Archiv für den Monat: Mai 2007

Korinthe (39): Nicht ganz so schnell

Die schnelle Bahn-Verbindung zwischen Frankfurt und Paris hat SpOn etwas zu schnell gemacht:

Zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember legt der ICE noch einmal einen Zahn zu und ist zwischen Paris und Frankfurt nochmals 20 Minuten früher am Ziel. Dann werden je Richtung täglich fünf Züge Frankfurt-Paris und täglich vier Züge Stuttgart-Paris fahren. Auf lange Sicht sollen mit einem weiteren Ausbau der Strecke ab 2008 auch zwischen Paris und Straßburg weitere 30 Minuten eingespart werden, statt heute mindestens vier Stunden soll die Fahrzeit nur noch eine Stunde und 50 Minuten betragen.

Bahnsprecher Andreas Fuhrmann teilte Robert Niemann auf Anfrage mit:

“Durch den geplanten Weiterbau der französischen Hochgeschwindigkeitsstrecke bis nach Straßburg wird sich die Fahrtzeit zwischen Paris, Straßburg, Karlsuhe, Stuttgart und München in Zukunft weiter verkürzen. Die Fahrtzeit zwischen Frankfurt und Paris sinkt ab 9. Dezember 2007 auf nur 3 Stunden 49 Minuten.”

Mit herzlichem Dank.

Korinthe (38): Darwin nicht ganz unterschlagen

In den USA haben Kreationisten ein Museum eröffnet, das der biblischen Schöpfungsgeschichte gewidmet ist. Spiegel-Online berichtet darüber:

“Nur Hinweise auf Darwin und die Entstehung der Arten, wie sie der Begründer der Evolutionstheorie beschrieben hatte, sucht man vergebens.”

Das ist vielleicht wieder etwas sehr am Schreibtisch kreiert – denn wer da suchet, der findet (Lk 11,10).

Mit Dank an Peter Kröner.

Reizende Polizisten verletzt

Spiegel-Online hatte sich bereits gestern festgelegt: die Demonstration in Hamburg war vor allem ein Randale-Training: “Militante G-8-Gegner randalieren sich warm”.
Politik-Redakteur Philipp Wittrock beklagt darin, dass 150 Polizisten mit Reizgas angegriffen wurden.
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Interessant jedoch, wenn man auch bei anderen journalismusverarbeitenden Betrieben vorbeischaut. Dem Online-Angebot der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel:
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Man kann solche kleinen Unterschiede natürlich auf die dpa schieben. Oder sich wundern, warum Hamburger Redakteure ein Hamburger Ereignis als Aufmacher wählen und für den Text zwei Nachrichtenagenturen brauchen.

Mit Dank an Adrian.

Spiegel Online missachtet richterliche Unabhängigkeit

Ein Leserbrief der Neuen Richtervereinigung (NRV), Dr. Mario Cebulla

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie viele andere Medien in Deutschland hat sich auch das Internet-News-Portal SPIEGEL ONLINE an der kritischen Berichterstattung über eine Frankfurter Familienrichterin beteiligt. Der Richterin wurde in manchen Medien in Unkenntnis des Sachverhaltes vorgeworfen, sie habe in einer Entscheidung eheliche Gewalt mit dem Koran gerechtfertigt. Die Neue Richtervereinigung (NRV) ist der Meinung, dass SPIEGEL ONLINE bei seiner Berichterstattung zu diesem Thema die Grenzen des seriösen Journalismus weit überschritten hat.

Vor allem ist eine Umfrage zu kritisieren, mit der SPIEGEL ONLINE den Weg für disziplinarische Maßnahmen gegen die Richterin eröffnen wollte. In dem Umfragetext wird – fehlerhaft – behauptet, eine Richterin habe „eheliche Gewalt in einem Scheidungsverfahren mit dem Koran gerechtfertigt“ und die Frage angeschlossen, ob deshalb disziplinarische Maßnahmen gegen sie eingeleitet werden sollten. Zur Begründung für die Antwortalternativen wurde unter anderem ausgeführt, in Deutschland gelte das Grundgesetz, nicht die Scharia (deshalb Disziplinarmaßnahmen: ja).

Tatsächlich stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:
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Tucholsky mal wieder nicht verstanden

Ein Gastbeitrag vom Sudelblog

Der "Spiegel" mokiert sich darüber, dass der Bundestag nicht die Bestechung von Abgeordneten unter Strafe stellen möchte. Anders als bei Beamten, heißt es in dem Artikel "Beeinflusst, nicht bestochen" (Heft 21, Seite 38), greife der einschlägige Paragraph 108e StGB1 bisher nur in ganz seltenen Fällen bei Parlamentariern. Am Endes des Textes heißt es spiegelhaft süffisant:

Die Abgeordenten stellen sich taub. Es scheint, als glaube das Berliner Parlament fest, was der Satiriker Kurt Tucholsky 1932 schrieb: "Ich höre immer: Korruption. In Deutschland wird nicht bestochen. In Deutschland wird beeinflusst."

Da sieh einer an. Da waren die Politiker 1932 schon genau so ehrlich wie heute und hatten es auch damals gar nicht nötig, ihr dickes Diätenkonto aufbessern zu müssen.

Aber Moment. Tucholskys Artikel "Zyniker", aus dem das Zitat entnommen ist, befasst sich ja gar nicht mit Politikern. Sondern – mit der Presse. Und warum erwähnt der "Spiegel" das nicht? Auch das hat sich seit 1932 nicht geändert. Tucholskys nächster Satz nach dem Zitat lautet:

Und was in der Zeitung steht, ist nicht halb so wichtig wie das, was nicht drin steht.

P.S.: Der frühere Bundestagsabgeordnete Oswald Metzger (Grüne) hat die "Spiegel"-Geschichte in seinem Blog bei "Focus" (!) umgehend aufgegriffen und bewiesen, dass er Tucholsky-Zitate fehlerfrei abschreiben kann. Passend zu Thema Beeinflussung ein Kommentar des Nutzers Bernhard Meier:

Herr Metzger – sie schreiben den Blog hier doch auch nicht für lau. Die Inhalte erinnern mich irgendwie immer stark an ihre Mitgliedschaft bei der INSM. Die scheinen auch gut zu zahlen.
Mit Korruption möchte ich das nicht vergleichen wohl eher Beeinflussung.

PPS: "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust lässt sich von solch kleinen Aufmerksamkeiten deutscher Unternehmen sicherlich nicht beeinflussen.


1(1) Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer Straftat nach Absatz 1 kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen.

Korinthe (37): ICE Baureihen

Schön schnell gehts nun mit Hochgeschwindigkeitszügen der Deutschen Bahn nach Frankreich. Konkret mit denen vom Typ ICE 3 – und nicht, wie bei SpOn abgebildet, mit dem ICE T(D), wie unser Experte Peter leider kritisieren muss.
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Spiegel-Online verkauft die dreistesten Lügen

Für die Recherche-Abteilung bei Spiegel Online ist die Sache klar: die eidesstattliche Versicherung von Jan Ullrich 1999 (“Ich habe zu keinem Zeitpunkt verbotene Dopingmittel konsumiert, gespritzt oder auf andere Art und Weise zu mir genommen.”) ist eine dreiste Lüge.
Zwar hat Jef D’Hont behauptet, auch Jan Ullrich habe Epo genommen – doch sind weder Behauptungen noch “Geständnisse vor der Presse” gleichzusetzen mit der Wahrheit. Für deren Findung müsste man allerdings mehr tun, als nur Zitate aneinander zu reihen. Klickförderlicher ist natürlich:

“Wie dreist jedoch die Lügen waren, dokumentiert der SPIEGEL.”

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Hut ab zum Gebet

Diesmal berichtet Alexander Smoltczyk in seiner launigen Spiegel-Online-Kolumne Uups! et Orbi über den Dramatiker Rolf Hochhuth und einen Papst. Hier wird die Frage aufgeworfen und beantwortet, ob dieser Papst – Pius XII. – böse war und dieser Hochhut gut oder umgekehrt oder wie?

Eine der beiden Fragen wurde amtlich beantwortet, wie wir gleich zu Beginn erfahren. Die dafür zuständige Behörde des Vatikan die Congregatio de Causis Sanctorum, gab nun, 49 Jahre nach seinem Ableben, bekannt, Eugenio Pacelli – so sein bürgerliche Name – sei “venerabile” also von “heroischem Tugendgrad”. Smoltczyk lässt uns wissen, warum ausgerechnet dieser bemitleidenswerte Mann, der eigentlich kein Mensch, sondern immerhin der Stellvertreter Christi auf Erden und außerdem unfehlbar war, so unverschämt lange darauf warten mußte, bis ihm diese Ehre zu Teil wurde:

Weil Pacelli doppelt Pech gehabt hat in seinem Leben. Er wurde Papst, als auf Erden die Hölle los war, Hitler über den Kontinent herrschte, Stalin wütete, und der Kirchenstaat einem megalomanischen Hitler-Vasallen ausgeliefert war, der sich Duce nennen ließ. Da war es schwer, Papst zu sein.

Ja wirklich, das war eine schreckliche Zeit. Ganz besonders Päpste hatten es nicht einfach damals:

Für die einen ist Pacelli “Hitlers Papst” (John Cornwell, Daniel Goldhagen), für die anderen ist er ein Held und “Defensor Civilitatis”.

Es scheint sich also hier um eine schwierige historische Frage zu handeln, die Smoltczyk aber mit einer verblüffenden Argumentation klären kann: Weiterlesen

Kostenpflichtiges Bedauern

Fehler können einen teuer zu stehen kommen – Binse. Doch dass in Haftung der zu Schaden Gekommene genommen wird, ist immer wieder überraschend. So bei Spiegel-Online, wie Blogmedien berichten. Denn eine damals nicht gekennzeichnete Wikipedia-Übernahme als Hintergrundbericht “zum Völkermord in Ruanda” ist heute als nicht mehr vorhandener Text -kostenpflichtig. Dafür gibt`s eine 50-Cent-Entschuldigung. Blogmedien:

“Nachdem Spiegel Online den Beitrag zunächst stillschweigend zurückgezogen hatte, entdeckte Medienrauschen am 8. März 2005 “eine Entschuldigung an die ‘Macher und Autoren’ der Wikipedia”. Ganz umsonst soll diese “Entschuldigung” allerdings nicht sein: sie kostet 50 Cent, so viel wie ein Anruf beim Abzock-Sender 9Live. Irrtum ausgeschlossen.”

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Scientology: Unzutreffende Spiegel-Kritik ?

Ein Video, das einen ausrastenden BBC-Reporter John Sweeney zeigt, ist derzeit offenbar einer der Renner bei youtube. Sweeney arbeitete an einer Dokumentation “Scientology and Me”, wobei es eines nachts zu einer harten Diskussion kam, aus der die nun kursierende Sequenz stammt. Spiegel-Online-Kollege Konrad Lischka hat dazu ein großes Stück geschrieben, in dem er die Hintergründe des von Scientology gedrehten Videos und die mögliche propagandistische Nutzung beleuchtet:

“Die Scientology-Aufnahmen der Szene unterschlagen allerdings die Vorgeschichte, den Vorwurf unsauberer journalistischer Arbeit. Hier wird suggeriert, Sweeney sei einfach so ausgerastet. Das nicht so suggestiv geschnittene Filmmaterial der Szene des BBC-Teams zeigt das Vorgeplänkel, zeigt auch, wie der Scientology-Vertreter seine Stimme erhebt. Nach diesem Zwischenfall entschuldigt sich Sweeney bei Davis, der wirkt gelassen – beide scheinen zumindest wieder miteinander zu sprechen.”

Horst Müller, Dozent für Redaktionspraxis an der FH Mittweida, hält Lischkas Beitrag für schlechten nicht-guten Journalismus, weil er “allein den Hauptbeteiligten John Sweeney als Quelle für die eigene Berichterstattung nutzt”, wie er auf Blogmedien schreibt.

Das wiederum hält Konrad Lischka für eine falsche Tatsachenbehauptung:

“Alle Quellen (Heldal-Lund, Recherchen zur Domain und der Agentur, Stellungnahmen von Scientology aus deren Veröffentlichungen) sind im Beitrag genannt.”

Und in der Tat kann man nicht behaupten, Lischka habe “allein den Hauptbeteiligten John Sweeney” widergegeben. Verschiedener Meinung kann man bei Müllers Vorwurf sein, Lischka habe die Gegenseite nicht zu Wort kommen lassen. Im Artikel kommen keine neu erfragten Zitate von Scientology vor, was Lischka aber auch nicht nötig findet,

“denn Anlass des Beitrags ist die Sicht von Scientology auf das Geschehen und die Dokumentation dieser Sicht auf Youtube, in Blogs und dem Webauftritt des Magazins Freedom.”

Wie weit Lischka für seine Hintergrundrecherchen Kontakt mit Scientology hatte, kann Müller allerdings nicht wissen – gefragt hat er Lischka vor seiner Kritik nicht.

Eine journalistische Pflicht, jedes mitgeschriebene oder aufgenommene Pressesprecher-Tamtam zu publizieren gibt es jedenfalls nicht – und meiner Meinung nach wird dieses bisher viel zu selten rausgefiltert, wenn es zur Sachklärung wenig beiträgt.

Von daher sollte sich die Kritik an Lischkas Scientology-Kritik an dem abarbeiten, was vorhanden ist – dafür ist der Artikel, wie gesagt, umfangreich genug.