte Passus mit Ergänzung einfach raus, dafür erschien in der Kopfzeile ein “Update:”, allerdings ohne Zeitangabe und Hinweis, was denn nun upgedatet wurde (Archiv-Version). Und am Anfang des Textes steht eine Gegendarstellung von Ole Skambraks, deren Sinn sich allerdings aufgrund der Löschung der beanstandeten Passage für neue Leser nicht erschließt.

Von der ursprünglichen Behauptung, noch vor Kurzem sei im Impressum der Seite www.meinungsvielfalt.jetzt ein Verein Zivile Allianz genannt worden, der eine Verbindung zur AfD-Politikerin Beatrix von Storch aufweise, blieb also nichts übrig. Es gab aber auch keinen Widerruf, kein Fehlereingeständnis.

Diese zwei Veränderungen nicht zu dokumentieren widerspricht dem deutschen Pressekodex, über dessen Einhaltung im Deutschen Presserat regelmäßig auch DJV-Vertreter befinden. In Richtlinie 3.1 heißt es dazu:

(1) Für den Leser muss erkennbar sein, dass die vorangegangene Meldung ganz oder zum Teil unrichtig war. Deshalb nimmt eine Richtigstellung bei der Wiedergabe des korrekten Sachverhalts auf die vorangegangene Falschmeldung Bezug. Der wahre Sachverhalt wird geschildert, auch dann, wenn der Irrtum bereits in anderer Weise in der Öffentlichkeit eingestanden worden ist.
(2) Bei Online-Veröffentlichungen wird eine Richtigstellung mit dem ursprünglichen Beitrag verbunden. Erfolgt sie in dem Beitrag selbst, so wird dies kenntlich gemacht.<

Mal schauen, wie der Presserat über unsere entsprechende Eingabe entscheiden wird. Aus berufspädagogischer Sicht wäre wohl eine öffentliche Rüge auszusprechen.

Framing auch bei “RKI-Files”

Nachdem die von Paul Schreyer und seinem Magazin Multipolar veröffentlichten Ergebnisprotokolle des Corona-Krisenstabs beim Robert-Koch-Institut (RKI) im Mainstream angekommen waren, begann das Framing: Anstatt sich nüchtern mit den Inhalten zu beschäftigen, Fragen zu entwickeln und diese zu klären, fokussierten viele Berichte auf den Überbringer der Nachricht: Multipolar und Schreyer seien “rechts” und/ oder verschwörungstheoretisch unterwegs.
Mehr dazu gibt es auf Telepolis: Der Kampf um Deutungshoheit.

 

Offenlegung:
Der Autor hat viele Jahr für das DJV-Magazin “journalist” geschrieben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.